Kaufberatung: Spiegellose Systemkameras

Die Auswahl an spiegellosen Systemkameras ist riesig: Welche Vor- und Nachteile die Kameras haben zeigt unser Überblick über die verschiedenen Systeme.

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Inhaltsverzeichnis

Aktualisiert am 06.03.2020

Die spiegellosen Systemkameras können mit wechselnden Objektiven bestückt werden und arbeiten ohne Spiegel. Sie sind damit eine Alternative zu klassischen Spiegelreflexkameras und richten sich wie diese an Fotografen, die mit einer flexibel erweiterbaren Ausrüstung eine gehobene Bildqualität erreichen wollen. Mittlerweile sind diese Geräte am Kameramarkt in der Überzahl und das Angebot wächst stetig. Aktuell bieten acht Hersteller sieben spiegellose Systeme an. Rechnet man hier noch Familien mit großem Mittelformatsensor oder Exoten wie Sigmas dp-Quattro-Kameras mit Foveon-Technik dazu, kommt man auf neun Hersteller und zehn Systeme.

Dabei dominieren die DSLR-Platzhirsche Canon und Nikon hier längst nicht so klar. Die Hauptdarsteller heißen zweifelsohne Sony, Olympus, Panasonic oder Fujifilm. Dabei gehen wir davon aus, dass sich der Markt angesichts der stärkeren Konkurrenzsituation weiter bewegt. Darauf deuten auch vorangegangene Entwicklungen hin: Hersteller wie Pentax und Samsung starteten früh mit einer breiten Auswahl an Geräten in den Markt, fuhren Achtungserfolge ein und verabschiedeten sich dann doch wieder. Ebenso erging es dem ersten spiegellosen System von Nikon, das anfangs heftig beworben wurde und mittlerweile doch sang- und klanglos auslief. Nun versucht der Hersteller mit den Nikon-Z-Modellen erneut hier Fuß zu fassen.

Spiegellose Systeme im Überblick
Kaufberatung: Spiegellose Systemkameras

Jedes der spiegellosen Systeme arbeitet mit einem eigenen Bajonett beziehungsweise Objektivanschluss, der bestimmt, welche Objektive an die Kamera passen.

(Bild: Nikon)

  • Canon EOS M
  • Canon EOS R
  • Fujifilm X
  • (Fujifilm GFX - Mittelformat)
  • (Hasselblad X - Mittelformat)
  • L-Mount-Alliance (herstellerübergreifend)
  • Micrro-Four-Thirds (herstellerübergreifend)
  • Nikon Z
  • (Sigma dp - Foveon)
  • Sony E

Das bringt eine eher unsichere Perspektive mit sich. Da allerdings mehr Hersteller um die Gunst der Kunden buhlen, bekommen diese auch mehr Vielfalt und Individualität geboten. Fotografen profitieren davon, denn sie können ihre Kamera gezielter nach den eigenen Bedürfnissen auswählen.

  • kompaktere Gehäusebauform möglich
  • geringeres Auflagenmaß
  • leichtere Optiken mit verbesserten Eigenschaften möglich
  • schneller und leiser in der gleichen "Gewichtsklasse"
  • häufiger mit sensorbasierter Bildstabilisierung
  • weniger Fehlversuche: Elektronischer Sucher zeigt das Bild, wie es aufgenommen wird
  • größere Vielfalt durch mehr Hersteller

Der Spiegel war bei seiner Erfindung schon eine Krücke – ein Bauteil, das es Fotografen ermöglichte, zu sehen, was sie fotografieren. Diese Krücke hat sich bis in die digitale Zeit gerettet, weil sich die Bauform der Spiegelreflexkameras gerade für professionelle Fotografen bewährt hat. 

Bei den spiegellosen Systemkameras wie der Nikon Z6 fällt das Licht stets durch das Objektiv direkt auf den Sensor. Auch der Autofokus ist hier sensorbasiert. Das Sucherbild gibt es elektronisch. Ein Spiegel muss nicht mehr klappen, um das Licht auf das Phasenautofokussystem und den optischen Sucher zu lenken.

(Bild: Nikon)

Bei den Spiegellosen muss kein Spiegel mehr nach oben klappen, um dem vom Objektiv her einfallenden Licht den Weg auf den Bildsensor frei zu machen. Da sie auf den sperrigen Spiegelkasten verzichten können, fallen sie etwas kompakter aus als ihre großen DSLR-Konkurrenten und das Bajonett rückt näher an den Sensor heran. 

