Schweizer Datenschützer warnt vor Bürgernummer und massivem Datensammeln
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte Hanspeter Thür warnt vor Naivität und Indifferenz gegenüber übertriebenem staatlichen und privaten Datensammeln.
Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) Hanspeter Thür stellte seinen Tätigkeitsbericht 2013/14 vor. Besorgt äußerte sich Thür dabei über eine Reihe von signifikanten Herausforderungen für den Datenschutz und die Privatsphäre der Bürger. Eins seiner Hauptbedenken gilt der sogenannten "Bürgernummer". Gemeint ist damit die angedachte breite Verwendung der AHV-Nummer für allerlei Behördenvorgänge.
Personennummer
Die AHV-Nummer ist eine 13-stellige Versichertennummer der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), welche der bedeutendste Pfeiler (1. Säule) des dreiteiligen Schweizer Systems der Alters- und beruflichen Vorsorge ist. Sie soll den Existenzbedarf im Alter oder im Todesfall decken. Als Volksversicherung ist die AHV für alle obligatorisch. Vor allem die Kantone der Eidgenossenschaft sähen gerne – wegen Sparmöglichkeiten in Millionenhöhe –, dass die AHV-Nummer, deren Ausstellung in ihre Zuständigkeit fällt, künftig quasi als nationale Personenidentifikationsnummer implementiert wird. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, unterstützt dieses Vorhaben.
Der oberste Datenschützer der Schweiz ist vehement dagegen, dass Daten von Bürgern künftig von allen Behördenstellen, ob von Kanton oder Bund, anhand der AHV-Nummer erfasst werden. Und er warnt in diesem Zusammenhang vor dem Risiko illegaler und unerwünschter Verknüpfungen, die sich zwischen einzelnen Datenbanken herstellen lassen. Nicht nur der Staat, auch Hacker könnten durch eine Einheitsnummer auf Knopfdruck an die heikelsten Informationen gelangen, betont Thür. Gegen Vorhaben wie die Einführung der AHV-Nummer als genereller Identifikator will er sich deshalb "mit aller Kraft zur Wehr setzen": "Wehret den Anfängen. Seid wachsam. Sprecht nicht erst darüber, wenn ein Missbrauch geschieht."
Datensammelwut
Große Sorgen bereiten den Datenschützern des Bundes aber auch Entwicklungen wie die systematische Auswertung und Nutzung grosser Datenbestände durch "Big Data"-Techniken. Besonders problematisch sei beispielsweise, wenn einer Person auf der Basis vorhandener Informationen und aufgrund von Wahrscheinlichkeiten eine für sie negative Prognose gestellt wird. Das Thema "Big Data" würde zur großen Herausforderung für die geplante Revision des Datenschutzgesetzes. Besonders bezüglich Transparenz und informationeller Selbstbestimmung bestehe Handlungsbedarf. Denn die Entwicklung hin zu einer künftigen "data-driven-society" bringe eine massive Gefährdung der Privatsphäre mit sich, sagt Thür.
In diesem Kontext sieht Thür und seine Behörde auch das "Personentracking": Zunehmend werden technische Systeme dazu eingesetzt, mit Hilfe von Videokameras und biometrischen Erkennungssystemen das Kundenverhalten zu analysieren, Rückschlüsse auf ihr Konsumverhalten zu gewinnen und so die Angebote der Betreiber zu optimieren. Thür und seine Mitarbeiter analysierten solche Systeme und stellten einige Risiken für die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen fest. Oft fehle es bei diesen Projekten an Transparenz und der Zustimmung der Betroffenen, erklärte Thür und versprach, diese Entwicklung sehr genau zu beobachten und bei Bedarf zu intervenieren. (jk)