Streit um unkonventionelles Gas

Tonschiefer-Formationen auf allen Kontinenten enthalten anscheinend gigantische Mengen an gebundenem Erdgas. Doch die neue Option ist nicht ohne Risiken, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 10/2010.

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Tonschiefer-Formationen auf allen Kontinenten enthalten anscheinend gigantische Mengen an gebundenem Erdgas. Doch die neue Option ist nicht ohne Risiken, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 10/2010 (seit dem 30. 9. am Kiosk oder direkt portokostenfrei online zu bestellen).

Jährlich verbrauchen die USA nach Berechnungen der Energy Information Agency (EIA) etwa 650 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Demgegenüber betragen die „nachgewiesenen Reserven“ – Gas, das unter gegenwärtigen Bedingungen wirtschaftlich gefördert werden kann – etwa 6,7 Billionen Kubikmeter. Das „Potential Gas Committee“ (PGC) berechnet zudem die Höhe der Gasressourcen des Landes – Gas, das zwar geologisch nachgewiesen ist, von dem aber unklar ist, unter welchen Bedingungen es wirtschaftlich gefördert werden kann. In einem im Juni 2009 erschienenen Evaluationsbericht beziffert die EIA diese Ressourcen auf 52 Billionen Kubikmeter – 39 Prozent mehr als bei der letzten Schätzung 2007.

Fast alle neu entdeckten Vorkommen befinden sich in Tonschiefer-Formationen, die nach heutigen Schätzungen insgesamt 17,4 Billionen Kubikmeter Gas enthalten. Manche Geologen glauben, dass die Gasvorräte sogar noch reichlicher sein könnten als bislang vermutet, denn erste Bohrungen im so genannten Marcellus Shale – dessen Kapazität bislang auf rund 6 Billionen Kubikmeter geschätzt wurden – verliefen so gut, dass die Prospektoren dort nun den abbaubaren Gasvorrat auf 13,8 Billionen Kubikmeter beziffern. Sollte diese Zahl stimmen, wäre Marcellus das zweitgrößte natürliche Gasfeld der Welt; größer ist nur eine gigantische Offshore-Reserve, die sich Iran und Katar teilen.

Mittlerweile eint das Interesse an nichtkonventionellem Gas in den USA Geschäftsleute und Umweltpolitiker – Letztere wollen die zusätzlichen Energieressourcen für den Klimaschutz nutzen. Denn die Verbrennung von Erdgas erzeugt nur halb so viel CO2 wie die von Kohle. Ohne schwerwiegende wirtschaftliche Einschnitte hinnehmen zu müssen, wäre das Land seinen Klimazielen auf einen Schlag sehr viel näher, wenn es vermehrt auf Erdgas setzen würde. Mit Verweis auf diese Vorzüge drängen liberale Washingtoner Lobbygruppen, Gasindustrievertreter und Umweltorganisationen auf eine politische Neuausrichtung.

Doch die Förderung dieser Gasvorkommen ist nicht ohne Risiko, denn um das Erdgas in wirtschaftlich attraktiven Mengen zu fördern, müssen die Schieferschichten horizontal angebohrt werden, um dann unterirdisch Risse im Gestein zu erzeugen. Das geschieht, indem unter Hochdruck mit Ton, Sand und Chemikalien versetztes Wasser in die Bohrung gepresst wird. Die genaue Zusammensetzung dieses Chemikaliencocktails unterliegt in der Regel dem Betriebsgeheimnis. Einzig das US-Unternehmen Chesapeake gibt auf seiner Website einen Einblick: Zu 99,5 Prozent bestehe die Flüssigkeit aus reinem Wasser, nur 0,5 Prozent seien Zusätze, von denen wiederum diverse auch in Haushalt und Kosmetik zu finden seien: Salzsäure etwa, die eingesetzt wird, um Mineralien zu lösen, werde auch zum Entkalken von Swimmingpools eingesetzt, Ammoniumperoxodisulfat bei der Herstellung handelsüblicher Kunststoffe. Die Förderung von unkonventionellem Gas ist deshalb in den USA immer öfter Zielscheibe des Protestes von Umweltschützern.

(wst)