Software fällt vom Himmel, wenn man gute Hardware hat - zum Tode von Ken Olsen
Im Alter von 84 Jahren ist Ken Olsen, einer der Gründer von Digital Equipment, am vergangenen Sonntag gestorben, wie seine Familie nun bekanntgab. Zeitweilig leitete er mit DEC die zweitgrößte Computerfirma der Welt, die den Minicomputer realisierte.
Im Alter von 84 Jahren ist Ken Olsen, einer der Gründer von Digital Equipment, am vergangenen Sonntag gestorben, wie seine Familie nun bekanntgab. Zeitweilig leitete er mit DEC die zweitgrößte Computerfirma der Welt, die den Minicomputer realisierte.
Kenneth Harry Olsen wurde als Sohn schwedischer und norwegischer Einwanderer in Bridgeport im US-Bundestaat Connecticut geboren. Zusammen mit seinem Bruder Stan gründete Olsen noch während der Schulzeit im Keller des Elternhauses eine Reparaturfirma für Radios. Von 1944 bis 1946 war Olsen Radiotechniker bei der US Navy, ehe er am MIT in Boston sein Studium als Elektroingenieur begann. Der Schwerpunkt seines Studium und der anschließenden Forschung lag auf dem Bau eines Flugsimulators. 1950 wurde Olsen von Jay Forrester zum Lincoln Laboratory am MIT geholt und arbeitete an der Entwicklung der TX-Computer mit. 1958 entstand hier der TX-2, auf dem das Programm Sketchpad lief, der Urahn der grafischen Datenverarbeitung.
Im Alter von 31 Jahren verließ Olsen im Jahre 1957 zusammen mit seinem Arbeitskollegen Harlan Anderson das MIT und gründete mit 70.000 Dollar Startkapital die Digital Equipment Corporation in der Bostoner Vorstadt Maynard. Das Geld kam vom Wirtschaftsprofessor Georges F. Doriot, der seine Theorie vom "Venture Capital" erproben wollte. DEC, wie die Firma bald genannt wurde, war bis Ende der 80er Jahre mit 120.000 Mitarbeitern nach IBM die zweitgrößte IT-Firma und gilt noch heute, gemessen am Ausgangskapital, als erfolgreichstes Startup der Welt.
Olsen konnte Doriot von seiner Idee überzeugen, dass Computer nicht in klimatisierten Räumen stehen müssen, sondern handliche Laborgeräte sein können. Zusammen mit dem Ingenieur Gordon Bell entwickelten Olsen und Anderson unter größter Geheimhaltung ihren ersten Computer, eine 8-Bit-Maschine. Aus Gründen der Geheimhaltung durfte das Wort Computer nicht benutzt werden und so sprach man vom Programmable Data Processor (PDP). Mit der PDP-8 begann ein rasanter Aufstieg der einflussreichen Firma. Und an einer PDP-10 lernten Bill Gates und Paul Allen das Programmieren. Im Jahre 2006 erklärte Bill Gates Ken Olsen zu dem Mann, der den größten Einfluss auf seinen Lebensweg ausgeübt habe. Mit der PDP-11 produzierte DEC den meistverkauften Computer der 70er Jahre.
Zu den besonderen Leistungen von Ken Olsen darf seine Idee vom Teamwork gerechnet werden: Er stellte die besten Ingenieure und Entwickler ein und gab ihnen völlig freie Hand. "Bei uns arbeiten Erwachsene, bei IBM Drohnen" ist nur einer von vielen markanten Sprüche, für die Olsen berühmt wurde. Als Ergebnis dieser Teamarbeit entstand als Nachfolger der PDP-11 die 1977 eingeführte VAX mit dem revolutionären Betriebssystem VMS. "PDP-Minicomputer und später die VAX-Systeme waren in den 1980er Jahren marktbeherrschend und standen natürlich auch in den Entwicklungslabors der Nixdorf Computer AG. Die Nixdorf-Spitze unterhielt persönliche Kontakte zu Ken Olson", erinnert sich Norbert Ryska vom Heinz Nixdorf Museumsforum.
So frei seine Entwickler auch waren, so autokratisch bis chaotisch war Olsen als Manager. Er mochte mit seinen Minis IBM Paroli geboten haben, doch hielt er eisern an der von IBM propagierten Idee fest, dass alles aus einer Hand geliefert werden musste und der Endkunde keine Wahl haben darf. Das hardwareoffene Betriebssystem Unix kanzelte Olsen als System für russische Lastwagen ab. Sein berühmtester Satz fiel 1977 auf dem Kongress der World Future Society: "There is no reason for any individual to have a computer in his home." Tatsächlich mochte Olsen den entstehenden Markt der Personal Computer überhaupt nicht. Die Linie der Rainbow-Rechner als Antwort auf den IBM PC entwickelte sich für DEC zum veritablen Flop. Olsen war es, der zunächst darauf bestand, dass Anwender Disketten nicht formatieren durften, sondern vorformatiert von DEC kaufen mussten. Dennoch fiel Olsens Satz vom Computer zuhause in einem gänzlich anderen Zusammenhang: Der DEC-Gründer wurde gefragt, was er denn von smarten, computergesteuerten Häusern der Zukunft halte.
Sein Widerstand gegen offene Systeme führte schließlich dazu, dass Olson im Jahre 1992 vom Aufsichtsrat gezwungen wurde, bei DEC auszusteigen. Sechs Jahre später wurde seine Firma von Compaq für 9,6 Milliarden Dollar übernommen; es war bis dato die größte Firmenübernahme der IT-Branche. Compaq wurde vier Jahre später von Hewlett-Packard geschluckt. Olsen gründete mit Advanced Modular Solutions sofort eine neue Firma, die VAX-Server für PC-Umgebungen produzieren sollte, sich aber nicht am Markt durchsetzen konnte. Sein größter Irrtum war auch hier das unbeirrte Festhalten an dem Vorrang der Hardware: "Software comes from heaven when you have good hardware", beschied Olsen seinem Bewunderer Bill Gates, was dieser verwundert notierte.
Gemeinsam mit seinem legendären Entwicklungschef Gordon Bell (der zu Microsoft wechselte) gründete Olsen – zunächst in der legendären "Mill" am Unternehmensstammsitz in Maynard – das erste Computermuseum der Welt und leistete damit auch auf diesem Gebiet Pionierarbeit. Heute ist die DEC-Sammlung im Computer History Museum in Mountain View in Kalifornien zuhause. Unter dem Titel "The Mouse that Roared" steht Olsens erster Rechner, die 1959 gebaute PDP-1, in der Ausstellung "Revolution: The First 2000 Years of Computing".
Kenneth Olsen war 59 Jahre mit Eeva-Liisa Aulikki Olsen verheiratet, die 2009 verstarb. Nach ihrem Tod zog sich Olsen aus der Öffentlichkeit zurück und vermachte sein Vermögen einem christlichen College, dass das Ken Olsen Science Center in Wenham im US-Bundesstaat Massachusetts errichtete. (jk)