Was war. Was wird. Wobei abgehandelt wird, wie die Deutschen so gehen.
Muss man alles Ernst nehmen, nur weil die plumpen Ressentiments gleich massenhaft vorgetragen werden? Hal Faber zweifelt sehr daran, dass der Gang, wie manche Deutsche ihn so gehen, wirklich der aufrechte ist.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was war.
*** "Es lebe das heilige Deutschland", rufen die Redner wie weiland Claus Schenk Graf von Stauffenberg vor dem Erschießungskommando der Nationalsozialisten, und die Menge antwortet mit Ahu, Ahu. So gehen die Deutschen, die Deutschen gehen so, als ob sie aus der Geschichte nichts gelernt haben. Und sie hören sich seltsam an, die Menschen im Tal der Ahnungslosen. Die Forderung, mit diesen Menschen zu reden, die nicht differenzieren können, erinnert an das ältere schaumsprachige Gedröhn, man müsse doch mit Nazis reden, die tun doch nur so. Ein paar Jugendzentren und Sozialarbeiter später sind wir bekanntlich viel weiter, wie die Geschichte des NSU zeigt.
*** Soll man Ängste ernst nehmen, wie "christliche Angst" in der Aussage, dass es in 20 Jahren keine Weihnachten mehr zu feiern gibt, weil Jesus zwar ein Prophet war, aber nur einer unter vielen, wie Muhammad? Was die Prophezeihungen anbelangt: Richtig glücklich sind in diesen Tagen die Lagerdenker mit ihrer Abgrenzung der Latenznazis und die Verschwörungstheoretiker mit ihrer Ansicht, dass Pegida ein Produkt deutscher Politiker ist, um von ihrer Politik abzulenken, die eben diese Pegida-Demonstranten in ihrer sozialen Stellung bedroht. Wer fehlt in der Liste? Richtig, die Theoretiker, die bejubeln, wie effektiv Pegida die sozialen Medien nutzt, ganz wie im ägyptischen Frühling. Facebook ist ein Brandbeschleuniger. In einem Land, in dem eine Ausländermaut, ähem Infrastrukturabgabe kommt und das Wort Ausländerfeindlichkeit eines von 400 Hinterländler-Worten für den alltäglichen Hass auf das Fremde und andere ist, kann noch viel passieren.
*** "Es lebe das heulige Deutschland" in einer Zeit, in der Geschichte gemacht wird wie in einem Comic-Buch, wenn die Guardians of Peace angreifen: Da gibt es also eine regierungsamtlich genehmigte Filmsatire über einen Film namens The Interview. Dieser motivierte angeblich nordkoreanische Überhacker, die miserabel gesicherten Server von Sony Pictures zu hacken. Dabei gibt es jede Menge nordkoreanischer Filme, in denen US-Amerikaner als gefährliche Irre mit schlechtem Haar dargestellt werden, die Kinder vergiften und die Welt mit AIDS oder Ebola infizieren wollen. Dass der kleine dicke und kranke Kim Jong Un als Zigarren paffender Schrank im US-Dreh gezeigt wird, passt bestens zum Comic, in dem die nächste Folge nicht auf sich warten lässt: Der russische Präsident Putin schaltet sich ein und lädt Kim Jong Un nach Moskau ein, zur Siegesfeier eben jenes Weltkrieges, in dem Stauffenbergs Operation Walküre genau nichts bewirkte. Das Ganze wird nicht ohne exklusives Kim-Interview mit Russia Today ablaufen, also der Medienorganisation, die Pegida, Bogida & Co mögen, weil sie so anders als unser "Lügenpresse" ist, diese "Hure der Abschaffung Deutschlands". Und jeder lügt, so gut er kann, damit die Verschwörungstheoretiker Recht behalten.
*** Da wird dann Kim Jong Un auf Amerika und die UN-Resolution schimpfen können, wie es seine lyrische Art ist: "Eigentlich haben die USA keine Berechtigung und Befugnis dazu, die Menschenrechte der anderen in den Mund zu führen, und sind sie selbst der grausamste Verletzer der Menschenrechte und deren größtes Ödland." Im Ödland, das ist dort, wo die "erweiterten Verhörmethoden" der CIA gelten und Guantanamo auf Kuba eine Bastion der Menschenrechte ist. Ödland? Das erinnert an den längst vergrifffenen Thriller Ödland von Jan Marc Ligny, in dem der Hacker Yann in ein Flugzeug verschleppt wird und die ganze Palette der Folter eines Geheimdienstes mit dem netten Namen NetSurvey erlebt, der vom Namen her an die BND-Tarnfirma Hauptstelle für Befragungswesen erinnert, nur moderner:
"Yann gab eine ganze Menge Hacks und Piraterien zu, von denen sie einige wirklich überraschten. ('Ach wirklich, auch das Pentagon? Davon wussten wir überhaupt nichts.') Doch das, was sie hören wollten, war nicht dabei. Aus guten Grund - Yann hat immer nur für sich selbst gearbeitet. Seine Fundstücke behielt er für sich oder gab sie an die weiter, die es betraf, und zwar umsonst. Niemals hatte er auch nur eine Sekunde daran gedacht, aus seinem Hobby eine lukrative Einnahmequelle zu machen, ganz zu schweigen davon, in Richtung Spionage oder Sabotage abzugleiten. Für Yann war Hacking eine Leidenschaft, keine Waffe. Doch damit konnte er den paranoiden, auf einen Komplott getrimmten Cyberpolizisten nicht kommen."