Nicht nur auf den Formfaktor hat der fehlende Spiegel einen Einfluss. Oft sind die Spiegellosen in der gleichen "Gewichtsklasse" teils schneller und leiser. Das hat beispielsweise Sony mit seiner Sportskanone A9 (II) auf die Spitze getrieben: Sie schafft 20 Bilder in der Sekunde in Serie mit mechanischem Verschluss, aktiviertem Autofokus und bei voller Auflösung. In der gleichen Gewichtsklasse spielt auch Canons Profi-Spiegelreflexkamera 1D X Mark III. Das aufwendige Hochklappe(r)n ihres Spiegels und der mechanische Verschluss ermöglichen mit Autofokus- und Belichtungsnachfürhung "nur" 16 Bilder pro Sekunde. Auf 20 Bilder pro Sekunde kommt sie lediglich, wenn man mit ihr fotografiert wie mit einer Spiegellosen: im LiveView-Modus bei hochgeklapptem Spiegel.

Und noch einen weiteren Vorteil können spiegellose Systemkameras häufig für sich verbuchen: Ab der Mittelklasse arbeiten viele Modelle mit einer internen, sensorbasierten Bildstabilisierung. Auch mit nicht stabilisierten Objektiven kann man so auch bei längeren Belichtungszeiten noch gut aus der Hand heraus fotografieren.

Fotografieren Sie noch oder filmen Sie schon? Mit ihren 20 Bildern pro Sekunde fängt die Sony Alpha 9 mit Autofokusverfolgung in voller Auflösung ein. Selbst die schnellsten DSLR können da nicht mithalten.

(Bild: Thomas Hoffmann )

Als weiteren Vorteil bieten Spiegellose häufig auch einen lautlosen, erschütterungsfreien elektronischen Verschluss ohne bewegliche Bauteile. Mit diesem kommen manche Modelle auf extrem kurze Belichtungszeit von bis zu 1/32.000 Sekunden. Bei klassischen DSLR ist das selten. Praktische Relevanz dürfte dies allerdings in den seltensten Fällen haben.

Spannender ist ein anderes Potenzial: Das gegenüber den Spiegelreflexkameras oft geringe Auflagenmaß (Abstand zwischen Bajonett und Bildfläche) erlaubt es, leichtere Optiken mit verbesserten Eigenschaften vor allem im Randbereich zu entwickeln. Die große Öffnung direkt vor dem Sensor eignet sich außerdem für besonders lichtstarke Objektive, was den Raum für das gestalterische Spiel mit Unschärfe vergrößert. 

Nicht zuletzt sorgt ein geringes Auflagenmaß (teils unter 20 Millimetern) für äußerste Adaptierfreudigkeit. Theoretisch passen nahezu alle älteren und aktuellen Spiegelreflexlinsen an die Spiegellosen, so es denn den passenden Adapter gibt. Bei Spiegelreflexkameras liegt das Auflagenmaß teils deutlich über 40 Millimetern. Um Fremdoptiken adaptieren zu können, muss das Auflagenmaß der Zielkamera kleiner sein als das des Ausgangssystems.

  • Weniger Aufnahmen pro Akkuladung
  • Objektivangebot schwankt stark
  • Preise gehoben und systemabhängig
  • Perspektive: erste spiegellose Systeme schon wieder eingestellt

Elektronischer Sucher: Ein Display als Sucher zeigt Spiegellos-Fotografen das LiveView-Bild direkt vom Sensor. Die können so bereits vor dem auslösen beurteilen, wie ihr Foto tatsächlich aussehen wird. Was so praktisch klingt, hat einen fetten Nachteil: Ein zusätzliches, hochauflösendes Display ist ein echter Stromfresser.

(Bild: Olympus)

Eine weitere Konsequenz des wegfallenden Spiegels ist der fehlende optische Sucher. Viele Einsteiger-Spiegellose bieten daher lediglich ein rückseitiges Display. Höherwertige Spiegellose besitzen einen elektronischen Sucher in Form eines kleinen LCD- oder OLED-Displays. Ob das ein Vor- oder ein Nachteil ist, daran scheidet sich die Fotogemeinde. Fakt ist, ein zusätzlicher Monitor benötigt zusätzliche Energie. Und da leisten sich die Spiegellosen im Vergleich zu ebenbürtigen DSLR-Modellen eine offene Flanke. Mit einer Akkuladung knipsen sie viel weniger Bilder. In den vergangenen Monate ist hier allerdings eine Entwicklung erkennbar. Sony setzt seit kurzem beispielsweise auf einen größeren Akku, mit dem Vollformatmodelle wie die A7 III immerhin auf über 700 Aufnahmen mit einer Ladung kommen sollen. Für vergleichbare DSLR-Modelle ist das immer noch wenig. Zum Vergleich: Die Nikon D780 kommt auf über 2000 Aufnahmen mit einer Akkuladung.

