Bundesfinanzhof äußert verfassungsrechtliche Zweifel an der Mindestbesteuerung

Als "ernstlich zweifelhaft" bezeichnet der Bundesfinanzhof die Frage, ob die sogenannte Mindestbesteuerung verfassungsrechtlichen Anforderungen in jeder Situation standhält. Bei dem verhandelten Fall tat sie es jedenfalls nicht.

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Von
  • Marzena Sicking

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt bekannt gab, wurde am 26. August 2010 entschieden, dass die sogenannte Mindestbesteuerung in bestimmten Situationen zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen Besteuerung führen kann (Az.: I B 49/10) .

In dem verhandelten Verfahren ging es um eine GmbH, die hohe Verluste erwirtschaftet (Verlustvortrag im Streitjahr 35.303.643 Euro, Einnahmen 4.361.627 Euro) und diese wegen der Mindestbesteuerung nur teilweise abziehen konnte. Im darauf folgenden Jahr kam es zu einem Gesellschafterwechsel und einer Verschmelzung, der dazu führte, dass der wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgenutzte Verlustvortrag nach § 8c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vollständig entfiel. Die Vollziehung des Steuerbescheids hat das Finanzgericht Nürnberg allerdings wegen "ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzung" ausgesetzt (FG Nürnberg, Beschluss vom 17. März 2010 1 V 1379/2009). Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Finanzamts blieb vor dem BFH ohne Erfolg.

Seit 2004 dürfen in den Vorjahren nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen zwar bis zur Höhe von 1 Million Euro unbeschränkt von einem entsprechend hohen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, ein übersteigender Verlustbetrag aber nur bis zu 60 Prozent des 1 Millionen Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte. Bei einem bestehenden Verlustvortrag in Höhe von z.B. 3 Millionen Euro und einem zu versteuernden Einkommen vor Verlustausgleich im aktuellen Jahr in Höhe von z.B. 2 Millionen Euro bedeutet das: Es können lediglich 1,6 Millionen Euro der Verluste ausgeglichen werden, während für 400.000 Euro Steuern anfallen. Die verbleibenden Verluste können erst in den Folgejahren abgezogen werden.

Allgemein wird in dieser liquiditätsbelastenden zeitlichen "Streckung" des Verlustabzugs kein Verfassungsverstoß gesehen. Das gilt aber nur solange, wie ein Abzug der verbleibenden Verluste in den Folgejahren prinzipiell möglich ist. Bedenken bestehen jedoch, wenn es zu einem endgültigen Fortfall der Verlustnutzungsmöglichkeit kommt.

Diesen Bedenken hat sich der Bundesfinanzhof nun angeschlossen und ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung geäußert, soweit sie für einen derartigen endgültigen Ausfall des Verlustabzugs keine gesetzliche Vorsorge trifft. Der BFH erwägt deswegen eine verfassungskonforme Normauslegung. Offen bleibt, ob § 8c KStG nicht seinerseits Verfassungsbedenken aufwirft. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)