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Was war. Was wird. Mit einem letzten Rätsel vor der großen Party

Fische werden auch gereicht, aber Bratwürste schmecken besser. Die Erinnerung aber bringt manch der Vergessenheit anheim Gegebenes zu Tage, auch über heise online. Da wundert sich Hal Faber, dass die meisten Deutschen früher alles besser fanden.

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Vergangenheit, Graffiti, Ruine
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich. Und, wie mittlerweile jedes Jahr im Sommer, auch ein Anlass zum Rätseln. Wegen der gestellten Fragen des Sommerrätsels. Ein letztes Mal für dieses Jahr. Und dann wird gefeiert.

Was war.

"Siehe! Da löste sein Schiff der fernhinsinnende Kaufmann,
Froh, denn es wehet' auch ihm die beflügelnde Luft, und die Götter
Liebten so, wie der Dichter auch ihn, dieweil er die guten
Gaben der Erd' ausglich und Fernes Nahem vereinte."

Hölderlin mit H wie heise online begleitet den nicht mehr ganz so kleinen Verlag in der norddeutschen Tiefebene mitsamt seinen gewitzten Kaufleuten (Männern und Frauen) in die nächste Zukunft. Von der wir recht wenig wissen, nur dies, dass in 30 Jahren tapfere Forenten aus dem OTF den Fischen Einhalt gebieten. Noch aber schreiben wir das Jahr 2016 und die große Party steht an, mit <fischrüberreich> und gern kritisierten Bratwürsten, Fischstäbchen und Sackhüpfen. Eigens deshalb dreht sich diese Wochenschau mit inkludiertem Sommerrätsel um die Geschichte von heise online. Es ist klar, dass dabei die Altvorderen im Vorteil sind beim heiteren Rätselraten, weil jüngere Ereignisse aus dieser Blasenwelt sehr einfach zu finden sind. Und was war schon los, so vor 10 Jahren? Der fernhinsinnede Journalist sieht seine Grenzen, wenn er Fernes und Nahes vermischen will.

*** Wohlan und in Erinnerung der Ursprünge, als der heimatsinnige Heinz Heise nach dem Krieg realisierte, dass ausgerechnet Telefonbücher ein "wertvoller Dienst zur Bewältigung der hohen Bevölkerungsfluktuation, der millionenfachen Integration ostdeutscher Vertriebener und Flüchtlinge" und wichtigste Auskunftsmedien sind bei der Kommunikation ohne Web und Suchmaschinen. Genau so, als Auskunftsmittel im Cyberspace, fing heise online an, als dieser komische Space kommerzialisiert wurde, mit etwas Werbung. "Die Telefonbücher werden an jeden Telefonkunden kostenlos geliefert. Die Finanzierungsgrundlage ist der Verkauf von Anzeigen und Informationseinträgen an Handel, Handwerk, Industrie und Gewerbe." Das schnelle Auffinden von Nah und Fern ist das Geschäft der Stunde. Fernes mit Nahem verbinden, die Nachrichten der ein und auslaufenden Schiffe, äh Software- und Hardwareprojekte, der Digitalisierung der Gesellschaft, das ist die Mission von heise online.

Fangen wir also auch mit dem Rätseln an, mit Frage 1: Wer war wohl der größte Anzeigenschalter in der Frühzeit? a.) Heise selber b.) Consors c.) Microsoft?

Ganz anderes Thema in Frage 2: Mit welchen Bratvorgang startete das OTF, wo man sich 2012, wie oben verlinkt, die Zukunft anno 2026 ausmalte und 2016 das Lametta wehmütig vermisst?

*** Aktuell leben wir vielleicht in interessanten Zeiten, besonders schön sind sie jedoch nicht. Im Namen der Sicherheit wird die Überwachung ausgebaut, auch wenn die IT ein paar Macken hat. Die Wunderwaffe heißt Predictive Policing. "Kameras und Sensoren erfassen uns, Daten werden zu Profilen zusammengefügt, Big Data ist nicht zuletzt eine gigantische Möglichkeit der Überwachung. Um die Logik der Datenauswertung bis hin zur Frage, wer eigentlich die Macht über unsere Daten und unser Leben hat", wir oder das selbstlernende Superprogramm Bluesky, das zukünftiges Gewaltverhalten prognostiziert, indem es unsere Smartphones überwacht und selbständig Terrorgruppen ausfindig macht. Ja, während die trefflichen Gewinner der Heise-Party ihre Muskelkater und Muskelkatzen pflegen, nach dem Forenfünfkampf mit Klettern und Fischwassertragen, läuft der Big-Data-Tatort HAL an. Das ist ein Titel ganz nach meinem Geschmack, wenngleich auch hier Heuristisches Algorithmisches Lernen gemeint ist, man kennt ja die Ausreden.

Gut, also Frage 3: Terror oder nicht? Wer oder was ist die Gruppe 251? Wen hatte sie auf dem Gewissen? Gesucht wird eine Todesanzeige.

Was eigentlich automatisch Frage 4 ergibt: Wie heise Gruppe, welche ein südeuropäisches Land ganz besonders schätzte?

*** Man kann sich fragen, wie es dazu kam, dass alle auf ihre Smartphones starren, ihre Adressdaten im Tausch für eine Taschenlampen-App rausrücken und statt Artikeln über die befreiende Kraft des Internet für unsere Zivilisation fast nur Service-Texte erscheinen, wie man seinen Browser einstellt. Für 1,99 kann man lesen, wie das Internet zu einer Technologie der sozialen Kontrolle wurde, in der Gründertypen wie Trump-Fan Peter Thiel nach dem Aus für Gawker nun einzelne Journalisten um ihre Existenz bringen, all das im Namen ihrer Definition von Meinungsfreiheit. Ja, es ist ein Kreuz mit dieser rätselhaften Meinungsfreiheit, nicht nur im hier und heute.

