Für immer und ewig?

Das Internet vergisst nicht. Noch Jahre, nachdem man Informationen ins Netz gestellt hat, sind sie dort zu finden. Wer auf einen guten Ruf angewiesen ist, sollte darauf achten, was er über sich im Internet preisgibt.

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Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Georg Schnurer

"Spuren im Internet können die Karriere stoppen." Mit solchen Titeln warnen Zeitungen regelmäßig davor, unüberlegt Informationen über die eigene Person auf Webseiten zu hinterlassen, die man später bereut. Fast jeder fünfte Deutsche (18 Prozent) hat bereits Informationen über sich im Internet veröffentlicht, in der Generation der 14- bis 29-Jährigen ist es gar jeder Zweite, meldete kürzlich der Branchenverband Bitkom. Und nicht nur für Stellenbewerber, auch für Unternehmen ist es wichtig, einige Spielregeln bei der Selbstdarstellung im Internet einzuhalten.

Brisant ist es ebenfalls, wenn sich Dritte über eine andere – natürliche oder juristische – Person auslassen und Informationen bereitstellen. Rechtliche Ansprüche können in manchen Fällen zwar helfen, das Schlimmste zu vermeiden, in manchen Fällen jedoch nicht. Zudem ist die Durchsetzung rechtlicher Ansprüche häufig mit einigem Nerven- und Geldaufwand verbunden. Und selbst dann bleiben oft digitale Spuren zurück, die noch nach vielen Jahren präsent sind.

Um sich einen Überblick über die juristische Lage bei missliebigen Informationen im Internet zu verschaffen, muss man zunächst nach deren Herkunft fragen. Hat man sie selbst oder durch einen Vertreter in das Internet stellen lassen, ist die rechtliche Situation eine gänzlich andere, als wenn unabhängige Dritte Informationen über eine Person oder Firma veröffentlichen.

Wie wichtig die Kontrolle über die eigene Identität im Internet ist, zeigt eine Befragung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) im Herbst 2007. Ihr zufolge prüft ein Drittel der Personalvermittler die virtuellen Spuren eines Bewerbers, bevor er eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommt. Dabei haben schon die Hälfte der Personalvermittler Bewerber wegen zweifelhafter Informationen aus dem Internet aus dem Verfahren genommen.

Den gröbsten Image-Schaden verhindern

Mit Dienstleistern im Bereich Image-Management kann man zwar Einfluss auf die Anzeige von Treffern in Suchmaschinen nehmen und die unliebsamen unter ihnen im Suchergebnis nach hinten rutschen lassen. Claim-ID, Spock, myON-ID, Naymz, Yasni et cetera können Internet-Informationen aber nicht beseitigen. Wer missliebiges Material entfernt wissen möchte, kann sich natürlich an den jeweiligen Diensteanbieter wenden und ihn darum bitten. Was aber, wenn dieser dem Ansinnen nicht nachkommt oder gar erhebliche Gebühren dafür verlangt?

Auf der diesjährigen Konferenz "Computers, Freedom, and Privacy 2008" (CFP) in New Haven, USA, wurde die Forderung nach einem "Eigentumsrecht" an persönlichen Daten laut. Einem solchen Recht könnte – ähnlich dem Urheberrecht oder dem Patentrecht – verfassungsrechtlicher Schutz zukommen, womit man die Durchsetzung von Ansprüchen etwa auf Löschung persönlicher Daten in sozialen Netzwerken et cetera wesentlich verbessern würde.

Auch in Deutschland gibt es Überlegungen, dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Verfassungsrang einzuräumen und das Grundgesetz entsprechend zu ändern. Hierzulande ist man durch das Datenschutzgesetz aber schon vergleichsweise gut gegen den Missbrauch eigener personenbezogener Daten und Informationen geschützt. Vor beleidigenden Meinungsäußerungen gegen die eigene Person schützen Strafgesetzbuch sowie Bürgerliches Gesetzbuch.

Wer Unwahrheiten über andere verbreitet, kann auf Unterlassung und Beseitigung etwa von Einträgen auf Webseiten in Anspruch genommen werden. Zudem muss er die Kosten dafür tragen. Zwar gibt es das von der Verfassung geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung. Es wird jedoch nicht – wie es in der Fachsprache heißt – schrankenlos gewährt. Kurz gesagt hört es da auf, wo die schutzwürdigen Interessen anderer beginnen und überwiegen.

