Der CPU-Markt tritt auf der Stelle – womöglich dauerhaft!

Dem CPU-Segment fehlt es aktuell an Impulsen. Im Consumer-Umfeld lahmt selbst die Gamer-Branche als Hauptzugpferd gewaltig. Kontinuierlich rückläufige Verkaufszahlen bei PCs und Komponenten zwingen die Branche zur Neuorientierung.

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Von
  • Matthias Parbel

Seit Anfang Juni halten die HEKs für Desktop-Prozessoren ein bemerkenswert stabiles Niveau. Fast alle Modelle folgen dem Dollarkurs und liegen derzeit knapp drei bis vier Prozent über den Preisen aus der KW 22. Nur wenige CPUs wie AMDs X4 641 und X4 651 sinken im Preis nachhaltig um durchschnittlich zehn Prozent. Bei Intel kaufen Reseller nur den G850 und G860 um sechs bis neun Prozent günstiger ein.

"Für Intel-CPUs läuft das Geschäft saisonbedingt verhaltener, aber insgesamt positiv", sagt Andreas Grund, Absatzmanager bei Devil. "Bei AMD kann das neue Line-Up noch nicht die abgekündigte X-Serie kompensieren."

Der durchschnittliche Angebotspreis im Onlinehandel ist zuletzt wieder leicht rückläufig, die Distribution rechnet aber eher mit steigenden Kursen.

Traditionell ist der Juli der umsatzschwächste Monat im Quartal. "Gegenüber 2011 ist aber eine leichte Kaufzurückhaltung der Endkunden zu spüren", ergänzt Markus Harbach, Leiter Einkauf bei Wave. Neben der Ferienzeit gilt aber auch die allgemein schwierige Konjunkturlage als Kaufbremse. Inwieweit sich der Absatz unter den gegebenen Umständen im August und September wieder bessert, muss sich zeigen.

Intel hat unterdessen die Erwartungen für das laufende Jahr bereits gesenkt und rechnet mit einem weltweiten Umsatz von 14,3 Milliarden US-Dollar. Im zweiten Quartal verbuchte der Chip-Gigant mit 13,5 Milliarden US-Dollar ein Plus von vier Prozent. AMD meldete Erlöse von 1,4 Milliarden Dollar. Dies entspricht einem Minus von elf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Hersteller hatte bereits vorgebaut und frühzeitig rückläufige Zahlen angekündigt. Mit einem Nettogewinn von 37 Millionen Dollar schreibt AMD aber trotzdem schwarze Zahlen. Grund für die Situation sei die Schuldenkrise und die damit verbundenen schwachen Verkäufe in Europa.

AMD-Geschäftsführer Rory Read zufolge müsse die PC-Industrie ihre Erwartungen künftig generell zurückstecken. Die weltweiten PC-Verkäufe seien nun schon seit drei Quartalen rückläufig, eine Besserung sei erst mal nicht in Sicht. Ungeachtet dessen verzeichnet die Region EMEA im Q2/2012 im Vergleich zum Vorjahr allerdings ein Plus von 9,1 Prozent. IDC führt dies auf ein, in der Form nicht erwartetes, starkes Wachstum in Russland zurück.

Generell sehen Marktbeobachter den PC-Markt in den USA und Europa als rückläufig an und prophezeien, die Post-PC-Ära sei bereits eingeleitet. Die Kundschaft würde ihr Geld lieber in Smartphones und Tablets investieren, anstatt neue Rechner zu kaufen. "Diese Entwicklung scheint sich abzuzeichnen", meint auch Devil-Manager Grund. "Ein gewisses Niveau wird nach unserer Einschätzung mittelfristig konstant bleiben. Der stationäre PC ist für viele Nutzer noch ein Standard, der zwar durch mobile Geräte ergänzt, aber nicht ersetzt wird. Wir verbinden den PC-Markt weiterhin mit Optionen."

Dies sieht Wave-Manager Harbach ebenso: "Wir sind auch der Meinung, dass es langfristig immer weniger Kunden geben wird, die sich einen klassischen Computer anschaffen. Der Anteil der Notebooks, AIOs und Tablets wird weiterhin wachsen, wenn auch nicht mehr in dem Umfang, wie wir das aus den letzten Jahren kennen. Ausschlaggebend wird auch sein, dass weniger Kunden, als vor zwei bis drei Jahren, ihren bestehenden PC mit den allerneuesten Komponenten nachrüsten."

