Ausgleichende (Un-)Gerechtigkeit

Versandkunden dürfen Ware innerhalb von zwei Wochen ohne Begründung zurückschicken. Die verbraucherfreundliche Regelung lässt manchem Händler graue Haare wachsen. Was ist etwa, wenn der Zustand der Retoure keinen Wiederverkauf als Neuware zulässt?

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Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Mancher Online-Händler kann ein Lied davon singen: Jemand bestellt oder ersteigert etwas, und nachdem er es einige Tage lang benutzt hat, widerruft er den Vertrag und schickt die Ware zurück [1]. "Außer Spesen nichts gewesen" heißt dann das Fazit. Für die Hin- und Rücksendekosten der Sache muss normalerweise der Verkäufer aufkommen – nur bei einem Warenwert bis zu 40 Euro kann er wenigstens die Rücksendekosten auf den Kunden abwälzen, falls er dies zuvor so vereinbart hat [2].

Glück im Unglück hat dabei noch, wer die Sache in gutem Zustand zurück erhält. Wenn ein Kunde einen Schaden an der Ware verursacht, die er zurückgeben will, muss er für diesen Schaden auch geradestehen. Was ist aber, wenn allein der alltägliche Gebrauch des Kaufgegenstands dazu geführt hat, dass dieser noch innerhalb der Widerrufsfrist in einem schlechteren Zustand ist als zuvor? Darf ein Händler von einem Verbraucher, der dann sein Widerrufsrecht ausübt, die Zahlung eines Wertausgleichs verlangen?

Wertersatz und Textform

Dreh- und Angelpunkt für die Antwort auf diese Frage sind die §§ 346 bis 354 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). In erster Linie regeln diese Vorschriften etwas anderes, nämlich die Rechte und Pflichten von Vertragsparteien im Falle eines Vertragsrücktritts (der nicht zu verwechseln ist mit einem Widerruf!). Dabei geht es um die Pflicht, die gegenseitig erbrachten Leistungen zurückzugewähren, und um die unter bestimmten Voraussetzungen bestehende Pflicht, Wert-, Nutzungs- oder Verwendungsersatz zu leisten.

Nach § 357 Abs. 1 BGB sind diese Rücktrittsregelungen aber auch beim Widerruf von online geschlossenen (Kauf-)Verträgen anzuwenden, sofern der Verkäufer als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB gehandelt hat und der Käufer ein Verbraucher im Sinne von § 13 BGB ist.

Für die Anwendung der Rücktrittsvorschriften auf den Widerruf nennt § 357 Abs. 3 BGB allerdings eine Besonderheit: "Der Verbraucher hat abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 findet keine Anwendung, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist oder hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hat."

Auf Deutsch: Beim Rücktritt vom Kauf sieht das Gesetz einen Wertersatz für den Fall vor, dass der Zustand des Kaufgegenstands bei der Rückgabe schlechter ist als zuvor. Keinen Wertersatz soll es jedoch dann geben, wenn diese Verschlechterung bloß darauf zurückzuführen ist, dass der Käufer den Kaufgegenstand ganz normal genutzt hat. Ein solcher Kaufrücktritt findet etwa im Rahmen des Gewährleistungsrechts möglicherweise noch nach über einem Jahr statt – es ist einsichtig, dass da weder das Aufschneiden einer Blisterversiegelung noch eine alltägliche, sorgfältige Nutzung durch den Käufer ein Hindernis bilden darf.

Beim Widerruf ist das jedoch anders: Eine Verschlechterung durch eine normale Nutzung muss der Verkäufer hier nicht einfach ersatzlos hinnehmen. Der Käufer muss Ersatz leisten – und zwar dann, wenn er die betreffende Sache stärker genutzt hat als nur für eine bloße Funktionsprüfung. Aber diese Ersatzleistung muss er nur bringen, wenn der Verkäufer ihn zuvor "in Textform" darauf aufmerksam gemacht und ihm auch einen Weg genannt hat, diese unangenehme Konsequenz zu vermeiden.