Onlinearchive – das Gedächtnis des Internets

Wer selbst Informationen über sich preisgibt, hat es da schon schwerer, seine Interessen rechtlich durchzusetzen. Auf der eigenen Webseite kann man heikle Passagen einfach ändern oder vom Netz nehmen. Das ist noch relativ einfach zu beherrschen. Problematisch sind dann nur noch die Onlinearchive (zum Beispiel www.archive.org), da man mit ihrer Hilfe Webseiten auch noch Jahre nach dem Entfernen ausfindig machen und anzeigen lassen kann. Immerhin sind die betroffenen Inhalte nicht mehr online und nach einer Weile meist auch über den Cache-Speicher von Suchmaschinen nicht mehr auffindbar.

Begibt man sich mit seiner Identität in soziale Netzwerke wie StudiVZ, Facebook oder Xing), kann man sich unter Umständen ebenfalls an den Betreiber wenden und um Löschung nachsuchen. Überdies existieren häufig – wenngleich an versteckter Stelle – Möglichkeiten, sein Profil aus einem solchen Netzwerk vollständig zu löschen. Gegen die missbräuchliche Verwendung persönlicher Angaben durch den Plattformbetreiber, etwa durch Profilerstellungen, die anderen Nutzern zugänglich gemacht werden et cetera, schützt in Deutschland das Telemediengesetz und das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Darüber hinaus bestehen umfassende datenschutzrechtliche Grenzen, auf die der Anbieter achten muss.

Hierauf hat auch der "Düsseldorfer Kreis", das Koordinationsgremium der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden für den nichtöffentlichen Bereich hingewiesen. Auf ihrer Sitzung im April 2008 zum Datenschutz bei sozialen Netzen im Internet erläuterten sie die Anbieterpflichten. Insbesondere aus dem Telemediengesetz ergibt sich die Verpflichtung, die Nutzer umfassend zu unterrichten, sowie das Recht des Nutzers zum Widerspruch bei der Verwendung von Profil- und Nutzungsdaten. Weiter trifft den Anbieter die Pflicht zur Löschung von Nutzungsdaten, wenn er sie nicht oder nicht mehr zur Abrechnung benötigt.

Nur wenn eine wirksame Einwilligung des Betroffenen (die dieser auch widerrufen kann) vorliegt, darf eine weitergehende Nutzung erfolgen. Ausdrücklich wiesen die Datenschutzbehörden darauf hin, dass eine "vorauseilende Speicherung von Daten über die Nutzung sozialer Netzwerke (...) für eventuelle zukünftige Strafverfolgung" unzulässig ist, da dafür keine Rechtsgrundlage besteht. Vielmehr müsse grundsätzlich eine anonyme oder pseudonyme Nutzung solcher Dienste möglich sein, und es sind "datenschutzfreundliche Standardeinstellungen" vorzusehen.

Nach Auffassung von BMI-Staatssekretär Peter Altmaier gehen die größten Gefahren für die informationelle Selbstbestimmung derzeit von der privaten Internet-Nutzung aus, so Altmaier im April auf einer Tagung der Gesellschaft für Informatik. Dies belege auch das Beispiel von monster.com aus dem vergangenen Jahr. Der Internet-Jobbörse waren durch Datendiebstahl 1,3 Millionen Datensätze mit Lebensläufen und Bewerbungsunterlagen abhanden gekommen. Einen Missbrauch dieser Datensätze kann man wohl nicht mehr verhindern. Dem Betroffenen drängt sich aber die Frage nach Schadensersatz auf, wenn beispielsweise IT-Sicherheitsstandards grob vernachlässigt wurden.

Schwierig ist ebenso die Frage nach einem Anspruch auf Löschung eines eigenen Kommentars oder einer Meinungsäußerung beispielsweise in einem Internet-Forum. Gerichtsentscheidungen aus diesem Bereich sind noch nicht bekannt. Juristisch ist hier von Bedeutung, welche vertraglichen Beziehungen zwischen Nutzer und Betreiber bestehen, die Regelungen zu einem Löschungsanspruch enthalten können.

