Russland: 3,9 Millionen Rubel für De-Anonymisierung von Tor

Russlands Innenministerium will offenbar besser Informationen über Nutzer des Anonymisierungs-Netzwerks Tor sammeln können. Umgerechnet rund 83.000 Euro werden für eine entsprechende Technik ausgelobt.

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Das russische Innenministerium hat eine Prämie von 3,9 Millionen Rubel für eine Technik ausgelobt (rund 83.000 Euro), mit der Nutzer des Anonymisierungs-Dienstes Tor enttarnt werden können. Demnach können noch bis zum 13. August Vorschläge eingereicht werden, am 20. August soll ein Gewinner bekannt gegeben werden.

Zwiebelschäler gesucht: Russlands Regierung möchte offenbar Tor-Nutzer enttarnen können.

(Bild: Screenshot)

Laut Bericht der Moscow Times ist die Tor-Nutzung im Russland seit Verabschiedung einer strikten Internet-Gesetzgebung angestiegen, binnen zweier Wochen im Juni kletterte sie von 80.000 auf 200.000 Nutzer. Die Regelungen umfassen unter anderem eine behördliche Registrierungspflicht für vielgelesene Blogger, ebenfalls können als "extremistisch" eingestufte Websites geblockt werden.

Welche Zwecke die russische Politik mit einer De-Anonymisierung-Technik verfolgt, ist letztlich noch offen. Stanislav Sharikov von der russischen Piratenpartei mutmaßte gegenüber Global Voices, dass es wohl eher um polizeiliche Ziele ginge, etwa die Bekämpfung von Kinderpornographie. Generell ist das mit Mitteln der US-Marine entwickelte Anonymisierungs-Tool ist eine Dual-Use-Technik: Es kann sowohl in diktatorischen Staaten eine vor Repressionen geschützte Internet-Kommunikation ermöglichen, ebenso aber auch einen Deckmantel für kriminelle Machenschaften bieten. Kritiker des Dienstes führen oftmals Drogenhandel,Terrorismus oder eben Kinderpornographie als Beispiele an.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass es möglicherweise eine Lücke im Dienst gibt. Worin genau sie besteht, ist aber noch nicht publik – Anwälte der Carnegie Mellon Universität haben den dazu angekündigten Vortrag bei der Hackerkonferenz Black Hat verhindert. Zwei Forscher der Uni wollten darüber referieren, wie jedermann mit relativ kleinem Budget Tor-Nutzer enttarnen kann. Das Tor-Projekt weiß offenbar von dem Problem und arbeitet an einer Lösung.

Bekannt ist auch, dass sich der US-Geheimdienst NSA bemüht, den Dienst zu knacken. Der Erfolg dessen ist unklar, scheint laut Unterlagen aus dem Snowden Fundus aber gering zu sein. Roger Dingledine, der Gründer des Anonymisierungs-Netzwerks, betont zumindest, dass Tor keine Hintertüren für Regierungsschnüffeleien enthalte. Bislang stammten rund 60 Prozent des Entwicklungsbudgets für das Open-Source-Projekt vom US-Verteidigungsministerium und anderen Teilen der US-Regierung. (axk)