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Was war. Was wird.

Samba? Bossa Nova? Brasilien hat nicht nur an sozialen Konflikten, sondern auch an Musik weit mehr, als die weichgespülten WM-Bilder zu zeigen wagen, meint Hal Faber. Schnell hingehöhrt, bevor uns die erste deutsche Kampfdrohne auf den Kopf fällt.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** König Fußball regiert immer noch. Nix gegen (manche) Fangesänge. Angesichts brasilianischer Umstände, die von König Fußball nur mühsam überdeckt werden, vielleicht doch mal wieder moderne brasilianische Musik, die nicht hinter den Berg hält. In welcher Form auch immer, auch als "brasilianische Antwort auf Mi.I.A." oder Electric Bossa Nova oder Samba-Rap oder tiefster Baile Funk.

*** König Fußball? Aber Heidewitzka, das wird ein Spass sein, in der anstehenden Sitzungsdoppelwoche im Bundestag "Polit-Klärschlamm zu verklappen", wie das der Fefesoph formuliert. Selbst im NSA-Untersuchungssausschuss läuft alles in seinen gepflegten Bahnen mit der Anhörung von Experten für deutsche Wunder. Hach, ist es nicht wunderbar, wenn sich das Geburtstagskind Edward Snowden nicht mit deutschen Untersuchungsausschüsslern zu einer Partie Schafskopf treffen möchte? Es könnte ja die anstehende Visumsregelung mit Russland gefährden, wo das regierende Deutschland doch keinesfalls bereit ist, republikanische Stärke zu zeigen. Hat sich diese Woche nicht der ausgemachte Experte Lorenz "YoLo" Caffier zu Worte gemeldet mit der Einschätzung:

"Wer seinen Rechner einschaltet, muss sich bewusst sein, dass er von dem Moment an nicht mehr allein ist. Egal, wer sich da gerade reinhackt, ob das die Chinesen oder die Amerikaner oder die Russen sind. Es ist doch nichts Neues, dass all diese Länder Daten einsammeln. Die Geheimdienste aus Frankreich oder England interessieren sich nicht nur für unsere Bummi-Bücher.

*** Kein Interesse für Bummi-Bücher? Aber Hallo. Wie war das noch mit der Geschichte, in der Bummi Erde futtert, um zu prüfen, ob das Sauerland tatsächlich sauer ist? Wie schmeckt denn die Überwachung? Wie ist das denn, wenn man bei eingeschaltetem Computer nicht mehr allein ist und immer ein anderer dabei, der sich reinhackt? Wie kann man Innenminister werden, ohne einen Verstand zu haben? Nehmen wir einmal, es stimmt, dass mit dem Einschalten eines Rechners die Verletzung der Grundrechte unserer Verfassung beginnt. Wie kann man denn schreiben, dass man sich im Internet nicht entblößen sollte, damit es einem besser gehe und so tun, als ob der Einzelne es in der Macht hat, Geheimdienste oder eben nur Hacker auszusperren? Mit solchen Ratschlägen landen wir unversehens bei der konservativen Mischpoke, die da predigt Du musst dein Leben ändern und das als Selbstverpflichtung des Einzelnen begreift, was staatlicher Rechtsschutz sein muss. Die Logik eines Lorenz Caffier reicht nicht weiter als bis zum Aufstellen einer Art Stopp-Schild mit ähnlicher Aufschrift, die man von Supermärkten her kennt: "Bitte haben sie Verständnis dafür, wenn bei Datendiebstahl niemand gerufen werden kann."

*** Als die von Edward Snowden losgetretene Welle der Enthüllungen begann, veröffentlichte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik diese Stellungnahme. "Im Kontext der Bündnispartnerschaft NATO arbeitet das BSI auch mit der NSA zusammen. Diese Zusammenarbeit umfasst jedoch ausschließlich präventive Aspekte der IT- und Cyber-Sicherheit." Nun hat Spiegel Online rund 200 Seiten von NSA-Dokumenten veröffentlicht, unter anderem die Agenda des BSI-Vizepräsidenten zu seinem NSA-Besuch. Mit einer Präsentation des abhörsicheren Fishbowl-Telefonsystems der NSA dürfte vielleicht die Frage verbunden gewesen sein, wie dieses System vom BSI zertifiziert werden kann, damit es auch als Merkelhandy taugt, wie die Angebote von Secusmart und der Telekom.

´*** In der letzten kleinen Wochenschau habe ich auf Marc Andreesen und seine Vision der Roboterzukunft verlinkt. Sie wird nicht von allen geteilt, nicht in Deutschland, aber auch nicht in den USA, weshalb der Bericht über den Krieg um die Hauptstadt des Internets wohl noch hinter einer Paywall steckt. Man kann bei Alex Payne weiterlesen, wie der Widerstand aussieht, bis die Paywall wie übrlich gefallen ist.

