EuGH: Gebrauchte Softwarelizenzen dĂĽrfen weiterverkauft werden
Der Europäische Gerichtshof hat jetzt sein langerwartetes Urteil im Fall Oracle gegen UsedSoft verkündet und dem Softwarehersteller eine herbe Niederlage zugefügt.
Der jahrelange Streit zwischen Oracle und UsedSoft hat am heutigen 3. Juli 2012 ein Ende gefunden und damit auch die Rechtsunsicherheit, die Kunden und Händler so lange Zeit zittern ließ. Doch nun hat der Europäische Gerichtshof endlich sein langerwartetes Urteil gesprochen (Az. C-128/11) und klargestellt: Ein Softwarehersteller kann den Weiterverkauf seiner "gebrauchten" Lizenzen nicht verbieten. Sein ausschließliches Recht zur Verbreitung derart lizenzierter Programmkopien erschöpft sich mit dem Erstverkauf.
Der Hintergrund des Falls: Oracle entwickelt und vertreibt unter anderem "Client-Server-Software", die hauptsächlich per Download über das Internet auf dem Rechner des Kunden landet. Der dazugehörige Lizenzvertrag gewährt dem Käufer ein Nutzungsrecht an diesem Programm sowie die Erlaubnis, eine Kopie dieses Programms dauerhaft auf seinem Server zu speichern und bis zu 25 Nutzern Zugriff darauf zu gewähren. Diese Nutzer dürfen ebenfalls eine Kopie des Programms auf ihren jeweiligen Rechner laden. Laut Lizenzvertrag erwirbt der Kunde ein unbefristetes und nicht abtretbares Nutzungsrecht, das ausschließlich für seine internen Geschäftszwecke gilt. Außerdem bekommt er im Rahmen eines Software-Pflegevertrags Zugriff auf Updates und Patches, die ebenfalls von der Oracle-Internetseite heruntergeladen werden können.
UsedSoft handelt mit "gebrauchter Software" und hat unter anderem Oracle-Kunden solche Lizenzen abgekauft und an seine Kunden weitergegeben. Die Käufer dieser gebrauchten Softwarelizenzen sind dann natürlich noch nicht im Besitz der Software selbst und müssen diese ebenfalls von der Oracle-Seite herunterladen. Das wollte Oracle dem Gebrauchtsoftwarehändler untersagen. Der Bundesgerichtshof, der letztinstanzlich über diesen Rechtsstreit zu entscheiden hatte, hat den Europäischen Gerichtshof gebeten, die Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen in diesem Zusammenhang auszulegen.
Laut dieser Richtlinie erschöpft sich das Recht zur Verbreitung einer Programmkopie in der Union mit dem Erstverkauf dieser Kopie durch den Urheberrechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung. Soll heißen: Der Rechtsinhaber, der die Programmkopie in einem Mitgliedstaat der Union verkauft hat, hat keine Möglichkeit, sich gegen den Weiterverkauf dieser Kopie zu wehren. Oracle legte die Richtlinie allerdings so aus, dass dieser Erschöpfungsgrundsatz sich nicht auf Nutzungslizenzen für aus dem Internet herunterzuladene Computerprogramme bezieht.
Das sieht der Europäische Gerichtshof aber anders und stellte nun fest, dass der Grundsatz eben nicht nur gilt, wenn die Kopien der Software auf einem Datenträger (CD-ROM oder DVD) vermarktet, sondern auch, wenn er sie per Download verbreitet werden. Stellt der Urheberrechtsinhaber seinem Kunden nämlich eine – körperliche oder nichtkörperliche – Kopie zur Verfügung, und schließt er gleichzeitig gegen Zahlung eines Entgelts einen Lizenzvertrag, durch den der Kunde das unbefristete Nutzungsrecht an dieser Kopie erhält, so verkauft er diese Kopie an den Kunden und erschöpft damit sein ausschließliches Verbreitungsrecht, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.
Durch ein solches Geschäft werde das Eigentum an dieser Kopie übertragen. Somit kann sich der Rechtsinhaber dem Weiterverkauf dieser Kopie nicht mehr widersetzen. Das gilt selbst dann, wenn der Lizenzvertrag eine spätere Veräußerung eigentlich untersagt.
Außerdem stellte das Gericht fest, dass sich die Erschöpfung des Verbreitungsrechts auch auf die verbesserten und aktualisierten Fassungen bezieht. Denn selbst wenn der Wartungsvertrag befristet ist, seien die aufgrund eines solchen Vertrags verbesserten, veränderten oder ergänzten Funktionen noch Bestandteil der ursprünglich heruntergeladenen Kopie und dürften vom Nutzer ohne zeitliche Begrenzung genutzt werden.
Unzulässig ist es laut Gericht aber, die Software für den Weiterverkauf zu kopieren. Der Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen, die vom ursprünglichen Käufer nicht mehr gebraucht werden, ist in Zukunft aber erlaubt. Der Käufer darf sich die Programmkopie inklusive aller Updates und Patches dann von der Seite des Herstellers holen.
In einer Randbemerkung weist das Gericht allerdings auch darauf hin, dass eine Aufspaltung der von Oracle verkauften 25er-Lizenzpakete ohne Zustimmung des Softwareherstellers nicht zulässig ist. Ein Lizenznehmer, der zwei Lizenzpakete für 50 User erworben hat, davon aber beispielsweise nur 27 Lizenzen nutzt, ist demnach nicht berechtigt, die ungenutzten 23 Lizenzen weiterzuverkaufen. Das Gericht begründet diese Einschränkung damit, dass sonst ja zusätzliche Kopien der Software entstehen würden. Beim Weiterverkauf müsste der Veräußerer stattdessen alle Kopien der verkauften Lizenz vernichten. Dem Softwarehersteller räumte das Gericht zudem das Recht ein, über geeignete technische Maßnahmen sicherzustellen, dass es keine unzulässigen Mehrfachkopien der Software gibt.
In einer ersten Reaktion äußerte sich Oracle überrascht über das Urteil. "Unserer Ansicht nach ist dies nicht das Ende der Rechtsentwicklung. Wir vertrauen darauf, dass die EU-Mitgliedstaaten ebenso wie die Europäische Kommission alles in ihrer Macht stehende tun werden, um die Innovationen und Investitionen der europäischen Technologiebranche zu schützen," heißt es dort. (gs)