Begrenzte Haltbarkeit bei Werbeeinwilligungen

Ein Unternehmen, das Verbraucher telefonisch oder per E-Mail mit Werbung versorgen will, braucht dafür deren ausdrückliche Einwilligung. Ansonsten ist die Ansprache rechtswidrig. Hat ein Verbraucher in den Empfang von „Produktinformationen“ eingewilligt, so ist seine Adresse für den Werbenden aber keineswegs dauerhaft eine sichere Bank.

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Von
  • Georg Schnurer

Bei der Kundenakquise schätzen Marketing-Experten besonders die Kommunikationskanäle Telefonie, Fax und E-Mail – sie zu nutzen, ist verglichen mit Werbedrucksachen so schön billig. Außerdem lässt sich elektronische Kommunikation, notfalls per Telefoncomputer, prima automatisieren und in gängige CRM-Systeme integrieren.

So interessant diese Werbeformen wirtschaftlich sind, so hoch sind die Hürden, die das deutsche Recht für ihre Nutzung errichtet hat – aus gutem Grund: „Cold Calls“, Faxund E-Mail-Spam gehören zu den allgemein am schlimmsten empfundenen Auswüchsen der elektronischen Massenkommunikation.

Um nicht in die Rechtswidrigkeit abzurutschen, darf sich die Werbeansprache per Fax, Telefon und E-Mail nur an solche Verbraucher richten, die auch damit einverstanden sind. Ganz konkret sieht § 7 des deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) hier vor, dass eine „ausdrückliche“ und unmissverständliche Einwilligung vorliegen muss. Für ein solches Verbraucher-Okay hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Rechtsprechung ziemlich hohe Anforderungen gestellt.

Untiefen des Kleingedruckten

In seiner schon fast legendären Grundsatzentscheidung zum Thema „Payback“ legte das oberste Zivilgericht 2008 fest, dass die Einwilligung für E-Mail-Werbung nicht wirksam zusammen mit anderen Erklärungen abgegeben werden kann (BGH, Urteil vom 16.7.2008, Az. VIII ZR 348/06). Formulierungen wie „Ich willige ein, Produktinformationen telefonisch oder per E-Mail zu erhalten“ sind somit schlicht unzulässig (LG Hamburg, Urteil vom 10.8.2010, Az. 312 O 25/10).

Beim Registrieren für Online-Dienste verschiedenster Art erklären Verbraucher ihre Einwilligung zum Empfang von „Produktinformationen“ – oder was der kreativen Begriffskosmetik des Marketings zur Umschreibung der Werbeansprache sonst noch einfällt. Eine beliebte Gelegenheit zum Einholen solcher Einwilligungen sind auch Gewinnspiele, die nicht selten eigens zu diesem Zweck veranstaltet werden.

Dasselbe gilt auch für das Verstecken der Einwilligung in ellenlangen allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die der Verbraucher dann etwa beim Vertragsschluss pauschal anerkennt (LG Magdeburg, Urteil vom 18.8.2010, Az. 7 O 456/10). Solche Klauseln in den Untiefen des Kleingedruckten sind rechtlich nichts wert und stellen dem Unternehmen, das sie benutzt, kein besonders gutes Zeugnis aus.

Immer wieder gern genommen wird auch die Variante mit dem vorsorglich gesetzten Häkchen: So ist etwa bei Web-Bestellformularen die Unsitte nicht auszurotten, dass ein Text wie „Ich möchte den Newsletter der XYZ GmbH sowie aktuelle Produkthinweise, auch von Kooperationspartnern, per E-Mail erhalten“ von einer bereits angehakten Checkbox begleitet wird. Natürlich kann ein aufmerksamer Nutzer, der keine Werbung wünscht, ein solches Häkchen wieder entfernen, bevor er das Formular abschickt. Dennoch ist diese Praxis unzulässig – worauf 2010 das Oberlandesgericht (OLG) Jena hingewiesen hat (OLG Jena, Urteil vom 21.4.2010, Az. 2 U 88/10).

Die Anforderungen an eine rechtskonforme Erlaubnis für Werbe-Anrufe und E-Mail-Marketing hat der BGH Anfang 2011 noch einmal präzisiert (BGH, Urteil vom 10.2.2011, Az. I ZR 164/09) . Diese Klarstellung sehen Unternehmen, die ein Interesse an Direktwerbung haben, mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Die Bundesrichter halten es für erforderlich, aber auch für ausreichend, dass für E-Mail-Werbung das „Double-Opt-in-Verfahren“ zum Einsatz kommt.

Das bedeutet, der Werbeempfänger in spe erhält an die von ihm angegebene E-Mail-Adresse eine Nachricht mit der Bitte um Bestätigung, dass er sich angemeldet hat. Erst wenn die Bestätigungs-E-Mail beim Unternehmen eingeht, wird die Empfängeradresse für den Werbeversand freigegeben.