*** Wo König Fußball regiert, werden seine Untertanen systematisch verblödet. Mit dem Geld deutscher Bürger haben sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten bei der WM eingekauft und servieren ein Programm auf dem Niveau von Butterfahrtveranstaltungen mit einer unsäglichen Kathrin Müller-Hohenstein als journalistischer Heizdecke. Das schreibt die tageszeitung leider offline unter der irrlichternden Überschrift "Wie Helmut Kohl und Heiner Geißler". Dazu kommen "Experten" wie Oliver Kahn und Mehmet Scholl, die genau gar nichts erklären können. Die Zeiten einer Fußball-WM 2006, als Jürgen Klopp am digitalen Wischtisch in Ansätzen zeigte, was eine Spielanalyse ist, sind offenbar vorüber. Kurze, gewagte These: Wer seine Zuschauer derart beim Fußball verblödet, wird auch die NSA-Affäre herunterspielen auf Pool-Plansch-Niveau. Immerhin hält das Netz auch Angebote mit Verstand bereit oder den kuriosen Live-Kommentarstream der Piefke-Basher, mit dem die deutsche Ausgabe des Standards gestartet ist. Die Ehrenrettung kam in dieser Woche vom Geburtstagskind Jürgen Habermas, auch wenn sie leicht vergiftet war mit dem Glauben an einen sinnbündelnden Journalismus anstelle von, nunja, ähem, vielleicht 10000 Fliegen?

"Denken Sie an die spontan auftauchenden Portale, sagen wir: für hochspezialisierte Briefmarkenfreunde, Europarechtler oder anonyme Alkoholiker. Solche Kommunikationsgemeinschaften bilden im Meer der digitalen Geräusche weit verstreute Archipele – vermutlich gibt es Milliarden davon. Diesen in sich abgeschlossenen Kommunikationsräumen fehlt das Inklusive, die alle und alles Relevante einbeziehende Kraft einer Öffentlichkeit. Für diese Konzentration braucht man die Auswahl und kenntnisreiche Kommentierung von einschlägigen Themen, Beiträgen und Informationen. Die nach wie vor nötigen Kompetenzen des guten alten Journalismus sollten im Meer der digitalen Geräusche nicht verloren gehen."

Was wird.

Im Meer der digitalen Geräusche plätschert und gluckert es ganz sommerlich, während die Fanmeilen stinken. Mit Experten des NSA-Untersuchungsausschusses begann diese Wochenschau, mit ihnen soll sie enden, denn in der anstehenden Sitzungsdoppelwoche tanzen eine Menge Erklärbären in Berlin. Nicht nur in Sachen NSA, wo der Untersuchungsausschuss mitsamt seinen Experten einen Bericht des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) auswerten muss, nach dem das militärische Nachrichtenwesen der Bundeswehr neben Cisco-Hardware nun auf chinesisches Gerät setzt.

Auch die Militärexperten sind gefordert, denn die Anhörung zu waffenfähigen ferngesteuerten Luftfahrzeugen steht vor der Tür. Rechtzeitig zum Expertenstreit ist in den USA ein wunderbar gestalteter Artikel der Washington Post erschienen, der einmal darstellt, wie viele Drohnen der Kontrolle entglitten und abstürzten. Über 400 größere Drohnen gingen so verloren, nicht gerechnet die geheimen Drohnen-Systeme, die die CIA besitzt und betreibt. Neben Abstürzen nach Kommunikationsabbrüchen vermerkt das Blatt handfeste Pilotenfehler, etwa das Kunstück, eine Drohne "kopf"-unter zu fliegen, ohne dies zu merken. Erwähnenswert auch die Piloten-Aussagen nach zwei Abstürzen im Jahre 2008 und 2009, die Drohnen seien von "Dämonen besessen" gewesen. Es fehlt nicht viel, bis Wünschelrutengänger auf der Startpiste auftauchen.

Bekanntlich soll mit Unterstützung der Experten entschieden werden, ob unsere Bundeswehr unter Ursula von der Leyen ein waffenfähiges System kauft oder auf eine europäische Drohne wartet. Oder ob die Truppe gar das große Lob der geleasten Kameradschaft weiter trällert, nur echt mit dem schönen roten Stempel Combat Proven.

Dann ist da noch der transatlantische Cyber-Dialog vom deutschen Auswärtigen Amt und vom US State Department, der am Freitag in Berlin starten soll. Geht es nach Bundesinnenminister Thomas de Maizière, so ist das ein rühmlicher Abschluss der NSA-Debatte. Das Logo, das bis zum Start des Dialoges von der Presse nicht veröffentlicht werden darf, zirkuliert bereits auf Twitter. Es zeigt den Umriss der USA, ein bisschen Atlantik und gleich daneben die BRD, im Maßstab 1:5 so aufgeblasen, dass unsere Förderation der Bundesländer etwa gleichgroß ist wie die der Vereinigten Staaten. Zwischen den beiden Ländern zirkulieren Nullen und Einsen (beaufsichtigt von NSA und BND). Yo! (jk)