Man könnte fast sagen, dass auch Frage 5 logisch aus dem Gesagten folgt: Wer hat keinen Sarkasmus gefunden und musste frei sprechen?

Frage 6: Mit dem Bild wird eine oxy-moronische Website einer Minderheiten-Meinung gesucht, die längst abgeschaltet ist.

Was zu Frage 6 führt: Mit dem Bild rechts wird eine oxy-moronische Website einer Minderheiten-Meinung gesucht, die längst abgeschaltet ist.

*** Jeder Leser kennt wohl die Geschichte von den Fröschen, die im Wasser sitzen bleiben, das langsam erwärmt wird, bis es schließlich kocht und es sich ausgelurcht hat für die Sitzenbleiber. So schön, so falsch. Immerhin gibt es einen soziologischen Begriff dafür, den von den shifting baselines, nachgewiesen bei kalifornischen Fischern. Die älteren, die den ursprünglichen Fischreichtum kannten, hatten einen anderen Blick auf den Ertrag der Fischzüge als die Jüngeren, die in mageren Jahren groß wurden. Auf Deutsch geht es darum, dass Menschen in sich wandelnden Umgebungen den Wandel nicht registrieren können, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, ihre Wahrnehmungen permanent parallel zu den Veränderungen anzupassen. Erst gab es Handys, massenweise und jede Menge Varianten von PDAs, dann, vor 20 Jahren die ersten Smartphones und BlackBerrys für Geschäftsleute, jetzt starren alle gleichermaßen auf ein Smartphone und schießen lieber ein Bild, anstatt ein Naturereignis wie das Auftauchen eines Wales zu bestaunen.

*** Vor 20 Jahren wurde Osama bin Laden aus dem Sudan ausgewiesen und ging zurück nach Afghanistan, wo die Fatwa gegen Juden und Kreuzfahrer ausgerufen wurde, die zum Anschlag auf das World Trade Center führte. Heute vor 20 Jahren starb Rio Reiser, mit Jenseits von Eden unsterblich geworden, Allah wollte es so. Irgendwo über dem Regenbogen sind sie alle.

Wo wir bei traumatischen Ereignissen sind, und bei Frage 7: "Bringt, was Hund ist, zum Schweigen. Kein Ton." Diese Wochenschau war unter allen 890 bis jetzt geschriebenen meine schwerste. Wie heißt das nächste Gedicht des Dichters in dieser Reihe?

Und bei Frage 8: Auch heise online hatte ein traumatisches Ereignis der auslöschenden Sorte. Es begann mit einem schlichten "Hallo zusammen". Was ist gemeint?

Was wird.

Frohgemut geht es in die Zukunft, denn die gibt es, auch für den Online-Journalismus, der haarscharf an einer Kackastrophe vorbeischrammt, mit schmierigen Newsrobotern. Schließlich gilt es Büroversehen aufzuklären und einzuordnen, auch mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes. Der in diesen Tagen eine Dokumentation über den Prager Frühling veröffentlicht hat, geschrieben von Spion & Spion beider Seiten, unter Mithilfe von Journalisten – deren Namen geschwärzt sind. Das liest sich schon spannend, wie der BND vom Einmarsch der russischen Truppen überrascht wurde. Fragt sich nur, ob das auch für den laufenden Putsch und Gegenputsch in der Türkei gilt. Jedenfalls sucht der Dienst für seine Zukunft echte Nerds – die sich eine ZIP-Datei herunterladen müssen. Mit Tests dieser Art begann die Karriere von Edward Snowden bei der NSA.

*** Noch ist nicht klar, wer für die (LB1871700:Shadow Brokers)$ verantwortlich ist, deren Veräußerung derzeit wahlweise via Snowden  den Russen oder einem US-Insider in die Schuhe geschoben werden. Dabei ist die Aktion vielleicht etwas ganz anderes, wie auch schon angedeutet wird: Die Heiligsprechung von Snowden wird vorbereitet, leider auch von damals beteiligten Journalisten. Bald nach der Heise-Party kommt der in München gedrehte Snowden-Film von Oliver Stone ins Kino, in dem selbiger als Super-Hacker der NSA an vielen wichtigen Projekten beteiligt ist. Der Film-Held schreibt ein fantastisches Backup-Programm, das umstandlos zum wichtigsten Überwachungsprogramm der NSA umfunktioniert werden kann, ohne Installation von irgendeinem Stückchen Code.

Frage 9: Das hatten wir doch schon einmal? Gesucht wird ein Problem, das beinahe das Leben eines jungen Heise-Lesers zerstört hätte.

Womit wir fast bei der letzten Frage wären – Frage 9: Das (im Bild rechts) hatten wir doch schon einmal? Gesucht wird ein Problem, das beinahe das Leben eines jungen Heise-Lesers zerstört hätte.

Und, zu guter Letzt, Frage 10: Um Erster!-Postings ranken sich jede Menge Mythen, aufgeschrieben von klugen Wiki-Foristen. Gesucht wird die Newstickermeldung, unter der dieser einstmals beliebte Zeitvertreib begann.

Wie üblich, werden die Rätsel am späten Montagnachmittag aufgelöst. Damit ist das Rätsel, jedoch nicht der Sommer vorüber: Dchließlich gibt es da diese Party, zu der ich rüberradeln muss, die nächste Wochenschau abgebend. (jk)