*** Am Ende ist Yann gedreht. Dann zieht der leidenschaftliche Hacker als überzeugter, guter Hacker für ein Land in den Cyberkrieg, gibt es doch zu jedem Ozeanien ein Ostasien, das den Staat oder wahlweise den Bürger bedroht. Das Problem der privaten Ethik liegt im Als-Ob der Einstellung: Verhalte dich immer so, als ob du ein guter Hacker bist. Überprüfen kann es eh niemand, und wenn es dein Gewissen erleichtert, bitteschön. An dem Als-Ob ändern all die schönen Sätze der Hacker-Ethik nichts, seitdem sie von Reinhard Schrutzki ins Deutsche übertragen wurden, mit einigen landestypischen Verbesserungen: "Computer können dein Leben zum Besseren verändern. Das funktioniert natürlich nur, wenn man in der Lage ist, dem Computer Strukturen vorzugeben, die diese Tendenz zum Besseren bereits enthalten. Wenn die Strukturen fehlen, kann auch der Computer nicht helfen. Armer Boy George." Als die Hacker-Ethik 1987 im Chaos Computer Buch erschien, war Boy George eine exzentrische Anziehpuppe, die als Sänger auftrat. Wo die richtigen Strukturen fehlen, da kann es passieren, dass ein Hacker einen anderen symbolisch kastriert, nur weil dieser seine Forschungs-Ergebnisse zur UMTS-Technik vor dem maßgeblichen Hackerkongress (TM) abseits des Kongresses veröffentlicht.
*** Die Ergebnisse selbst, also die Nutzung des Signalling System 7 der UMTS-Technik zu Hackerzwecken, erscheint dabei in der medialen Umformung als möglicher Weg, wie Angela Merkels Handy gehackt worden ist. Man habe nur SMS-Nachrichten auf diese Weise knacken können, weil zum Dekodieren der entschlüsselten Sprache noch der entspreche Player fehlt. Die Faszination dieses angeblichen Hacks des Merkel-Handys durch die Geheimdienste war schon im letzten grauenhaften WWWW ein Thema. So geht es munter weiter mit den Spekulationen, auch in dem umgeformten Artikel. Nachweisbar sei es nicht, dass diese Methode beim Abhören von Merkels Handy genutzt worden ist, aber der Ansatz sei "zu attraktiv, als dass ihn alle Geheimdienste hätten übersehen können". Was fast wie ein Beweis klingt, denn von "allen Geheimdiensten" hin zur omnipotenten NSA ist es nur ein kleiner Schritt. Mit welchem Gottvertrauen deutsche Leser auf deutsche Hacker reagieren, findet sich in den Leserbriefen zum selben Artikel. "Der CCC knackt regelmäßig ach-so-tolle Verschlüsselungen. Das haben die Profis seit Btx immer wieder gemacht". Dieser Nimbus soll weiter Bestand haben. Wehe, wenn da jemand seinen Schwanz nicht im Zaum hat.
*** Dabei lieferte diese Woche eine von vielen Medien exklusiv veröffentlichte eidesstattliche Erklärung von Sebastian Edathy viel interessantes Material frei Haus, was da alles angeblich per SMS ausgetauscht wird in der politischen Szene unter Parteifreunden. Die Rede ist von einem besonders abstoßenden Exempel für Karrierismus, Missgunst und Intrige. Vielleicht findet sich ja noch jemand, der die bizarre Kommunikation der SPD entschlüsselt. "Genossen, wir dürfen uns nicht von der Geduld hinreißen lassen," das war einstmals ein Satz, der die frühe Sozialdemokratie prägte.
Was wird.
Keine Musik heute? Doch. Black Messiah. Das passiert. Und nicht die blinden Ressentiments von Pegida. Und mit mehr Zukunft, als all die Buzzword-Jongleure auf dem DLD jemals aufbringen werden. Auch dann, wenn sich unser neuer Mann fĂĽrs Neuland unter sie mischen wird und vielleicht mit dem Berufs-Disruptiven von Uber die Klingen kreuzt.
In dieser Woche musste das erwartete Urteil im Fall von Barrett Brown aufs nächste Jahr verschoben werden. weil die Ankläger eine Fülle neuer Beweise für das angeblich so schändliche Tun des Sprechers von Anonymous nachlieferten. So kam man nicht einmal dazu, sich über die einzelnen Punkte zu verständigen, die zur Ermittlung des Strafmaßes zählen können. Dies hielt Julian Assange in der equadorianischen Botschaft nicht davon ab, ein //wikileaks.org/Assange-statement-on-the.html:Statement zu veröffentlichen, dass er im Mittelpunkt der Verhandlung gestanden hat. Der vor Gericht zitierte "son of a bitch", den Barrett Brown erschossen sehen wollte, sei eigentlich er selbst, Julian Assange. Leider zitiert Assange nicht den polizeilich ermittelten Tweet. Denn der volle Wortlaut des polizeilich ach so wichtigen Tweets enthält einen Hinweis auf PGBOARD, einem der schärfsten Assange-Kritiker.
"“A dead man can’t leak stuff… Illegally shoot the son of a bitch.” – Bob Beckel, Fox News, December 6th 2010 #Assange in @PGPBOARD style."
So geht Geschichte und Weihnachten kommt. Mit Lametta und Pegida. Anderswo wird statt Christmas Encryptmas gefeiert. Sucht noch jemand Geschenke? Journalisten sind ja sowas von un-be-stech-lich, da kann ich ruhig Werbung für das wichtigste Buch des Jahres 2015 machen. Keine Angst, es ist nicht vom George-Kreis, pegidafrei, kein Krimi, der Humor kommt auch nicht vor und dennoch ist es ein Schnäppchen, als Vorbestellung. (jk)