Slow Politics fĂĽr Europa
Gibt es ein Europa-Gefühl, einen Glauben an die europäische Idee, wenn nationale Interessen die Politik bestimmen und europäische Geheimdienste munter europäische Bürger ausspionieren? Kann eine Entschleunigung Europas im Zeitalter der Krisen helfen?
Die Berliner Konferenz Slow Politics versuchte, in vier Workshops die Prinzipien von Slow Food – der Anti-Fast-Food-Bewegung – in den politischen Bereich zu tragen. Was können Europäer gegen die Schnüffeleien ihrer Geheimdienste stellen? Wie kann man sich nach der NSA-Affäre schützen und wie kann eine Vernetzung der Europäer aussehen, wenn Migranten immer nur "die anderen" sind.
Auf der von der Berliner Gazette ausgerichteten Workshop-Konferenz versuchten Aktivisten, Künstler und Programmierer zwei Tage lang, der europäischen Idee neues Leben in einer Zeit einzuhauchen, in der die offizielle Politik sich gerne modern bürgernah präsentiert, aber beim Thema Vernetzung spätestens im dritten Satz wieder bei Investitionen und Wirtschaftsfragen angelangt ist. Dabei wurde die Wirtschaft selbst nicht ausgeschlossen: Im Workshop "Bitcoin meets Blue Marble" ging es um den Aufbau von Kapital für politische Projekte ähnlich der Art und Weise, wie zwei Generationen früher die Netzwerk Selbsthilfe entstand. " Wenn man nichts über das Geld weiß, das benötigt wird, ist es verdammt schwierig, andere vom Sinn einer Idee zu überzeugen."
Ein Workshop namens Big We versuchte, mit einer Landkarte der tatsächlichen und der gewünschten Vernetzung von Aktivisten zu visualisieren. Dies führte zu einer Debatte über den Wert der Privatsphäre und zur Frage, ob man da eine Art linkes Linkedin produziert.Der Workshop zu den Konsequenzen aus dem NSA-Skandal teilte sich in drei Untergruppen auf. Eine Gruppe machte sich daran "My secret surface" zu entwickeln, eine kurzweilige Einführung in die Nutzungs halbwegs sicherer Alternativen zu Diensten, die ihre Nutzer mit Haut und Haaren verkaufen: Diaspora statt Facebook, Mailbox.org statt Google Mail.
Eine weitere Gruppe beschäftigte sich mit dem Ansatz von "You Broke the Internet": Aus der Landkarte der aktuell verfügbaren Dienste entwickelte sich die Idee, dass der Weg zu einem insgesamt sicheren System ohne eine gesetzliche Verankerung nicht gangbar ist. Daher will die Initiative einen Gesetzesvorschlag auf europäischer Ebene einbringen, nach dem jedwede Kommunikation mit allen Geräten, die nach 2014 verkauft werden, nur anonym und Ende-zu-Ende-verschlüsselt erfolgen darf. Geräte, die dieses Sicherheitsniveau nicht einhalten, dürften nicht zum Verkauf zugelassen werden.
Die dritte Gruppe beschäftigte sich mit der "KSAR Trutzburg" der sicheren, durchweg verschlüsselten Nutzung von von Bowsern, Mail und Chat-Systemen auf der Basis einer Hardware-Box und/oder eines Krypto-Sticks für die notwendige Schlüssel-Generierung, mit dem Grenzen gefahrlos überquert werden können. Technisch sollen die Anwender mit einem Browser arbeiten, der wiederum einen anderen Browser auf einem sicheren Server öffnet, den Aktivisten so betreuen, dass das Prinzip der plausiblen Abstreitbarkeit nicht nur beim Anwender, sondern auch auf jeder Ebene der Server-Administration eingehalten wird.
(gr)