Schließlich betont das Gesetz noch einmal, dass vor der Wahrnehmung des Widerrufsrechts nicht mehr als eine bloße Funktionsprüfung erfolgen soll: Beim Widerruf muss eine Verschlechterung des Kaufgegenstands auch dann durch einen Wertersatz ausgeglichen werden, wenn sie bloß durch eine alltägliche Nutzung zustande gekommen ist und der Käufer die Ware ganz einfach wie sein übriges Eigentum behandelt hat. Voraussetzung dafür: Der Käufer wusste über sein Widerrufsrecht Bescheid und konnte insofern eine "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" während der Widerrufsfrist vermeiden.

Abmahnungsgefahr!

Diese reichlich verschlungen angelegte Regelung sieht für Verkäufer zunächst ziemlich verheißungsvoll aus. Wenn ein Käufer sein Widerrufsrecht ohne Einbußen wahrnehmen will, darf er die Ware zunächst nur prüfen und nicht etwa in normalem Umfang so nutzen, wie es ein Eigentümer sonst tun würde. Eine solche erlaubte Prüfung entspricht dem, was auch in einem Ladengeschäft möglich gewesen wäre.

Im Einzelfall entstehen hier häufig Streitfragen darüber, was noch als Funktionsprüfung gelten kann und was man bereits als "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" ansehen muss. Das Aufschneiden einer Blisterversiegelung etwa kann nötig sein, um die Funktion eines gekauften Gegenstands prüfen zu können. Allerdings wird der Händler diesen entsiegelten Gegenstand anschließend nur schwer wieder verkaufen können. Es dürfte für einen Kunden, der sein Widerrufsrecht problemlos wahrnehmen will, also nur dann statthaft sein, eine Präsentationsverpackung irreparabel zu zerstören, wenn das zum Prüfen der Ware wirklich nötig ist.

Auch der Gesetzgeber hat solche Fragen offensichtlich als konfliktträchtig eingeschätzt. Das zeigt der Umstand, dass das Gesetz die Wertersatzpflicht unter anderem an die Bedingung geknüpft hat, dass der Händler seinen Kunden darauf hinweist, wie dieser die Ware prüfen kann, ohne sich wertersatzpflichtig zu machen.

Wenn der Käufer mit seiner Nutzung über eine bloße Funktionsprüfung hinausgeht, muss er beim Widerruf dem Verkäufer den Wertverlust ersetzen, den der Kaufgegenstand erlitten hat.

Für Anbieter bei eBay entpuppt sich diese Regelung bei näherem Hinsehen allerdings als nutzlos: Sie greift nur dann, wenn der Käufer "spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden". Das ist bei Online-Auktionen grundsätzlich unmöglich, da erst zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – also beim Auktionsende oder beim Druck auf den Sofortkauf-Button – feststeht, wer der Käufer ist. Das Problem besteht darin, dass ein Hinweis auf einer Webseite nicht die gesetzlichen Anforderungen für die "Textform" erfüllt.

Die Konsequenz: eBay-Händler dürften also, wenn ein Käufer sein Widerrufsrecht ausübt, keinen Anspruch auf Wertersatz für die Verschlechterung des Kaufgegenstands als Folge der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme geltend machen [3].

Einige Gerichte sehen das – mit unterschiedlicher Begründung – anders. Sie billigen auch eBay-Händlern einen Wertersatzanspruch zu [4]. Wer sich jedoch darauf verlässt und in seiner Widerrufsbelehrung darauf hinweist, dass eine solche Wertersatzpflicht besteht, begibt sich in Gefahr: Er riskiert eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung von Konkurrenten, die eine solche Widerrufsbelehrung unter Berufung auf die Gegenansicht für unzutreffend halten.

Es ist dann auch nicht gerade klug, dergleichen Abmahnungen im Vertrauen auf die verkäuferfreundliche Rechtsprechung einiger Gerichte einfach zu ignorieren. Der missgünstige Konkurrent könnte bei einem von ihm passend ausgewählten Gericht eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung erwirken.

Einer solchermaßen absehbaren Niederlage kann man nur dadurch begegnen, dass man nach Erhalt der Abmahnung sofort zum Gegenangriff übergeht und bei einem verkäuferfreundlichen Gericht eine negative Feststellungsklage erhebt – mit dem Antrag, das Gericht möge feststellen, dass der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht besteht.

Grenzen des Widerrufsrechts

Können Online-Auktionen auf diese Weise zu einer Art kostenlosem Selbstbedienungsladen verkommen? Man könnte schließlich alles erst einmal kaufen, dann bis zu einem Monat [5] ge- oder teilweise verbrauchen und schließlich im Zuge des Vertragswiderrufs einfach zurückgehen lassen.

