Überwachungssystem gegen Massenpanik im Stadion

Jülicher Wissenschaftler haben ein Fußgänger-Überwachungssystem vorgestellt, das bei drohender Massenpanik rechtzeitig Alarm schlägt und alternative Fluchtwege vorschlagen soll.

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Jülicher Wissenschaftler haben am vergangenen Wochenende gemeinsam mit mehreren Projektpartnern in der Düsseldorfer Esprit-Arena ein Fußgänger-Überwachungssystem vorgestellt, das bei drohender Massenpanik rechtzeitig Alarm schlägt und alternative Fluchtwege vorgeben soll.

Der so genannte Hermes-Evakuierungsassistent erfasst die Menschenströme mit speziellen 3D-Kameras. Die Daten werden dann an eine Fußgängersimulation übergeben, die eine Kurzzeitprognose der Menschenströme berechnet. Das System kann die Laufwege zehntausender Besucher bis zu 15 Minuten im Voraus simulieren und die Sicherheitskräfte vorzeitig vor dem Auftreten "gefährlich hoher Personendichten" warnen. Zusätzlich ist es mit dem Gefahrenmanagementsystem des Stadions verbunden. Dadurch kann es im Fall einer bevorstehenden Räumung wie bei einem Brand den besten Fluchtweg für die Zuschauer ermitteln.

Im Rahmen des Projekts wurden dazu spezielle 3D-Kameras entwickelt, die kaum größer sind als eine Webcam. Sie registrieren jeden Besucher, der die Ein- und Ausgänge passiert. Aus Datenschutzgründen speichern sie nur nach Angaben des Hermes-Konsortiums allerdings "nur Zählwerte und keine Bilder". Um die Personenverteilung im Testbereich der Esprit-Arena zu erfassen wurden rund 100 Kameras in einem Viertel des Zuschauerraums angebracht. Ausgehend von diesen Daten simuliert eine Software auf einem eigens für das Hermes-Projekt eingerichteten Parallelrechner mit 208 Prozessoren den weiteren Verlauf der Personenverteilung. Als theoretische Grundlage für die Fußgängersimulation nutzen die Wissenschaftler angepasste Modelle aus der statistischen Physik. Um diese Modelle auf das Verhalten von Fußgängern abzustimmen, wurden in dem Projekt mehr als 200 Experimente mit teilweise bis zu 400 Teilnehmern durchgeführt.

Laut Hans-Joachim Kensbock-Rieso, Einsatzleiter der Polizei im Düsseldorfer Stadion, könnte das aus dem Hermes-Projekt hervorgegangene Assistenzsystem in kritischen Situationen tatsächlich wichtige, zusätzliche Hinweise liefern: "Mit Hilfe eines solchen Assistenten können die Einsatzkräfte jederzeit mitverfolgen, wie viele Leute sich in den jeweiligen Bereichen aufhalten." Die Software unterstützt die Entscheidungsträger im Krisenfall bei der Analyse verschiedener Strategien zur "Entfluchtung", denn der kürzeste Weg ist nicht immer zwangsläufig der beste. Manchmal müssen Gruppen erst einmal von naheliegenden Ausgängen weggelenkt werden, um eine spätere Überlastung einzelner Streckenabschnitte zu vermeiden. (wst)