Letztendlich schlägt sich die Branche hier selbst. Ein fünf Jahre alter PC genügt heute noch für alle Standardanwendungen wie Office und Internet. Selbst für die so genannten Enthusiasten – wie beispielsweise Gamer – gibt es immer weniger Gründe ständig nachzurüsten. Die neuesten Spiele-Generationen erfordern es oftmals einfach nicht. Vielmehr schafft es die Spiele-Industrie ihre eigentlich treue Kundschaft zunehmend zu verprellen. Einschlägige Internetforen sind voll von Beschwerden über mangelnde Innovationen in puncto Gameplay und Grafik. Aus einstigen Kassenschlagern werden mehrteilige Serien, die aber wenig Neues bieten. Eine Online-Pflicht bei Spielen, wie zuletzt bei Diablo 3, beziehungsweise eine Account-Bindung vergällen der Zielgruppe zusehends den Spaß an ihrem Hobby.

All dies geht aktuell zu Lasten des CPU- und Grafikkarten-Geschäfts. Von einem nahenden Ende des PCs zu sprechen, ist aber reine Panikmache. Im Business-Einsatz werden Desktops und Notebooks nach wie vor für ein komfortables Arbeiten benötigt und auch gekauft. Im Consumer-Umfeld verlängern sich die Investitionszyklen. Smartphones und Tablets als Konkurrenz aufzuführen, kann man auch als eine fadenscheinige Ausrede sehen. Wer mit dem eingeschränkten Komfort bzw. Bedienmöglichkeiten zufrieden ist, hat in der Regel auch vorher keine Investitionen im PC-Bereich getätigt.

Für den Fachhandel gestaltet sich das Geschäft mit PCs und Komponenten allerdings bereits seit Jahren wenig margenträchtig. Die prognostizierte Entwicklung bereitet daher eher den Markenherstellern Schwierigkeiten. "Wir sehen das Komponentengeschäft nach wie vor sehr positiv und verzeichnen keine anhaltend rückläufige Entwicklung", beschwichtigt Florian Gerken, Senior Manager Components bei Ingram Micro Distribution, im Gespräch mit heise resale.

In der Distribution sind derzeit vor allem Intels Ivy-Bridge-CPUs i5-3450 sowie i7-3770 gefragt, sowie die Sandy-Bridge-Modelle 2100, 2120, 2320, 2400 und 2500K. AMD-Kunden bevorzugen vor allem den FX-4100, FX-6100 und FX-8150. Gekauft wird fast ausschließlich Boxed-Ware. "Tray-Produkte haben zum Teil ein geringfügig besseres Preisniveau und weisen eine bessere Flexibilität bei der Kühlerverwendung auf", sagt Ingram-Manager Gerken. "Box-Produkte hingegen sind preislich nicht weit entfernt, haben mittlerweile sehr hochwertige Kühler und zudem drei Jahre Garantie."

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Bei der Preisbeobachtung unterstützten uns:

Also-Actebis AG
B.com Computer AG
CTT AG
Devil AG
Ingram Micro GmbH

Im heise resale Preisradar ist der durchschnittliche Angebotspreis im Onlinehandel gegenüber der Vorwoche um 3,5 Prozent auf nicht ganz 143 Euro gefallen (brutto). Im Vergleich zur KW 22 Anfang Juni entspricht dies einem Minus von rund fünf Prozent. Im Ranking führen weiterhin Intels i5-3570K (208,90 Euro) und i5-3450 (174,48 Euro), gefolgt von den beiden AMD-Chips Phenom II X4 965 Black Edition (88,69 Euro) sowie FX-8150 (172,80 Euro).

Das aktuelle Sommerloch wäre eigentlich ein Indiz für sinkende HEKs, darauf spekulieren sollten Reseller allerdings nicht. "Durch die Wechselkurs-Entwicklung müssen Händler und Endverbraucher weiterhin mit steigenden Preisen rechnen", warnt Wave-Manager Harbach. "Aufgrunddessen und der Entwicklung auf dem Finanz- und Arbeitsmarkt gehe ich von einer gedämpften Nachfrage für das laufende Quartal aus. Das Erscheinen neuer Produkte, wie Windows 8, Intels Ivy-Bridge i3-CPUs und AMDs Bulldozer-Nachfolger im vierten Quartal wird meines Erachtens auch keine größeren Kaufimpulse auslösen." (map)