Zum Glück für die Händler ist die Sache letztlich doch nicht so einfach. Nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB steht dem Käufer dann kein Widerrufsrecht zu, wenn "die Waren aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten würde."

Vieles eignet sich nicht zum Zurückschicken. Genutzte Batterien und Leuchtmittel sind ebenso vom Widerrufsrecht ausgenommen wie angebrochene Druckerpatronen und Tonerkartuschen.

Diese Ausnahmevorschrift greift immer dann, wenn die Ware, um die es geht, typischerweise bereits durch eine schlichte Ingebrauchnahme oder auch nur durch Zeitablauf derart entwertet wird, dass dem Verkäufer ein Wiederverkauf nicht zumutbar ist. Das betrifft etwa verderbliche Ware, angebrochene beziehungsweise entsiegelte Arznei- und Lebensmittel, Kosmetik- und Hygieneartikel ebenso wie Druckerpatronen, Tonerkartuschen, Batterien und andere Verbrauchsgüter [6].

Allerdings schließt das bloße Öffnen der Originalverpackung die Eignung zur Rücksendung auch in diesen Fällen nicht unbedingt aus, wie ein Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg zeigt [7]: In dem Fall, den die Richter zu entscheiden hatten, ging es um Kontaktlinsen und Kontaktlinsen-Pflegemittel, die ein Käufer online bestellt hatte. Nachdem er die Ware erhalten und die Verpackung geöffnet hatte, widerrief er den Kaufvertrag und sandte alles zurück.

Der Händler wollte den Widerruf nicht akzeptieren, da es sich bei der Ware um Medizinprodukte handelte, die nicht mehr zu verkaufen seien, nachdem man die Originalverpackung geöffnet habe. Er berief sich daher auf die mangelnde Eignung zur Rücksendung im Sinne von § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB.

Die Hamburger Richter sahen die Sache jedoch anders und hielten dem Händler entgegen: "Kontaktlinsen und Kontaktlinsenpflegemittel sind nicht verderblich beziehungsweise bei ihnen besteht die Gefahr des Überschreitens eines Verfallsdatums innerhalb der Widerrufsfrist nicht. Denn dieses würde voraussetzen, dass die Antragsgegnerin an ihre Kunden alte, bereits über einen längeren Zeitraum gelagerte Waren übersendet, deren Verfallsdatum bereits in der gesetzlichen Widerrufsfrist erreicht wird. Hierfür ist … nichts vorgetragen worden."

Im Übrigen würden "beim Öffnen der Umverpackungen die sich in Blistern befindlichen Kontaktlinsen bzw. in Flaschen befindlichen Kontaktlinsenpflegemittel unter hygienischen Gesichtspunkten nicht beeinträchtigt. Dieses könnte erst dann der Fall sein, wenn auch die Blister geöffnet und zum Beispiel die Kontaktlinsen ausprobiert oder die Kontaktlinsenpflege-Behältnisse geöffnet würden … Die Fälle der geöffneten (Original-) Umverpackung sind auch nicht gleichzustellen mit den in § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB genannten Fällen der Lieferung von versiegelter Software nach Bruch des Siegels."

Elektronik und Heizöl

Anders als verderbliche Waren oder Verbrauchsgüter des täglichen Lebens sind Computer und Computerbauteile grundsätzlich – auch wenn sie zuvor in Gebrauch genommen wurden – zur Rücksendung geeignet. Das lässt sich jedenfalls einem Urteil des OLG Dresden aus dem Jahr 2001 entnehmen [8].

Die Entscheidung des Dresdner Gerichts orientiert sich an dem damals noch geltenden Fernabsatzgesetz (FernAG), dessen Inhalte inzwischen ins Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet worden sind. Die Regelung, wonach das Widerrufsrecht eines Verbrauchers ausgeschlossen ist, wenn die Ware sich aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung eignet, gilt aber damals wie heute gleichermaßen, sodass die Entscheidung nach wie vor relevant ist.

