Widerstand gegen das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA wächst
Während die USA, die EU sowie Japan und acht weitere Länder im schweizerischen Luzern über das umstrittene Abkommen verhandeln, kommt wachsender Widerstand aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und von Ländern wie Indien.
Die neunte Verhandlungsrunde über das internationale Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) in dieser Woche im schweizerischen Luzern wird von wachsendem Widerstand gegen das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen begleitet. Während die USA, die EU sowie Japan und acht weiterer Länder weiter hinter verschlossenen Türen verhandeln, mahnte der Chef der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) derweil in Genf, ACTA sei ein Beleg dafür, dass das multilaterale System nicht funktioniere.
Auf Initiative der entwicklungspolitischen Organisation "Deklaration von Bern" sprachen die ACTA-Verhandlungsführer zum Auftakt der neunten Verhandlungsrunde mit Vertretern verschiedener Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen oder La Quadrature du Net."Wir haben dabei klar gesagt, dass wir dies nicht als echte Konsultation betrachten", sagte Patrick Durisch, Leiter des Bereichs Gesundheit bei der Deklaration von Bern gegenüber heise online. "Denn uns liegt ja nicht die Fassung letzter Hand vor."
Durisch begrüßte allerdings den Meinungsaustausch, in dessen Verlauf die ACTA-Unterhändler darauf hingewiesen hätten, dass die diskutierten Grenzbeschlagnahmungen wegen Patentverletzungen nun doch wieder aus dem Abkommen herausgenommen werden sollen. Eventuell, so bestätigte Jürg Herren vom Schweizer Institut für Geistiges Eigentum, könnten Patente insgesamt aus ACTA gestrichen werden. Damit könne man Bedenken begegnen, dass der Handel mit Generika-Varianten lebenswichtiger Medikamente durch ACTA verhindert werde. "Allerdings bleiben die Grenzbeschlagnahmen auf der Basis von Markenverletzungen", konterte Durisch.
Bedenken haben auch Länder wie Indien. Bei einer Parallelveranstaltung zu ACTA in Genf am Montag äußerten sich sowohl offizielle Vertreter Indiens als auch Pakistans und Chinas kritisch zu ACTA. Auch auf diese Kritik habe man die Verhandlungsführer in Luzern aufmerksam gemacht. Indien und China haben auf einem Treffen bei der Welthandelsorganisation – dem sogenannten TRIPS Council – kürzlich klar Position gegen ACTA bezogen.
In Luzern bekamen auch die Piratenparteien aus der Schweiz, Österreich und Deutschland einen Termin. Nach einer Kundgebung übergaben die Spitzenvertreter der drei Parteien den ACTA-Verhandlungsführern eine Unterschriftenliste, in der sich rund 4400 Menschen aus aller Welt für den sofortigen Stopp der Verhandlungen ausgesprochen haben. Veränderungen am Text könnten ACTA auch nicht mehr retten, meinte Stephan Urbach, ACTA-Koordinator der Piratenpartei Deutschland gegenüber heise online. "ACTA kann nicht gerettet werden, weil diese Art von Hinterzimmerpolitik grundsätzlich abzulehnen ist". ACTA könne ein Präzedenzfall für eine völlig undemokratische Politik auf internationaler Ebene werden, warnte Urbach.
Allerdings haben die verschiedenen ACTA-Kritiker auch unterschiedliche Stoßrichtungen. Während die Piraten ACTA komplett ablehnen, veröffentlichten eine Reihe von US-Verbänden und Think Tanks gerade einen eigenen Textvorschlag (PDF Datei) für das Abkommen mit stärkeren Schrankenregelungen. Grundsätzlich verzichtet der Entwurf auf den Einbezug von Urheberrechtsverletzungen und konzentriert sich auf Produktfälschungen. Auch im heftig kritisierten Internetkapitel des ACTA-Entwurfs muss nach Ansicht der Autoren ziemlich viel gestrichen werden, um ACTA akzeptabel zu machen. (vbr)