Arbeitgeber muss schlechte Note nachweisen

Das Berliner Arbeitsgericht hat die Rechte der Arbeitnehmer gestärkt, in dem es mit der bisher üblichen Praxis der Beweispflicht für gute bzw. schlechte Leistungen brach.

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Von
  • Marzena Sicking

Über dieses Urteil dürften sich wohl alle Arbeitnehmer freuen: Fällt die Leistungsbeurteilung im Zeugnis schlechter als "gut" aus, muss der Arbeitgeber das gut begründen bzw. die mangelnde Leistung auch beweisen können. Das hat das Arbeitsgericht Berlin in einem Zeugnisrechtsstreit erklärt (Urteil vom 26.10.2012, Az.: 28 Ca 18230/11).

Allerdings bezeichnet der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Landesregionalleiter "Bremen" des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V., Klaus-Dieter Franzen, das Urteil als "eine etwas eigenwillige Entscheidung". Wie der Experte erklärt, trägt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich eigentlich der Arbeitnehmer die Beweislast, falls er eine Bewertung wünscht, die über dem Durchschnitt ("befriedigend") liegt. Das stellt den Mitarbeiter in der Regel allerdings vor ein praktisches Problem. Denn die Beurteilung im Zeugnis soll sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis beziehen und nach Jahren im Betrieb ist es dem Arbeitnehmer meist gar nicht mehr möglich, das geforderte Gesamtbild konkret und nachvollziehbar darzustellen. "Von daher haben die Parteien erhebliche Schwierigkeiten, einem Gericht die ihr angelegene Abweichung von der Durchschnittsbenotung darzulegen", so Franzen.

Wenn es um die Leistungsbeurteilung geht, favorisiert das Bundesarbeitsgericht eine klare Linie: Das Zeugnis muss leistungsgerecht sein, einen grundsätzlichen Anspruch auf ein hervorragendes Zeugnis haben die Arbeitnehmer nicht. Glaubt der Mitarbeiter nun, dass er besser war als der Durchschnitt und deshalb eine bessere Note verdient, muss er das beweisen. Hält der Arbeitgeber denjenigen sogar für schlechter, muss er eine entsprechende Note ebenfalls mit Belegen begründen können.

In dem verhandelten Fall hatte eine Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber eine überdurchschnittlich gute Bewertung ihrer Leistungen erwartet, während der Arbeitgeber lediglich bereit war, ihre Leistungen als durchschnittlich zu bewerten. Überraschenderweise verlangte das Berliner Arbeitsgericht nun aber nicht von der Angestellten die entsprechenden Nachweise, sondern von ihrem Arbeitgeber. Wie die Richter erklärten, sei inzwischen eine überdurchschnittlich gute Benotung der Standard. Laut empirischer Studien würden mittlerweile 86,6 Prozent aller Zeugnisse gute und sehr gute Leistungsbeurteilungen enthalten. Daher könne dem Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast nicht mehr zugewiesen werden, falls er von seinem Arbeitgeber zu den schwächsten 13,4 Prozent aller Beschäftigten gezählt worden sei.

Für den juristischen Laien klingt das durchaus logisch, für Experten allerdings nicht. Rechtsanwalt Klaus-Dieter Franzen erwartet jedenfalls, dass das Urteil ein "Ausreißer" bleiben wird: "Das Urteil kann nicht überzeugen, da es rein auf nicht näher belegte empirische Quellen verweist und keine rechtsdogmatische Begründung enthält. Tatsächlich ist die von dem Bundesarbeitsgericht angenommene Darlegungs- und Beweislastverteilung praxisgerecht und überzeugend." Schade eigentlich. (map)
(masi)