Das Dresdner Urteil betrifft die Unwirksamkeit einer Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Computerhändlers, die das Widerrufsrecht für bestimmte Artikel ausschließt: "Ausgeschlossen ist der Widerruf bezogen auf Waren, die naturgemäß für die Rückgabe ungeeignet sind. Dies gilt für RAM-Bausteine, Motherboards und Speichermedien …"

Die Richter erklärten diese Klausel für unwirksam, weil die darin benannten Bauteile entgegen dem, was die AGB behaupten, sehr wohl für eine Rücksendung geeignet seien: "Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers (besteht) nicht bei Fernabsatzverträgen betreffend Waren, die auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind. Rechtsprechung zu dieser Regelung gibt es bislang nicht. Auch die Literatur ist in Bezug auf diesen Begriff bislang wenig ergiebig. Zum Teil wird darauf abgestellt, ob der Verbraucher nach der Rücksendung noch von der Leistung weiter profitieren könne, die Rücksendung also rückstandsfrei möglich sei. Dies sei etwa dann ausgeschlossen, wenn unter Verletzung des Urheberrechts vor Rücksendung eine Kopie hergestellt werden könne."

Eine Auslegung der Bestimmung, so das Gericht weiter, ergebe aber, "dass RAM-Bausteine, Motherboards und Speichermedien nicht unter diese Regelung fallen". Es sei nicht ersichtlich, "warum die Rücksendung der genannten Gegenstände ihrer Art nach nicht möglich sein sollte. Durch den Versand selbst werden sie nicht unbrauchbar. Vielmehr kann man sie unendlich oft hin und her schicken, ohne dass sie – außer durch bloßen Zeitablauf – an Wert verlieren oder unbrauchbar werden."

Der zugrunde gelegte § 3 Abs. 2 FernAG, der dem heutigen § 312d Abs. 4 BGB entspricht, behandle "Fälle, in denen die Ware nach Benutzung oder ansonsten wertlos geworden und deshalb ein Widerrufsrecht für den Unternehmer nicht zumutbar ist. Als Beispielsfall wird der Heizölkauf genannt … Die hier fraglichen Waren sind mit Heizöl nicht vergleichbar."

Aufschlussreicher als der Hinweis auf die mangelnde Vergleichbarkeit von Computerbauteilen und Heizöl ist dann allerdings die weitere Urteilsbegründung, in der das Gericht sich mit der rechtlichen Erfassung des Wertverlusts auseinandersetzt, den die Bauteile infolge ihrer Benutzung erleiden können: "Es mag sein, dass die genannten Produkte nach bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme durch den Verbraucher faktisch wertlos sind."

Das beruhe jedoch "nicht auf einer Abnutzung …, sondern darauf, dass zurückgegebene Computerbauteile wegen der Gefahr der Verseuchung mit Viren und ähnlichem nicht oder nur sehr schwer verkäuflich sind. Dieses Risiko eines erheblichen Wertverzehrs allein infolge der vom Markt gesehenen abstrakten Gefahr, dass der zurücksendende Verbraucher den Gegenstand benutzt hat, ist jedoch kein spezifisches Risiko, das ausschließlich im Fernabsatzhandel mit Computerbauteilen besteht."

Vielmehr werde, so das Gericht, "auch bei vielen anderen Waren ein Käufer auch bei äußerlicher Neuwertigkeit nicht mehr bereit sein, den Neupreis zu bezahlen, wenn er weiß, dass der Gegenstand möglicherweise von einem anderen vorher bereits in Benutzung genommen worden ist, in erster Linie wohl wegen der potenziellen Gefahr einer nicht sofort erkennbaren Beschädigung. Dieses allgemein für den Unternehmer im Falle des Widerrufs bestehende Risiko kann jedoch nicht zur Anwendung der Ausnahmeregelung … führen."

Gebrauchte Neuware

Ein Widerrufsproblem besonderer Art kann sich für Händler ergeben, die mit Neuware handeln. Was sie als neu verkauft haben, bekommen sie im Falle des Vertragswiderrufes ja mehr oder weniger benutzt zurück. Das wirft die Frage auf, ob sie die retournierte Ware immer noch als "neu" wiederverkaufen dürfen oder nicht.

