Festplatten: verfügbar, aber überteuert

Der Handel ist sauer! Sprechen Hersteller und Analysten von einem Preisaufschlag um die 10 Prozent, wollen Distributoren zum Teil das Dreifache für eine Platte. Halten zudem Lieferanten zu Gunsten schneller Gewinne Absprachen nicht ein, wächst der Unmut.

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Von
  • Matthias Parbel
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Im Vergleich zu Anfang Oktober haben sich die HEKs für interne Desktop-Platten verdoppelt bzw. verdreifacht. Momentan haben die Kurse von heute, morgen keine Gültigkeit.

Der Ratlosigkeit folgte die Raffgier. Im 4-Wochen-Rückblick hat sich beispielsweise der HEK für eine interne 1-TByte-Platte (3,5 Zoll) verdreifacht. Konnten Reseller diesen Typ in der KW 40 Anfang Oktober ab rund 40 Euro einkaufen, sollen sie nun fast 120 Euro dafür bezahlen. Allerdings langt auch der Handel kräftig hin. In der Münchener Innenstadt hat sich unter anderem der (Verkaufspreis eines 2-TByte-Laufwerks) von knapp 62 Euro, vor der Flut in Thailand, mittlerweile auf 185 Euro erhöht.

Die Distribution zeigt sich in Sachen Festplatten-Allokation relativ zugeknöpft und gibt bestenfalls Durchhalteparolen von sich. Man versuche alle so fair wie möglich zu beliefern und sei weiterhin mit den Lieferanten in Gesprächen. Über überzogene Preise mag man keine Auskunft geben.

"Liefern war bislang nicht das Problem, die Frage ist dabei nur der Preis", erklärt ein Händler aus Baden-Württemberg gegenüber heise resale. "Die Lieferanten machen zur Zeit Kasse! Die Preise stehen in keinem Verhältnis mehr, schaut man sich die Preise bei Amazon an, wird das schnell deutlich. Dort kosten die Platten zwar deutlich mehr, aber eben nicht gleich mal das 3,x fache – dafür sind sie dort aber auch nicht immer sofort lieferbar."

"Die Distributoren blocken viel Ware und die Preise sind vollkommen überzogen", schimpft ein auf Speichersysteme spezialisierter Integrator aus Solingen. "Ein großer deutscher Disti hat uns 160-GByte-Drives bei einer 100er Stückzahl für 73,50 Euro angeboten. Der normale Preis lag bisher eigentlich bei etwa 27 Euro."

Business-Kunden reagieren bisher größtenteils verständnisvoll, wenn ihnen die Problematik ehrlich geschildert wird. Wer nicht anders kann, kauft zum aktuellen Tageskurs oder der Kunde ändert die Konfiguration, um im Budget zu bleiben. Speziell bei Speichersystemen wird nur das Minimum integriert, mit der Option, später weitere Laufwerke hinzuzufügen. In den letzten Jahren war es eher üblich ein vollbestücktes RAID zu erwerben, auch wenn die Kapazität noch gar nicht benötigt wurde. Mit dem neuen Preisgefüge sieht dies nun anders aus. Da warten die Kunden lieber ab und rüsten im kommenden Sommer nach, wenn die Laufwerkspreise wieder ein erträgliches Maß erreichen – so die Hoffnung.

Ab wann die Produktion wieder anlaufen kann, steht nach wie vor nicht fest. Experten gehen davon aus, dass es nach der Flut mindestens 56 Tage dauern wird. Zudem lassen sich die überschwemmten Fertigungsanlagen vermutlich nur in Teilen wieder in Betrieb nehmen. Wie zu hören ist, unterstützt Thailand die Industrie sehr massiv. Immerhin gehört Western Digital zu den größten Arbeitgebern. Die Infrastruktur wieder aufzubauen, dürfte indes ein hartes Stück Arbeit sein.

Laut iSuppli werden im vierten Quartal mit 125 Millionen Stück in etwa 27,7 Prozent weniger Harddisks ausgeliefert als im Q3/2011 (173 Mio.). Die Marktforscher erklären, dass dies eine zehnprozentige Preiserhöhung mit sich bringen werde. Eine Größenordnung, die aber nichts mit der Realität in diesem Tagen zu tun hat.

Grundsätzlich sind die Anbieter nicht wirklich traurig über die gestiegenen Preise. Es eröffnet allen die Chance, wieder etwas mehr an Festplatten zu verdienen. Die nicht vorhandene Planungssicherheit und Lieferanten, die nicht zu ihrem Wort stehen, treiben den Beteiligten allerdings die Zornesröte ins Gesicht. Für einige ist die Raffgier von heute keine Investition in die Zukunft.

Ein im Raum München angesiedelter Hersteller von RAID-Systemen berichtet von nicht eingehaltenen Preisabsprachen. "Wir hatten 20 Festplatten bestellt, die pro Tag in 5er Chargen versendet werden sollten. Das war für uns in Ordnung, hatten aber einen fixen Kurs für die Gesamtbestellung vereinbart. Lieferung eins und zwei kamen wie geplant, bei Lieferung drei und vier hat der Distributor ohne Absprache den Preis um 25 Prozent erhöht. Wenn uns das nicht passt, könnten wir die Platten ja zurücksenden. Beschweren konnten wir uns nicht, weil die Teamleiter nicht erreichbar waren und auf Bitten auch nicht zurückgerufen haben. Diese Kurzsichtigkeit hat zur Folge, dass wir den Lieferanten gesperrt haben."

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Bei der Preisbeobachtung unterstützten uns:

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Ingram Micro GmbH

Die gute Nachricht für den Handel lautet: Es sind Produkte verfügbar. Allerdings sind langjährige Geschäftsbeziehungen nicht zwangsläufig etwas Wert. Die Liefersituation wird sich vermutlich im November weiter zuspitzen, denn die vorproduzierte Ware erreicht nun den Markt, der wirkliche Engpass kommt daher erst noch. Die Nachfrage geht aufgrund der hohen Preise allerdings bereits deutlich zurück. Der Jahreswechsel sollte das Segment weiter bremsen und für stabilere Preise sorgen. Speziell der deutsche Markt ist dafür bekannt, hohe Preise schnell mit Kaufzurückhaltung zu quittieren. Kritiker halten daher verstärkte Graumarktaktivitäten im neuen Jahr durchaus für möglich, was sinkende Preise zur Folge hätte. Solange Thailand aber noch unter Wasser steht, gleicht jede Prognose einem Blick in die Glaskugel. (map)
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