US-Nachrichtenagentur klagt auf "Hot News"-Schutz
Die US-Nachrichtenagentur "Dow Jones Newswires" geht juristisch gegen den Newsdienst Briefing.com vor, der Schlagzeilen und ganze Texte der Agentur übernommen und an eigene Abonnenten verkauft haben soll – und beruft sich dabei unter anderem auf einen im Jahr 1918 vom Supreme Court aufgestellten Rechtsgrundsatz.
Die Nachrichtenagentur "Dow Jones Newswires" geht juristisch gegen den Online-Newsdienst Briefing.com vor. Laut Klageschrift soll der Dienst "systematisch" Schlagzeilen und komplette Textteile der Agentur übernommen und diese teilweise nur wenige Minuten nach Erscheinen des jeweiligen Dow-Jones-Artikels entgeltlich angeboten haben. In der Klageschrift heißt es: "Indem sie unverzüglich die Berichte über Nachrichtenereignisse, die von anderen Nachrichtenagenturen mit erheblichen Investitionen und Kosten aufgedeckt und verifiziert wurden, per Copy & Paste in ihre eigenen Produkte einfügen, bieten sie ein raubkopiertes Produkt zu günstigeren Kosten an.“
Diese Missachtung entwerte Nachrichtenprodukte und gefährde ihre wirtschaftliche Grundlage, heißt es weiter. Weil Dow Jones seine News nur an Vertragspartner liefert, hat die Agentur zudem eine Vertragsverletzungsklage angestrengt. Darüber hinaus macht Dow Jones, das zum Medienimperium des Australiers Rupert Murdoch gehört, geltend, dass Briefing.com den Rechtsgrundsatz der "Hot News Doctrine" verletze. Der Nachrichtenjournalist Peter Zschunke, der den Blog Agenturjournalismus.de betreibt, erklärt: "Der 1918 vom Supreme Court aufgestellte Rechtsgrundsatz der 'Hot News' versucht, den funktionalen Wert der Information in der Nachricht zu schützen – und damit die oft mit hohen finanziellen und menschlichen Kosten erbrachte Leistung, eine Information zu beschaffen, die nicht frei verfügbar ist."
Hintergrund war damals ein Streit zwischen International News Service (INS) und Associated Press (AP): INS sammelte an der Ostküste Nachrichten aus frisch gedruckten Zeitungen und kabelte diese eilig an die Westküste, wo die Druckmaschinen noch nicht angelaufen waren. Allerdings erlaubt das im US-Recht verankerte Prinzip des "Fair Use" ein weitreichendes Zitieren von Inhalten, zudem lässt sich das bewusst knapp gehaltene Textformat einer Nachricht urheberrechtlich nicht schützen. In Deutschland hat in einem Rechtsstreit zwischen der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) und dem Verein Aktion Leben zuletzt das Landgericht Düsseldorf im Jahr 2007 befunden, dass nur solche Nachrichten schützenswert seien, die das Ergebnis einer "eigenschöpferischen Gedankenführung" sind. Seit einigen Monaten versuchen Verleger ein sogenanntes Leistungsschutzrecht einzuführen, das Verlagserzeugnisse im Internet schützt. Wie dieses ausgestaltet werden soll, ist bislang allerdings nicht geklärt.
Ein weiterer Wertaspekt der Nachricht besteht neben der Textform im funktionalen Wert der Information. Dieser sei, erklärt Zschunke, "von der jeweils ganz unterschiedlichen Aktualität abhängig". Die "Hot News Doctrine" sollte sicherstellen, dass dieser Informationswert, der den Investitionen in eine Informationsbeschaffung entspricht, über ein zeitlich begrenztes Erstinformationsrecht geschützt wird. Entsprechend dürfen nach der "Hot News Doctrin" andere Journalisten diese Informationen für einen bestimmten Zeitraum nicht verwerten. In den USA ist dieser Rechtsgrundsatz in einigen Bundesstaaten noch immer gültig. Erst im vergangen Jahr hatte AP sich darauf berufen – der Rechtsstreit wurde später zugunsten von AP außergerichtlich geklärt.
Nachrichtenjournalist Peter Zschunke hält diesen Grundsatz für sinnvoll, er sieht aber "kaum eine Möglichkeit, ihn konsistent zu interpretieren". Wo liege die Schwelle der Weiterverbreitung einer Nachricht in den Medien, die bestimmt, dass eine Nachricht jetzt nicht mehr "heiß" ist? Unklar sei auch, nach welcher Zeit eine Nachricht "alt" genug ist, um frei zitiert werden zu können. "Diese Fragen lassen sich nicht beantworten, unter Internet-Bedingungen noch viel weniger als 1918", verdeutlicht Zschunke.
Zschunke glaubt, dass Nachrichtenagenturen mit gutem Grund vor Gericht ziehen, wenn kommerzielle Anbieter ohne Vertragsbeziehung ganze Nachrichtendienste kopieren. Doch das Geschäftsmodell der Nachrichtenagentur dürfe "nicht ängstlich am Copyright kleben". Es müsse sich "weiterentwickeln in Richtung eines umfassenden Service-Anbieters rund um die aktuelle Information". Dessen Wert für seine Kunden werde auch davon bestimmt, inwieweit er frühzeitig als erster neue Informationen biete. "Wer lediglich kopiert, kann diesen Wert nicht bieten. Letztlich aber gibt es kein Copyright auf das Leben. Und dazu gehören auch aktuelle Ereignisse." (pmz)