Viel Gegenwind für generische Top Level Domains
Anträge auf generische Top Level Domains stoßen auf umfangreichen Widerstand. Ganz oben auf der Protestler-Liste stehen die Juristen von Tomatenketchup- und Saft-Magnaten sowie saudische Regulierer mit ihren Befürchtungen.
Zu den rund 2000 Bewerbungen für neue Top Level Domains verzeichnet die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) bis jetzt mehr als 6000 Stellungnahmen. Die Rechtsabteilungen einiger Konzerne sowie einzelne Regulierungsbehörden lieferten die meisten Einsprüche. Die saudische Communication and Information Technology Commission fürchtet dabei sowohl Heiliges (.catholic, .islam oder .halal) als auch Höllisches (.sex, .gay oder .bar) wie der Teufel das Weihwasser.
Welche Gefahren von .baby oder .virgin ausgehen sollen – um letzteres bewirbt sich das Medien-/Reiseunternehmen Virgin Enterprise Ltd –, müssen die arabischen Moralhüter dem Rest der Welt allerdings wohl noch genauer erklären. Dabei ist die Lage aus ihrer Sicht ganz einfach: sowohl .virgin als auch .baby würden letztlich ebenso wie .xxx nur neue pornographische Seiten im Netz hervorbringen. Dabei hätten Studien doch klar gezeigt, so die moralische Erklärung, dass der Konsum pornographischen Materials den Respekt für langlebige, monogame Beziehungen und den Wunsch zur Fortpflanzung verringere. Alkohol geschwängerte Zonen von .bar, über .wine bis .vodka, auch wenn sie bloß virtuell sind, brächten die öffentliche Ordnung und Moral ins Wanken – immerhin sterben laut WHO jährlich 2,5 Millionen Menschen durch die schädlichen Effekte des Alkohols.
166 Einsprüche dieser Art, einige auch mit Blick auf geographische Bezeichnungen, legte die Behörde ein. Geographie-bezogene Bewerbungen treffen dabei nicht selten einen besonderen Nerv, wie die Spitzenzahl von weit über 200 Einsprüchen gegen die Vergabe von .patagonia an den bekannten Sportartikelhersteller zeigt. Auch drei Bewerbungen von Google, die sich als Einträge auf entsprechenden ISO-Listen finden (.and, .est und .are), könnten es schwer haben.
Das ist aber bei weitem nicht der Rekord. Zu den fleißigsten Einsprücheschreibern gehört vielmehr die Patent- und Markenmanagerin des Sunkist-Konzerns, Karen Holm, mit 467 Einsprüchen, dicht gefolgt von der Juristin des Genussmittelkonzerns H.J.Heinz mit 462 sowie den Kollegen des Pharmariesen Pfizer (459) und des Spielwarentraditionshauses Lego (380). Zusammen mit einer kleinen Handvoll externer Arbeitskollegen und einem Verband wie der European Brands Association AIM (419 Einsprüche) bringen es die Juristen auf fast zweieinhalb tausend Einsprüche wegen nicht ausreichendem Markenschutz. Dazu passt das gerade von Melbourne IT veröffentlichte Papier, das noch mehr Schritte zum Schutz der Marken von ICANN verlangt.
Bewerbungen für Marken-TLDs wie .bmw, .audi, .edeka oder auch Bewerbungen wie .epost der Deutschen Post AG – aber auch die von notorischen Widersprechern wie Pfizer - sind bislang ohne Einsprüche. Keinen Bogen haben die Markenrechtsanwälte dagegen um die Bewerbungen für .bayern (BayernConnect) und .nrw (Minds + Machines) gemacht, hier fordern Sunkist, Pfizer und Heinz Nachbesserungen. Der Grund dafür dürfte nicht zuletzt bei dem an beiden Bewerbungen beteiligten Finanzinvestor Top Level Domain Holding liegen, der insgesamt über 400 Einsprüche eingesammelt hat. Auf vielfachen Wunsch hat die ICANN übrigens die Einspruchsfrist noch weiter verlängert, sie endet demnach erst am 26. September.
(hps)