CeBIT 2011: Neuer Realismus
Während die CeBIT-Macher in den vergangenen Jahren den Eindruck erwecken wollten, die ITK-Messe in Hannover sei das Schlüsselereignis zur Rettung der Welt, gibt man sich in diesem Jahr bescheidener. Man will einfach nur eine gute Messe machen.
- Damian Sicking
Lieber "Head of CeBIT" Frank Pörschmann,
in einer Zeitung werden Sie mit folgendem Satz zitiert: "Es kommt nicht darauf an, wie viele Pommes in der Tüte sind, sondern darauf, dass man am Ende satt ist." Hand auf´s Herz, haben Sie das wirklich gesagt? So viel Witz kannte man von den Managern der Deutsche Messe AG in Hannover bisher gar nicht. Dieser neue Humor verspricht Einiges für die Messe, die morgen beginnt. Für Sie ja die erste CeBIT als der "Kopf" der weltgrößten IT-Messe, im Mai letzten Jahren hatten Sie den Job übernommen.
Überhaupt ist mir aufgefallen, dass sich im CeBIT-Marketing Einiges verändert hat. In den vergangenen Jahren konnte man meinen, die CeBIT sei das wichtigste Ereignis in unserem Sonnensystem und stelle jeden Weltwirtschaftsgipfel in den Schatten. Wenn man den Vertretern der Deutsche Messe und befreundeter Organisationen wie dem BITKOM glauben wollte, dann hing in den Vorjahren nicht weniger als das Schicksal der Welt von der CeBIT ab. Nein, ich übertreibe keineswegs, lieber Herr Pörschmann, Sie müssen sich nur noch mal vor Augen führen, was von den Offiziellen vor zwei Jahren so abgesondert wurde. Da hieß es, dass "eine gute CeBIT in der derzeitigen weltweiten (sic!) Stimmung in der Wirtschaft einen wichtigen konjunkturellen Impuls setze" (Hannover-Messe-Vorstand Ernst Raue) oder dass in der CeBIT gar "der Schlüssel zur Lösung der großen gesellschaftlichen Aufgaben" liege (BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer).
Wie anders dagegen die Schlagzeilen in diesem Jahr. Und wie bescheiden! Das Marktschreierischste, was zu hören war, ist noch, dass die CeBIT wahlweise "das Eldorado" für die Privatbesucher oder das "Davos der IT-Branche" sei (beides mal wieder BITKOM-Lautsprecher Scheer). Der Vergleich mit dem World Economic Forum, welches jedes Jahr in dem mondänen schweizerischen Wintersportort stattfindet, ist nicht neu, der Headhunter Karl Hecken hatte ihn schon vor zwei Jahren gebracht. Was natürlich nichts daran ändert, dass der Vergleich vorne und hinten klemmt. Zunächst einmal liegt in Hannover viel weniger Schnee als in Davos, und zum zweiten nehmen am Weltwirtschaftsforum in den schweizer Alpen nur die wichtigsten Industriekapitäne und Politiker der Welt teil, während auf der CeBIT ja auch ganz viele völlig unwichtige Menschen herumlaufen. Deshalb muss jetzt niemand beleidigt sein, Leser dieser Kolumne gehören natürlich nicht dazu.
Aber gut, sei´s drum. Ich persönlich empfinde die neue Bescheidenheit oder den wiedergefundenen Realismus der CeBIT-Macher als absolut positiv und wohltuend. In den Vorjahren wurde unsere arme Messe mit so hohen Ansprüchen und mit Erwartungen vollgepackt, die sie nie und nimmer erfüllen konnte. Die übrigens keine einzige Messe der Welt hätte erfüllen können. Kein Wunder daher, dass am Ende, nachdem die Messe gelesen war, immer Enttäuschung blieb. Möglicherweise ist dies auch der Grund dafür, dass der CeBIT-Besuch für viele IT-Händler und -dienstleister nicht ganz oben in der Jahres-Reiseplanung steht. So zumindest das Ergebnis einer Umfrage des Beratungsunternehmens Compris GmbH. Annähernd zwei Drittel der befragten Händler hatte abgewunken; sie verzichten in diesem Jahr auf eine Reise nach Hannover. Der Grund: Der Aufwand stehe in keinem vertretbaren Verhältnis zum Nutzen.
Während also die CeBIT-Veranstalter selbst in diesem Jahr eher die leisen Töne pflegen, hat das Land Niedersachsen die neue Zeitenrechnung offenbar noch nicht mitbekommen. Das Land Niedersachsen ist ja an der Deutschen Messe AG beteiligt und schaltet im Vorfeld der CeBIT in der Wirtschaftspresse immer lustige Anzeigen. Der unübertroffene Höhepunkt war die Anzeige im vergangenen Jahr, als die Kreativabteilung aus Hannover kunstvoll dichtete: "Twittert der Hahn früh auf dem Mist, die CeBIT in Hannover ist". Mann, haben wir da gelacht! In diesem Jahr waren die lustigen Werbetexter auch wieder super kreativ und schrieben folgenden Satz in ihre Reklamebotschaft: "Typisch Niedersachsen: so große Messen, dass selbst der Papst neidisch wird." Haha, wie komisch, ist ja so richtig um die Ecke gedacht. Dumm nur, dass die niedersächsischen Reklamemacher noch nicht mitbekommen haben, dass Größe für die CeBIT-Macher heute gar nicht mehr das Wichtigste ist. Sagen sie zumindest. So erklärte Messe-Vorstand Raue vor ein paar Tagen hier im heise-resale-Interview, "dass die Parameter Fläche und Ausstellerzahlen für eine Veranstaltung wie die CeBIT nicht mehr passen".
Na also, das ist ja im Prinzip nichts anderes als Ihr Pommes-Vergleich, lieber Herr Pörschmann. Weil´s so schön ist, zitiere ich ihn noch einmal: "Es kommt nicht darauf an, wie viele Pommes in der Tüte sind, sondern darauf, dass man am Ende satt ist." Klasse, wirklich! Aber eine Bemerkung kann ich mir dann doch nicht verkneifen: Satt sein ist ja schön und gut, aber wenn´s den Gästen darüber hinaus auch geschmeckt hat, wär´s doch noch besser, oder?
Beste GrĂĽĂźe
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