Nach der Auffassung des BGH ist damit weitestgehend sichergestellt, dass der Inhaber der Adresse auch tatsächlich eingewilligt hat und nicht etwa einem Scherzbold die Registrierung seiner E-Mail-Anschrift bei dem werbenden Unternehmen verdankt.

Ein solches OK von Verbrauchern zum Empfang von Werbung des betreffenden Anbieters oder seiner Kunden und Kooperationspartner ist auch dann, wenn es nicht widerrufen wird, keineswegs unbegrenzt wirksam.

Wenig Wert hat das beschriebene Double-Opt-in-Verfahren jedoch bei Erlaubnissen, die sich ein Unternehmen für Telefonanrufe zu Werbezwecken sichern möchte: Bei dieser Form besteht dem BGH zufolge eine zu große Missbrauchsgefahr. Eine Person könnte sich einfach eine anonyme E-Mail-Adresse bei einem Freemailer beschaffen und in der Bestätigungs-E-Mail für die Werbeanrufe eine fremde Rufnummer angeben. Daher könne man hier anders als bei der E-Mail-Werbung gerade nicht davon ausgehen, dass der E-Mail-Absender auch tatsächlich derjenige ist, der die Werbung erhalten wird. Offen gelassen hat das Gericht allerdings, auf welchem anderen Wege Werbetreibende eine wirksame Einwilligung für die Kontaktaufnahme per Telefon nachweisen können.

Hamstern verboten!

Während die Werbewirtschaft über die hohen Hürden für elektronische Direktwerbung stöhnt, ärgern sich Verbraucher nach wie vor über ungewollte Werbeanrufe und E-Mail-Spam. Vielleicht haben sie ja sogar irgendwann einmal eine Einwilligung dazu erteilt, dies aber längst vergessen. Wer weiß schon noch, ob er vor zehn Jahren mal einem Lotterieanbieter gestattet hat, ihn anzurufen?

Solche Zweifelsfälle behandeln deutsche Gerichte gern, indem sie von einem „Haltbarkeitsdatum“ für Einwilligungen ausgehen. Die jüngste Entscheidung dazu kommt vom Landgericht (LG) München I: Danach löst sich eine Einwilligung zum Empfang von E-Mail-Werbung jedenfalls dann in Wohlgefallen auf, wenn zwischen der Erklärung und der ersten Mail mehr als 1,5 Jahre liegen (LG München I, Urteil vom 8.4.2010, Az. 17 HK O 138/10. Schließlich habe die Einwilligung dann an „Aktualität“ verloren.

In die gleiche Richtung geht ein Urteil aus Berlin. Die Richter am dortigen LG sahen eine Einwilligung bei einem Erstversand nach mehr als zwei Jahren nicht mehr als aktuell an (LG Berlin, Urteil vom 2.7.2004, Az. 15 O 653/ 03). Im Berliner Fall erklärte der Versender, der Inhaber einer Detektei, dass er von einem Rechtsanwalt, der zu einer Kanzlei gehörte, im Rahmen eines Telefonats Anfang Januar 2001 die Erlaubnis zur Zusendung von Werbe-Mails erhalten habe. Die erste Werbe-E-Mail erreichte die Kanzlei aber erst Ende September 2003, nachdem der Anwalt dort bereits ausgeschieden war. Zu spät, wie das Gericht befand. Der werbende Detektiv hätte sich vielmehr vor dem Versand erkundigen müssen, ob noch Interesse an seinen Werbebotschaften bestehe.

Die Sache mit der begrenzten Haltbarkeit von Werbeeinwilligungen sieht in Bezug auf Telefonwerbung ähnlich aus wie bei E-Mail. Allerdings gibt es hierfür nur eine Entscheidung des LG Hamburg aus dem Jahr 2004. Im dortigen Fall hatte der gewerbliche Anrufer behauptet, dass der Anschlussinhaber sein Einverständnis irgendwann im Jahr 1983 erteilt habe. Somit sei auch ein erst 2002 getätigter Werbeanruf rechtmäßig gewesen. Das sahen die hanseatischen Richter anders: Der „zwischenzeitlich erfolgte Zeitablauf“ rechtfertige keine weiteren Anrufe (LG Hamburg, Urteil vom 17.2.2004, Az. 312 O 645/02).

Nicht alt werden lassen

Ein Verfallsdatum für Werbeeinwilligungen steht nicht ausdrücklich im Gesetz, wird aber von vielen Gerichten angenommen. Solange sich der BGH dazu noch nicht geäußert hat, sollten Unternehmen wirksam erklärte Einwilligungen also zeitnah nutzen. Das ist aus zweierlei Gründen sinnvoll: Einerseits minimiert man die Gefahr der begrenzten Rechtswirksamkeit, andererseits verprellt man keine Kunden, die sich nach Jahren des Schweigens zu Recht wundern, warum sie plötzlich angerufen oder angemailt werden.

Dr. Noogie C. Kaufmann ist Rechtsanwalt in Hamburg und befasst sich schwerpunktmäßig mit Datenrecht. (gs)