Segelroboter: Rammen oder Ausweichen?

Bei Böen von 20 Knoten und mehr musste bei der World Robot Sailing Championship (WRSC) in Lübeck der Wettbewerb vorübergehend ausgesetzt werden. Doch dann mussten die Boote ein Hindernis umschiffen.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Wehte der Wind am dritten Wettkampftag noch zu wenig, bläst er am Freitag zu stark: Bei Böen von 20 Knoten und mehr musste bei der World Robot Sailing Championship (WRSC) in Lübeck der Wettbewerb vorübergehend ausgesetzt werden. Insbesondere die am zahlreichsten vertretenen Boote der MicroMagic class, die nur ungefähr 50 Zentimeter lang sind, kamen mit dieser Windstärke einfach nicht zurecht.

Die Aufgabe bestand in der Hindernisvermeidung. Die Boote sollten eine parallel zum Wind ausgerichtete Linie überqueren, eine etwa 60 Meter entfernte Boje umsegeln, wieder zur Startlinie zurückkehren und dabei einem im Weg liegenden Schlauchboot ausweichen. Da die kleinen Boote keine Sensoren an Bord haben, mit denen sie Hindernisse erkennen könnten, wurde das Hindernis durch seine GPS-Koordinaten definiert.

Allerdings springen die GPS-Werte ständig hin und her. Um trotzdem sicher navigieren zu können, müssen daher Durchschnittswerte herausgefiltert werden. Der Umgang mit solchen Unschärfen ist ein wichtiges Kriterium für den Turniererfolg. Ein anderes ist die Segelstrategie. Manche Teams kalkulieren einen kompletten Kurs zum Ziel, der dann allerdings bei veränderten Windverhältnissen immer wieder neu berechnet werden muss. Aber wie stark soll die Windänderung sein, damit eine Neuberechnung erforderlich wird? Es gilt, das Optimum zwischen zu häufigen Kursänderungen und zu starken Kursabweichungen zu finden.

WRSC Lübeck – 4. Wettkampftag (4 Bilder)

Keine Gefahr

So ein kleines Bötchen kann man als Hindernis ganz entspannt auf sich zu kommen lassen... (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Andere Teams fahren so lange in eine Richtung, bis das Ziel in einem Winkel zum Boot liegt, der es bei gegebenen Windverhältnissen erreichbar macht. Auch hierbei müssen natürlich Windrichtung und -stärke ständig gemessen und die Ausrichtung des Bootes entsprechend angepasst werden. Wie schwierig es ist, hierfür die optimale Lösung zu finden, ist sehr gut an den vielen Booten zu erkennen, die immer wieder vom Kurs abkommen.

Lohnt sich der ganze Aufwand überhaupt? Wer Segeln vor allem unter sportlichen Aspekten sieht und sich selbst gern ab und zu ins Boot setzt, um die Kraft von Wind und Wellen zu spüren, mag Segelroboter für eine absurde Idee halten. Wo bleibt der Spaß, wenn eine Maschine alles übernimmt? Doch insbesondere hochseefeste Robotersegler könnten der Segelschifffahrt zu einer unverhofften Renaissance verhelfen. Ein unbemanntes Segelboot, dass autonom navigiert und die Energie für die Bordinstrumente aus Solarzellen bezieht, kann nahezu unbegrenzt im Einsatz bleiben. Kosten für Treibstoff fallen nicht an. So ließen sich Gewässer überwachen, Klimadaten erheben oder Transporte durchführen.

"Es geht ja nicht um die Schiffe allein", sagt Roland Stelzer von der Österreichischen Gesellschaft für innovative Computerwissenschaften, der mit dem Boot "Roboat" der einzige Teilnehmer in der Microtransat class mit Booten bis vier Meter Länge ist. "Daneben gibt es die Infrastruktur, die auf diese Art und Weise des Schiffstransports ausgerichtet ist. Außerdem müssten viele rechtliche Fragen geklärt werden." Stelzer wie auch andere Teilnehmer der WRSC erwarten den Einsatz von Roboterseglern daher eher bei wissenschaftlichen Missionen zur Erhebung ozeanografischer Daten.

Stelzer selbst kooperiert mit der Oregon State University, um das Roboat zur Beobachtung von Meeressäugern und zur Aufzeichnung ihrer Gesänge einzusetzen. Im vergangenen Juni führten die Wissenschaftler einen Test in der Eckernförder Bucht durch, um dort Schweinswale zu beobachten. Allerdings mieden die Wale das Gebiet, vermutlich wegen gleichzeitig stattfindender Militärmanöver. Im kommenden Jahr soll es einen erneuten, diesmal mehrwöchigen Test auf der Ostsee geben.

Ein anderer wichtiger Aspekt des Turniers ist die Ausbildung der Studenten. "Die Fragen, die hier gelöst werden müssen, stellen sich auch in anderen Bereichen", sagt Cheforganisator Alexander Schlaefer, der sich an der Universität Lübeck vornehmlich mit Robotiksystemen für den Einsatz in der Medizin beschäftigt. "Wenn Sie etwa einen Tumor in der Lunge behandeln wollen, müssen Sie das Instrument auch sehr präzise an die richtige Stelle navigieren und auf die Atembewegungen der Lunge abstimmen." Zwar könne man die Algorithmen nicht umstandslos von einem Bereich in den anderen übernehmen, aber die Herangehensweisen an die Probleme seien durchaus ähnlich.

Als Patient wird man sich dann allerdings wünschen, dass die entwickelten Lösungen dann besser funktionieren als die Segelroboter. Als am Nachmittag dann doch wieder Boote zu Wasser gelassen wurden, segelten einige den Kurs fehlerfrei ab, wenn auch teilweise auf erheblichen Umwegen. Andere aber rammten das Hindernis. Bei einem Boot der MicroMagic class war das kein Problem. Der Schiedsrichter im Schlauchboot hob dann einfach die rote Fahne, um die Berührung zu signalisieren. Wenn die Roboat mit Rammgeschwindigkeit auf ihn zugesegelt wäre, wäre er wahrscheinlich nicht so cool geblieben. Aber das österreichische Boot hielt ausreichenden Abstand, umfuhr die Wendeboje im zweiten Anlauf in der richtigen Richtung und wurde beim Überqueren der Ziellinie mit Applaus empfangen. (vbr)