Startups: Für eine "Kultur der 2. Chance"
Angehende Gründer sollten keine Angst vor dem Scheitern haben, ist der Tenor auf dem Startup Camp Berlin. Auf dem Weg zum Erfolg hilft es bisweilen, ganz bewusst ignorant sein.
In Deutschland und insbesondere in Berlin gibt es eine lebendige Startup-Kultur: Zahlreiche Institutionen, Kapitalgeber und Netzwerke unterstützen angehende Gründer und junge Unternehmen. Auf dem Startup Camp Berlin am Freitag und Samstag kommt immer wieder die Sprache auf ein vermeintlich typisch deutsches Problem: Der Umgang mit Widrigkeiten und die Angst vor dem Scheitern und dessen Konsequenzen.
Rösler: Straße des Erfolgs verläuft nicht immer geradeaus
Bundeswirtschaftsminister Rösler, der das Startup Camp mit einem Impulsvortrag eröffnete, forderte eine "Kultur der zweiten Chance" ("auch für Politiker"). Die Straße des Erfolgs verlaufe nicht immer geradeaus – das müsse sich gesellschaftlich, aber auch in den rechtlichen Rahmenbedingungen niederschlagen. Gerade IT-Startups seien wichtige Wachstumstreiber, die die Wirtschaft voranbrächten und neue Jobs schafften. Ihre Entwicklung gelte es mit allen Mitteln zu unterstützen.
Um die Gefahr des Scheiterns junger Unternehmen zu minimieren, treffe die Politik zahlreiche Maßnahmen. Das beginne bei Exzellenzinitiativen in Universitäten über EXIST-Stipendien bis hin zum High Tech Gründerfonds und dem neuen German Silicon Valley Accelerator, einem transatlantischen Austauschprogramm. Außerdem reise Rösler regelmäßig mit Vertretern aus der deutschen Digitalwirtschaft an die US-amerikanische Westküste, um den dortigen Interessen deutscher Startups Gewicht zu verleihen. Als Ergebnis aus diesen Bemühungen fließe in Berlin mehr Wagniskapital als irgendwo sonst in Europa.
Leistungsschutzrecht: Politik als Innovationsbremse
Kapital sei nicht der kritische Faktor, entgegnete ein Gründer in der Podiumsdiskussion. Problematisch für junge Unternehmen seien vielmehr Gesetze wie das jüngst beschlossene Leistungsschutzrecht, mit denen die Politik innovative Geschäftsmodelle behindere. Rösler betonte, auch FDP-Abgeordnete hätten gegen das Gesetz gestimmt – vier aus einer Fraktion von insgesamt 93 Abgeordneten.
Außerdem bleibe noch abzuwarten, was der Bundesrat mit dem Gesetzesentwurf mache. Die Politik müsse grundsätzlich Fragen des Urheberrechts berücksichtigen und Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen. Auf der einen Seite gebe es Unternehmen wie Axel Springer, auf der anderen Seite Suchmaschinen – hier gelte es, eine Balance der Interessen zu erreichen.
Erfolgsfaktor Ignoranz
tape.tv-Gründer Conrad Fritzsch betonte, man solle sich nicht durch Ängste und Zweiflel von seinem Vorhaben abbringen lassen. Während der Konzeption seines Internet-Musikfernsehens mit inzwischen 70 Mitarbeitern und 3 Millionen deutschen Nutzern habe er immer wieder gehört, das Geschäftsmodell könne doch nicht funktionieren: Die GEMA würde dem Portal schnell einen Riegel vorschieben, Youtube habe sicherlich etwas gleichartiges in der Schublade und so weiter. Von solchen Stimmen sollte man sich nicht von seinem Weg abbringen lassen und an dieser Stelle bewusst ignorant sei. "Ignoranz ist Erfolg."
Eine mäßigende Stimme zum Thema "Scheitern" kam von Andreas Zaby, Vizepräsident der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, in der das Startup Camp stattfindet. Man solle als Unternehmer nicht nur an Chancen denken, sondern immer auch die Risiken und Konsequenzen im Auge haben. Als Gründer trage man eine große Verantwortung – gegenüber der Familie und den Freunden, aber vor allem gegenüber der eigenen Belegschaft.
Das Startup Camp Berlin ist mit rund 600 Teilnehmern die größte Konferenz dieser Art in Deutschland. Veranstalter ist der Entrepreneurs Club Berlin, ein unabhängiges Netzwerk der Berliner Gründerszene. (axk)