Deshalb müssen sich Spiegellos-Fotografen viel intensiver mit dem Energie-Management ihrer Ausrüstung auseinandersetzen und gegebenenfalls mehr Geld in Zweit- und Drittakkus investieren und deren Ladestand stets im Blick behalten, um jederzeit für einen Schuss bereit zu sein. Das kann nerven. Doch ein elektronische Sucher bietet gerade für Einsteiger in die Fotografie umfassende Vorteile, denn was sie sehen, bannen sie auch direkt auf die Speicherkarte: Belichtung, Schärfentiefe, Filtereffekte – all das zeigt das LiveView an und erspart somit Frust über Fehlversuche. Auch das manuelle Fokussieren gelingt dank teils zehnfacher Ausschnittsvergrößerung viel komfortabler.

Nicht nur bei den Aufnahmen pro Akkuladung sind die Spiegellosen unterlegen. Auch bei der Anzahl an Objektiven pro System bleiben sie häufig zurück. Sie blicken anders als die etablierten DSLR-Familien eben nicht auf eine jahrzehntelange Geschichte zurück. Tatsächlich ist das Angebot an Objektiven stark abhängig vom konkreten Hersteller: Olympus, Panasonic, Fujifilm und auch Sony sind mustergültig und haben in den vergangenen Jahren stark aufgeholt. Canon zeigt sich bei seinem spiegellosen Vollformat-System EOS R ebenfalls ambitioniert, während das Angebot für sein EOS M-System nur sehr zaghaft wächst. Auch Nikons Z-System steht erst am Anfang und kann daher nur auf sehr wenige eigene Optiken zurückgreifen. Behelfen können sich Fotografen häufig mithilfe von Adapterlösungen, die in unseren Tests oft auch gut funktionieren.

Das Objektivangebot schwankt von Hersteller zu Hersteller. Micro-Four-Thirds ist als herstellerübergreifender Standard im Vorteil, doch auch Sonys Alpha-System (im Bild) mit E-Mount hat in den vergangenen Jahren aufgeholt.

(Bild: Sony)

Daneben beliefern Fremdherstellern wie Tamron, Sigma oder Zeiss die spiegellosen Systeme nur selektiv, sodass oft günstige Alternativen zu den Originalobjektiven fehlen.

Lange galten die spiegellosen Systemkameras außerdem pauschal als teuer. Tatsächlich ist auch das mittlerweile abhängig vom konkreten System. Günstige Einsteiger-Gehäuse beispielsweise von Canon finden Sie bereits für unter 350 Euro, sie können aber durchaus auch über 700 Euro kosten, wenn Sie sich eher für Fujifilm oder Sony entscheiden. Ähnliches gilt für Objektive, die man in Form von Standardfestbrennweiten ebenfalls bereits ab etwa 150 Euro bekommt – beispielsweise für die Kameras von Panasonic, Olympus oder Sony. 

Was die Bildqualität angeht, liegen die spiegellosen Systemkameras auf Augenhöhe zu dem DSLR-Modellen, denn hier finden Fotografen ähnliche Bildsensoren. Wie bei den Spiegelreflexsystemen dominieren APS-C- und Vollformatchips. Das Micro-Four-Thirds-System arbeitet mit dem kleineren Four-Thirds-Sensor.

Damit ist allerdings noch nicht Schluss. Mit Hasselblad und Fujifilm bieten zwei Hersteller auch große Mittelformat-Chips mit hohen Auflösungen von 50 Megapixeln oder 100 Megapixeln in ihren Spiegellosen an. Sie richten sich damit aber hauptsächlich an schärfekritisch arbeitende Profi-Fotografen.

Die Vielfalt bei den spiegellosen Systemkameras spiegelt sich auch in den verschiedenen Objektivanschlüssen und Sensorformaten wider. Mitentscheidend für die Bildqualität ist die Sensorgröße. Am größten sind die Mittelformatsensoren, die beispielsweise in Hasselblads X1D- oder Fujifilm GFX-Kameras stecken. Dahinter kommen die Vollformatchips, die Canon, Nikon, Leica, Panasonic, Sigma und Sony einsetzen. APS-C-Sensoren reihen sich dahinter ein und finden sich in den Kameras von Canon, Fujifilm, Nikon, Leica, Sigma und Sony. Schlusslicht bilden die Four-Thirds-Chips, die in den Micro-Four-Thirds-Kameras von Olympus und Panasonic stecken.

Die Sensorfläche ist entscheidend für eine hohe Bildqualität. Größere Chips sind daher im Vorteil, weil sie bei gleicher Anzahl deutlich mehr Platz pro Pixel zur Verfügung stellen können. Größere Pixel sammeln so in einer bestimmten Zeit mehr Photonen ein, die elektronische Impulse auslösen, die später zur Bildinformation umgewandelt werden. Das wirkt sich positiv auf Rauschverhalten und Dynamikumfang aus.