Einsicht in die Personalakte auch nach Kündigung möglich

Jeder Arbeitnehmer hat das Recht zu erfahren, was in seiner Personalakte steht und sich gegebenenfalls auch dazu zu äußern. Ob dieses Recht auch nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses besteht, wurde jetzt in einem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt.

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Von
  • Marzena Sicking

Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, Einsicht in seine Personalakte zu nehmen. Das gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet wurde, wie das Bundesarbeitsgericht jetzt befand (Urteil vom 16. November 2010 – 9 AZR 573/09) und damit dem Urteil der Vorinstanz widersprach (Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 14. Januar 2009, Az.: 11 Sa 460/08).

Der klagende Arbeitnehmer war in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2007 bei seinem Arbeitgeber als Schadensbüroleiter beschäftigt. Sein Arbeitgeber führt Personalakten über jeden Mitarbeiter, so auch über den Kläger. Nach Vertragsende teilte ihm eine Personalbearbeiterin im Rahmen einer Zeugnisauseinandersetzung mit, dass Gründe vorhanden seien, die auf seine mangelnde Loyalität schließen ließen. Daraufhin verlangte der Mann Einsicht in seine Personalakte, die ihm von den Verantwortlichen mit Hinweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verwehrt wurde. Der Mann klagte vor dem Arbeitsgericht München und forderte die Verurteilung des Unternehmens, ihm Einsichtnahme in seine Personalakte zu gewähren bzw. hilfsweise zur Herausgabe der gesamten Personalakte an ihn.

Er begründete die Forderung damit, dass man ihm Illoyalität vorgeworfen habe und er auch nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses Einsicht in die Personalakte verlangen könne, um zu erfahren, was ihm vorgeworfen werde. Anders sei es ihm nicht möglich, die gegebenenfalls nötigen rechtlichen Schritte einzuleiten. Desweiteren berief er sich auf das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das auch Drittwirkung im Arbeitsrecht habe.

Das Arbeitsgericht München hatte im Urteil vom 11. April 2008 die Klage zunächst abgewiesen. Zur Begründung hieß es, ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers, nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses Einsicht in die von ihm geführte Personalakte nehmen zu können, sei nicht ersichtlich. Der Arbeitnehmer habe einen gesetzlichen Anspruch auf Einsichtnahme, dies gelte aber nicht uneingeschränkt, wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet worden sei.

Gegen das Urteil ging der Kläger in Revision. Vor dem Landesarbeitsgericht München führte sein Anwalt unter anderem aus, dass die Auslegung des Arbeitsgerichts den Inhalt der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts falsch wiedergegeben habe. Es sei keinesfalls der Regelfall, dass nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Rechtsschutzbedürfnis fehle, vielmehr seien die Anforderungen daran nach gängiger Rechtsprechung sehr gering. Aufgrund der Äußerung über seine angebliche Illoyalität sowie der Behauptung, seine Beurteilung würde eine mehr als durchschnittliche Zeugnisbewertung nicht rechtfertigen, begründeten vielmehr den Verdacht, dass die Personalakte Unrichtiges enthalte. Wenn der Arbeitnehmer solche Daten im Rahmen einer Personalakte speichere, so müsse er dem Arbeitnehmer auch die Gelegenheit geben, sich gegen unberechtigte Behauptungen zur Wehr setzen zu können. Es könne nicht dem Zufall überlassen bleiben, dass der Arbeitnehmer erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zufällig Anhaltspunkte erfahre, die auf eine Speicherung unwahrer Tatsachen schließen lassen.

Doch auch das Landesarbeitsgericht lehnte die Verurteilung des Unternehmens zur Gewährung der Einsicht in die Personalakte ab. Unter anderem wurde dies damit begründet, dass ein berechtigtes Interesse nicht mehr bejaht werden kann. Das Interesse des Klägers, insgesamt nicht falsch beurteilt zu werden, sei in einem inzwischen beigelegten Zeugnisrechtsstreit beigelegt worden. Anhaltspunkte dafür, dass das Unternehmen gegenüber Dritten Angaben zum Inhalt der Personalakte mache oder diesen Einsicht gewähre, seien nicht ersichtlich.

Die daraufhin erfolgte Revision des Klägers war vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Dieser verurteilte das Unternehmen, dem Kläger Einsicht in seine Personalakte zu gewähren. Der Arbeitnehmer hat dem Urteil zufolge auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse daran, den Inhalt seiner fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Anspruch folgt allerdings nicht aus § 34 BDSG. Darin heißt es:

  1. Der Arbeitnehmer hat das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Er kann hierzu ein Mitglied des Betriebsrats hinzuziehen. Das Mitglied des Betriebsrats hat über den Inhalt der Personalakte Stillschweigen zu bewahren, soweit es vom Arbeitnehmer im Einzelfall nicht von dieser Verpflichtung entbunden wird.
  2. Erklärungen des Arbeitnehmers zum Inhalt der Personalakte sind dieser auf sein Verlangen beizufügen.

Die dort geregelten Ansprüche auf Auskunft und Einsicht gelten noch nicht für nur in Papierform dokumentierte personenbezogene Daten. Zurzeit befindet sich ein entsprechendes Änderungsgesetz in der parlamentarischen Beratung.

Das Gericht berief sich in seinem Urteil vielmehr auf § 241 Abs. 2 BGB: Der Arbeitgeber hat demnach im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Hierzu zählt auch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers resultierende Recht auf informationelle Selbstbestimmung. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)