Vernetzte Kleinbus-Flotten sollen Landbewohner mobil machen
Kaum Wartezeit, niedrige Kosten, maximale Mobilität auch ohne eigenes Auto – Göttinger Forscher tüfteln am Nahverkehr der Zukunft. Demnächst soll er in Südniedersachsen getestet werden.
Riesige Linienbusse mit 50 Sitzplätzen, die alle paar Stunden mit zwei Passagieren durch dünn besiedelte Regionen rollen? So muss öffentlicher Nahverkehr nicht sein, meinen Göttinger Max-Planck-Forscher. Wenn es nach den Wissenschaftlern vom Institut für Selbstorganisation und Dynamik geht, werden künftig stattdessen flexibel eingesetzte Flotten von Kleinbussen unterwegs sein.
Nahverkehr fĂĽr schwach besiedelte Regionen
Das jedenfalls ist das Ziel des Projekts "Ecobus", das die niedersächsische Landesregierung am Montag in Osterode am Harz vorgestellt hat. Es soll mittels intelligenter Vernetzung der Kleinbusse einen auf die individuellen Bedürfnisse der Fahrgäste zugeschnittenen Nahverkehr ermöglichen. "Ecobus" ist Teil des EU-geförderten Südniedersachsen-Programms. Mit rund 100 Millionen Euro will die rot-grüne Landesregierung damit die strukturschwache Region wirtschaftlich voranbringen.
Einzelne Versuche, den Nahverkehr im ländlichen Raum zu flexibilisieren, habe es schon oft gegeben, sagte Max-Planck-Forscher Stephan Herminghaus. Doch Modelle wie etwa der Abrufbus scheiterten letztlich daran, dass die Nachfrage zu gering und die Kosten dadurch viel zu hoch seien. "Ecobus" dagegen soll Fahrgäste ohne lange Wartezeiten flexibel aufnehmen und absetzen, wo sie möchten und dabei zum Preis eines Bustickets den Komfort eines Taxis bieten.
Fahrgelegenheit per Smartphone
Erforderlich dazu seien leistungsstarke Computer, eine große Zahl von Fahrzeugen und Programme, die Nutzer und Fahrzeuge miteinander vernetzen, sagte Herminghaus. Wer von einem Ort zum anderen möchte, meldet sich per Computer oder Smartphone an. Innerhalb kürzester Zeit komme dann nicht nur eine Antwort, sondern auch ein Fahrzeug. Wer mag, könne den Transporter auch telefonisch ordern, sagte der Wissenschaftler.
Die Kleinbusse sollten den Transport der Fahrgäste dabei nicht alleine übernehmen, sagte Herminghaus. "Ecobus" sehe vor, auch die Bahn und bestimmte Buslinien in das System einzubeziehen. Wenn es dadurch insgesamt für die Fahrgäste eine Zeit-Ersparnis bedeute, sollten sie zu Anschlussstellen gebracht und von Zielbahnhöfen abgeholt und dann weiter gefahren werden.
Mehr als nur Theorie
"In der Theorie funktioniert "Ecobus" schon", sagte Max-Planck-Forscher Marc Timme. Ob und wann der Praxis-Test in einem noch nicht festgelegten Teil Südniedersachsens folgt, ist dagegen noch ungewiss. Die Bewilligung des rund drei Millionen Euro teuren Projekts sei aber auf einem guten Weg, sagte die Staatssekretärin der niedersächsischen Staatskanzlei, Birgit Honé.
Die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Iris Gleicke, die ihren verhinderten Minister Sigmar Gabriel (SPD) vertrat, denkt jedenfalls schon weiter. Die Erkenntnisse des südniedersächsischen Projektes, so glaubt die SPD-Politikerin, könnten schon bald auf andere ländliche Regionen Europas übertragen werden und auch dort zur Lösung der Probleme des öffentlichen Nahverkehrs beitragen. (mho)