Wikileaks-Dokumentarfilm Mediastan angelaufen
Als Herausforderer zum Hollywood-Spektakel "Die fĂĽnfte Gewalt" bringt Wikileaks mit "Mediastan" einen eigenen Dokumentarfilm heraus. Das Thema: Die Grenzen der Pressefreiheit.
Wikileaks hat den selbst produzierten Dokumentarfilm Mediastan zur Distribution im Internet freigegeben. In GroĂźbritannien ist dieser anderthalb Stunden lange Film am Wochenende kostenlos verfĂĽgbar, hierzulande kann er gemietet oder gekauft werden (zum Beispiel ĂĽber Vimeo fĂĽr umgerechnet 2,20 Euro beziehungsweise 5,80 Euro).
Erzählt wird die Geschichte von russisch sprechenden Wikileaks-Aktivisten, die versuchen, lokale Medien in Tadschikistan, Kasachstan, Kirgistan, Afghanistan und Turkmenistan zur Zusammenarbeit mit Wikilaks zu bewegen. Alle sträuben sich, mit jeweils unterschiedlichen Gründen. Nach Wikileaks werden so die Grenzen der Pressefreiheit deutlich, der von den USA beherrschte zentralasiatische Kontinent "Mediastan" taucht auf. Nach Aussage von Wikileaks ist der Dokumentarfilm der Herausforderer zum Hollywood-Spektakel Die fünfte Gewalt, das gerade in den US-Kinos anläuft.
Der Film beginnt und endet mit einem Interview des Tadschiken Mehrabanb Fazrollah, der fĂĽnf Jahre in Guantanamo verbrachte. Die USA beschuldigten ihn, ein Mitglied der islamistischen Bewegung in Tadschikistan zu sein. Die Wikileaks-Journalisten stellen ihm Fragen, die zeigen sollen, wie sinnlos die Deportation nach Guantanamo ist. Danach arbeitet der Dokumentarfilm nach einem immer gleichen Muster: Die Wikileaks-Truppe reist in ein Land unter dem Vorwand, hochrangige Journalisten ĂĽber den Zustand der Pressefreiheit zu interviewen. Im Interview wird ihnen das Angebot unterbreitet, einen Vertrag mit Wikileaks abzuschlieĂźen, um dann die jeweiligen US-Depeschen ĂĽber das Land auswerten zu dĂĽrfen. Die Reaktion darauf wird jeweils dokumentiert.
- In Tadschikistan unterschreibt der Marat Mamadshoev, der Chefredakteur von Asia Plus das geforderte Dokument, veröffentlicht aber nur drei Geschichten über die US-Depeschen. Gefragt, warum es so wenige sind, gibt er an, Menschen in seiem Land nicht gefährden zu wollen.
- In Kasachstan lässt sich der Chefredakteur von "Expert Kasachstan" darüber aus, dass Wikileaks nur eine Eintagsfliege sei, die nichts an den Zuständen ändern könne. Am nächsten Tag ist er bereit, den Vertrag zu unterschreiben, will aber Exklusivität. Da Wikileaks bereits die lokale Nachrichtenagentur KazTag beliefert, werden die Verhandlungen gestoppt.
- In Kirgisistan verhandelt Wikileaks mit der dortigen Niederlassung von Radio Liberty, Radio Azattyk, das vom US-amerikanischen Kongress finanzierte Informationssystem. Nach einem Gespräch mit der Osteuropa-Chefin in der Prager Zentrale, die jedweden Kontakt mit Wikileaks ablehnt, reisen die Wikileaks-Journalisten weiter.
- In Afghanistan soll das Institut for War and Peace Reporting Vertragspartner sein, doch ein junger Stringer soll die Funktion eines Mittelsmannes übernehmen. In einem Skype-Telefonat mit Julian Assange erklärt er seine Bedenken. Etliche Gefährten seien von den Taliban erschossen worden.
- In Turkmenistan gelingt den Wikileaks-Journalisten der Coup, überhaupt als Presse in das Land eingelassen zu werden. Nach dem Gespräch mit Wladimir Gubanow, dem Chefredakteur der staatlichen Neutral'naya Turkmenistan werden sie verhaftet und des Landes verwiesen. Einigermaßen überraschend ist dabei, dass es die schwedische Botschaft in London, das schwedische Außenministerium und der Herausgeber des Aftonbladets waren, die sich in Turkmenistan aktiv für die Freilassung der Wikileaks-Aktivisten engagierten.
Wikileaks-Chef Julian Assange lässt sonst keine Gelegenheit aus, über den schwedischen Staat zu schimpfen, der ihn immer noch zu den Vorwürfen der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung in einem minderschweren Fall verhören will. Assange selbst wird auf einem englischen Landsitz gefilmt, wie er über Pressefreiheit und Wikileaks als fünfte Gewalt philosophiert: Gerade weil Wikileaks-Veröffentlichungen in jedem Land durch Millionen von Google-Visits belohnt würden und damit sehr profitabel seien, werde deutlich, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen, wenn das Wikileaks-Angebot abgelehnt wird.
Den Abschluss des Films bilden Gespräche mit den Chefredakteuren des Guardian und der New York Times, Alan Rushbridger und Bill Keller. Beide verhehlen nicht, dass die US-Depeschen vor der Veröffentlichung redigiert wurden. Rushbridger erwähnt direkt osteuropäische Milliardäre, die den Guardian in Grund und Boden klagen könnten. Damit gehören die Flaggschiffe des westlichen Journalismus und ehemalige Wikileaks-Partner bei der Veröffentlichung der US-Depeschen auch zum großen Kontinent Mediastan.
(jkj)