Zukunft: Telecom-Konzerne wollen an Hightech-Spitze
Um die Jahrtausendwende galten Mobilfunker als Inbegriff des Hightech. Das ist vorbei – heute machen Konzerne wie Google das große Geschäft. Doch die Telecombranche lässt nichts unversucht, um in der Digitalisierung wieder Boden gut zu machen.
Mitten in der Bilanzkonferenz bricht in Telekom-Chef Tim Höttges der Spieltrieb durch: Während sein Finanzvorstand Thomas Dannenfeldt die Geschäftszahlen aufdröselt, spielt der Chef mit einem kleinen Würfel herum, mit dem er Bilder an die Wand hinter sich projizieren will. Sei ganz einfach einzurichten, sagt er. "Ich mach das gleich, wenn Sie sich dafür interessieren." Schließlich bringt er sogar den Finanzer von seinem Vortrag ab.
Telecomkonzerne werfen derzeit reichlich Versuchsbälle in die Luft, um ihre technisch interessierte Zielgruppe bei Laune zu halten. "Viele Wetten gehen wir jetzt ein", sagt Höttges – auch wenn nicht alle zu gewinnen seien. Höttges aktuelles Lieblingsprodukt ist das "Puls", eine Art Tablet. Das soll das klassische alte Festnetztelefon durch ein digitales Wohnzimmercockpit ersetzen. Und der winzige würfelförmige Videobeamer Pico ist nur ein Versuch von vielen.
SpaĂź an der Technik ist dabei nur ein Nebeneffekt. Die Telekommunikationskonzerne sehen sich in einem scharfen Konkurrenzkampf um die Hightech, mit der das wirkliche Geld verdient wird.
Möglicher Markenschwund
Unter den Telecomunternehmen geht die Sorge um, kĂĽnftig nur noch Netzversorger zu sein und als Marke in der Wahrnehmung der Kunden zu verschwinden. Erste Anzeichen dafĂĽr gibt es schon: US-Unternehmen wie Google wollen ihren Kunden ein Netz stricken, bei dem sie gar nicht mehr merken, in welchem Mobilfunknetz oder WLAN sie sich gerade befinden.
Der Chef des nach Kundenzahl größten deutschen Mobilfunkers O2, Thorsten Dirks, spricht von einer "zweiten Halbzeit", die die deutsche IT-Branche nach den verpatzten ersten 45 Minuten gewinnen müsse. Die Gegner auf dem Platz, das sind die sogenannten OTT-Player im Internet, also vor allem die Kommunikationsplattformen wie Facebook und WhatsApp, Skype, aber auch Google und Apple.
Kleinteilige Disruption
Sie verdienen sich auf den teuer ausgebauten Netzen der Betreiber eine goldene Nase, ohne in die Infrastruktur investieren zu müssen oder gar den selben Anforderungen der Aufseher unterworfen zu sein – so stellt es zumindest die Telecombranche dar.
Was die Telecomkonzerne selbst im Köcher haben, wirkt bisher auf den ersten Blick kleinteilig. Die Telekom präsentierte etwa in Barcelona in Zusammenarbeit einer Firma des Pop-Künstlers Will.i.am eine Computer-Uhr. Die Veranstaltung sendete der Konzern über die hippe Live-Streaming-App Periscope, Vorstandschef Tim Höttges sprach dabei von "Disruption", ein Wort, mit dem gemeint sein dürfte, althergebrachte Geschäftsmodelle umzustoßen.
Kundendaten als Kapital
Telefonica Deutschland (O2) will im laufenden Jahr zwei neue Sparten gründen, eine für das Internet der Dinge und eine für die Datenanalyse. Das Pfund der Telecombranche sind nämlich die Kundendaten. Welcher Typ Kunde läuft zu bestimmten Zeiten an welchen Schaufenstern vorbei und kann gezielt mit Nachrichten auf Produkte hingewiesen werden? Wie verändern sich Verkehrswege im Tagesverlauf? Um nicht in die Kritik von Datenschützern zu geraten, will Telefonica mit dem Bundesamt für Datenschutz die Bedingungen dafür diskutieren.
Größere Kaliber fährt die Telekom bereits im Bereich der Rechenzentren auf. Die IT-Geschäftskundentochter T-Systems wird zusammen mit Partnern wie Microsoft und Huawei bei der Vermietung von Rechenleistung größer in Stellung gebracht – und soll sogar den weltweiten Platzhirsch Amazon Web Services angreifen. Dass die Preise für die Cloud-Power wegen des hohen Konkurrenzdrucks beinahe im Wochentakt fallen, hält den Konzern nicht davon ab. Wenigstens hat das Cloud-Geschäft der Tochter im vergangenen Jahr knapp ein Viertel mehr erlöst.
Telekom-Tablet Puls (7 Bilder)
Werbende sollen zahlen
Es könnte aber auch ganz anders gehen, dann nämlich, wenn es den Telecomkonzernen mit der Konkurrenz der Internet-Rivalen zu bunt wird und sie eine Abkürzung versuchen. Der Mischkonzern Hutchison aus Hong Kong mit seinen Netzbetreibern Three in Großbritannien und Italien will Werbung aus dem mobilen Internet auf Kundenwunsch einfach ausfiltern. Wer mit seinen Anzeigen auf dem Smartphone der Kunden landen will, soll dann dafür zahlen müssen.
Konkrete Pläne zu einem solchen Vorgehen gab es von der Telekom nicht. "Der Kunde definiert, ob er Werbung haben will oder nicht haben will, und nicht der Carrier", sagte Höttges. Die Kunden setzten aber zunehmend eigene Werbeblocker auf dem Gerät ein. (anw)