Genau darum ging es in einem jüngst vom Amtsgericht (AG) Rotenburg (Wümme) entschiedenen Fall [9]: Der Käufer eines (vermeintlich) neuen Handys hatte dessen Verkäufer verklagt, weil sich bei der Inbetriebnahme des Geräts herausstellte, dass es zuvor schon benutzt worden war. Jemand hatte bereits einige Daten zur Nutzung der VoIP-Option und eines POP3-E-Mail-Dienstes eingegeben.

Das veranlasste den Käufer dazu, eine Preisminderung um 100 Euro zu fordern. Das Rotenburger Amtsgericht wies dieses Ansinnen jedoch ab: Allein aufgrund der erfolgten Dateneingabe durch den vorherigen Widerrufskäufer, so das Gericht, könne man nicht davon ausgehen, dass das Handy nicht mehr "neu" gewesen sei. Denn die Eigenschaft eines Kaufgegenstands als "neu" werde grundsätzlich nicht dadurch aufgehoben, dass er von einem potenziellen Käufer eingehend studiert wird, was bei technischen Geräten auch einen Test der vorhandenen Funktionen einschließe.

So begrüßenswert dieses Urteil aus Händlersicht erscheinen mag, so sehr ist es mit Vorsicht zu genießen: Es lässt sich nicht verallgemeinern. Nicht jede Ware, die "nur" geprüft wurde, kann deshalb auch bedenkenlos als neu wiederverkauft werden. Bei einem Handy mag das angehen; Kraftfahrzeuge hingegen büßen beispielsweise schon mit der Erstzulassung ihre Eigenschaft als Neuwagen ein. Die Frage, ob ein per Widerruf zurückgeschickter Kaufgegenstand noch Neuware ist, hängt nicht zuletzt von der Art der Ware beziehungsweise davon ab, was ein durchschnittlicher Kunde von einem "neuen" Exemplar erwarten würde.

Es ist auch keineswegs so, dass man zwischen einem "nur getesteten" und "bestimmungsgemäß in Gebrauch genommenen" Kaufgegenstand leicht unterscheiden könnte. Wer anhand dieses gesetzlichen Kriteriums im Widerrufsfall einen gerechten Wertausgleich herbeiführen will, wird auf Schwierigkeiten stoßen.

Ob ein Käufer etwas tatsächlich nur kurz geprüft oder nicht doch eine Zeit lang eigentümerähnlich genutzt hat, weiß außer ihm niemand. Daher wird auch nur sehr selten jemand einem Käufer eine zum Wertersatz verpflichtende "bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme" beweisen können, sofern dieser keine erkennbaren Gebrauchsspuren hinterlassen hat. (psz)

Literatur

[1] Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften: §§ 312d, 355 BGB

[2] Dr. Ingolf Prinz, Hin und zurück gratis, c't 26/07, S. 186; Rücksendekosten: § 357 Abs. 2 BGB; Hinsendekosten: OLG Karlsruhe, Urteil vom 5. 9. 2007, Az. 15 U 226/06

[3] LG Berlin, Beschluss vom 15. 3. 2007, Az. 52 O 88/07; LG Dortmund, Beschluss vom 19. 7. 2007, Az. 10 O 113/07; LG Karlsruhe, Urteil vom 8. 8. 2007, Az. 13 O 76/07 KfH I; Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 9. 11. 2007, Az. 5 W 304/07

[4] LG Flensburg, Urteil vom 23. 8. 2006, Az. 6 O 107/06; LG Paderborn, Urteil vom 28. 11. 2006, Az. 6 O 70/06; OLG Hamburg, Beschluss vom 16. 7. 2007, Az. 5 W 92/07; OLG Köln, Urteil vom 3. 8. 2007, Az. 6 U 60/07

[5] Die Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen, die im Rahmen von Online-Auktionen geschlossen werden, beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat: KG Berlin, Beschluss vom 18. 7. 2006, Az. 5 W 156/06; OLG Hamburg, Urteil vom 24. 8. 2006, Az. 3 U 103/06

[6] Rolf Becker/Carsten Föhlisch, Von Quelle bis eBay: Reformaufarbeitung im Versandhandelsrecht, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2005, Seite 3378 ff.

[7] OLG Hamburg, Urteil vom 20. 12. 2006, Az. 5 U 105/06

[8] OLG Dresden, Urteil vom 23. 8. 2001, Az. 8 U 1535/01

[9] AG Rotenburg (Wümme), Urteil vom 26. 11. 2007, Az. 5 C 350/07 (map)