Vertraulichkeitsvereinbarung von Wikileaks sorgt fĂĽr Diskussionsstoff
Wikileaks-Gründer Julian Assange hat offenbar an seine Mitarbeiter sowie an Journalisten und Redaktionen Geheimhaltungsverträge verteilt. Kritiker sehen darin ein Indiz dafür, dass Wikileaks eigene kommerzielle Ziele verfolgt.
- Detlef Borchers
Ein im Internet veröffentlichtes Non Disclosure Agreement (NDA, Geheimhaltungsvertrag) von Wikileaks heizt die Debatte über die Whistleblower-Plattform wieder an, nachdem der britische Journalist James Ball vom Guardian die Echtheit des Dokumentes (PDF-Datei) bestätigt hatte. Kritiker sehen in dem Papier ein Indiz dafür, dass Wikileaks nicht länger ein Hilfsprojekt für Whistleblower ist, sondern eigene kommerzielle Ziele verfolgt.
Das NDA von Wikileaks wurde offenbar im Januar 2011 von dem Wikileaks-Gründer Julian Assange unter Mitarbeitern und Journalisten der Redaktionen verteilt, die seit Monaten an der Aufbereitung der US-Depeschen arbeiteten. Die Vertraulichkeitsvereinbarung wurde um sieben Monate zurückdatiert und zwischen der australischen Firma "Wikileaks ITC" und dem jeweiligen Mitarbeiter oder Journalisten geschlossen. In ihr wird eine Konventionalstrafe von 12 Millionen Pfund Sterling für den Bruch der Vereinbarung festgelegt. Dieser Geldbetrag soll sich aus dem Marktwert der Wikileaks "gehörenden" Informationen ergeben.
Als Bruch des NDA gilt bereits, wenn über die Existenz der Vertraulichkeitsvereinbarung berichtet wird. Das Dokument enthält ferner juristische Passagen aus englischsprachigen Verträgen, die offenbar von einem Nichtjuristen zusammengefügt wurden. So ist von einem Wertverlust der Informationen die Rede, der durch den NDA abgesichert werden soll. Auch soll ein Reputationsverlust verhindert werden, der sich ergäbe, wenn Wikileaks derart diskreditiert wird, dass es der Organisation nicht mehr gelingt, "ihre" Informationen zu verkaufen. Die bis 2020 gültige Vereinbarung soll nach englischem Recht abgeschlossen werden, das Verleumdungen besonders hart bestraft.
Laut James Ball wurde das von Assange verteilte NDA von allen Beteiligten außer ihm ohne Zögern unterschrieben. Ball verweigerte die Unterschrift, weil er vergleichbare NDAs aus früheren Situationen kannte und ihm daher das ungewöhnliche Ausmaß der Vertraulichkeitsvereinbarung auffiel.
"Dieses Verfahren erinnert schmerzlich an die Methoden, die Wikileaks bei anderen Organisationen immer angeprangert hatte", sagte der einstige Assange-Mitarbeiter und heutige Kritiker Daniel Domscheit-Berg gegenüber heise online. "Wikileaks war angetreten, Transparenz zu verteidigen, Whistleblower zu schützen und Missstände offenzulegen". Es sei unmoralisch und ein Verrat an den eigenen Werten, Mitarbeiter auf diese Weise erpressbar zu machen und vollständig zu kontrollieren. "Man kann nicht als Organisation Gagging Orders oder Libeling-Gesetze in England anprangern und gleichzeitig selbst so agieren. Damit macht sich WikiLeaks unglaubwürdig als Projekt, das für Offenheit angetreten war", erklärte Domscheit-Berg.
Von Wikileaks oder von Julian Assange selbst gibt es bisher keinen Kommentar zu dem Papier. Via Twitter erklärte Wikileaks, dass die "abtrünnigen" Zeitungen Guardian, New York Times und Wall Street Journal die Pressefreiheit verrieten. Assange hatte in dieser Woche als dritter Australier den Sydney Peace Price erhalten und dabei weitere Wikileaks-Veröffentlichungen angekündigt. In der anschließenden Fragerunde sprach er über den angeblich bedeutsamen Einfluss, den Wikileaks mit Veröffentlichungen von US-Depeschen auf die maghrebinische Revolution hatte. (anw)