Wenn es in einem Forum technisch keine Option gibt, eigene Äußerungen auch wieder selbst zu löschen, sieht es für den Nutzer meist nicht so gut aus. Die AGB der Betreiber sehen Löschungsansprüche in den allerwenigsten Fällen vor. Aus dem Gesetz lässt sich ein solcher Anspruch nur schwerlich herleiten. Denn immerhin hat der Nutzer – es sei denn die konkreten Umstände des Einzelfalls deuten auf eine zeitlich befristete Einräumung einer Veröffentlichungsbefugnis für den Betreiber hin – selbst den Beitrag ins Netz gestellt.

Kein gesetzlicher Löschanspruch

Da es also an klaren gesetzlichen Regelungen fehlt und auch die AGB nicht weiterhelfen, bleibt nur, mit vertraglichen Nebenpflichten zu argumentieren. Vielleicht dringt man vor Gericht mit der Begründung durch, der Betreiber habe wegen dieser Pflichten auf die berechtigten Interessen des Nutzers angemessen Rücksicht zu nehmen. Wenn dieser ein überwiegendes Interesse an einer Löschung hat, etwa weil sich der Beitrag in einem Bewerbungsverfahren sonst nachteilig auswirken könnte, müsste ein solcher Anspruch wenigstens in eindeutigen Fällen gerichtlich durchsetzbar sein. Problematischer und unter Umständen auch deutlich teurer wird es, wenn der Forenbetreiber seinen Sitz im Ausland hat und das Gericht eines anderen Landes in Anspruch zu nehmen ist.

Auf der (fast) sicheren Seite ist man, wenn man Forenbeiträge nur unter Pseudonym verfasst und man davon ausgehen kann, dass der Forenbetreiber den tatsächlichen Namen nicht ohne Weiteres an Dritte herausgibt. Da die staatlichen Stellen im Ernstfall Zugriff auf diese Nutzerdaten haben, schützt das Schreiben unter Nickname aber nicht vor einer strafrechtlichen Verfolgung, etwa wegen Beleidigung.

Juristisch nicht eindeutig zu lösen ist der Fall, dass jemand seine Meinungsäußerung zunächst als Leserbrief an ein Printmedium schickt, dieses den Brief aber anschließend im Internet veröffentlicht – was für den Schreiber vielleicht nicht unbedingt vorhersehbar war. Auch hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Zunächst einmal muss man klären, ob "Leserbriefbedingungen" gelten, denen sich der Leser unterworfen hat. Steht darin, dass eine Nutzung außer in der gedruckten Zeitschrift auch im Internet gestattet ist, ist der Fall klar. Eine Veröffentlichung im Internet durch den Verlag ist statthaft.

Wenn das nicht der Fall ist und der Leser nicht aus den Umständen schließen konnte, dass eine solche Veröffentlichung erfolgen würde, greift gegebenenfalls das Urheberrechtsgesetz. Hat der Leserbrief eine bestimmte Schöpfungshöhe – vulgo Originalität – und ist somit urheberrechtlich geschützt, wäre seine Veröffentlichung im Internet eine Änderung der Nutzungsart und könnte vom Leser untersagt werden.

Aber auch wenn kein Urheberrechtsschutz besteht, ist der Leser nicht grundsätzlich schutzlos. Da eine Verbreitung einer Lesermeinung im Internet eine ganz andere Öffentlichkeitswirkung hat als in einer Zeitschrift, wird man juristisch wohl eine Abwägung der Interessen des Verlags und des Autors vornehmen müssen. Ist das Persönlichkeitsrecht des Lesers berührt, dürfte dies in den meisten Fällen den Ausschlag geben. Unterschiede dürften gerade zwischen Tageszeitungen mit hoher Auflage und Fachzeitschriften mit kleiner Auflage bestehen. Urteile aus diesem Bereich sind ebenfalls noch nicht bekannt.

Fazit

Das Internet droht für viele zur Falle zu werden, wenn sie darin ihre Meinung allzu offen kundtun und dies beispielsweise bei einem Bewerbungsgespräch oder der Gründung einer Firma negativ zu Buche schlagen könnte. Durch Suchmaschinen wie Yasni ist es binnen Sekunden möglich, sich einen Überblick über die Netzaktivitäten einer Person zu verschaffen. Wer nicht gerade einen Allerweltsnamen hat, bei dem der Einzelne unter einer Vielzahl Gleichnamiger untergeht, sollte vorsichtig sein. Zwar kann man seine Einträge in sozialen Netzwerken in der Regel auch wieder löschen, sicheren Schutz vor nachträglichem Auffinden – in Archiven etwa – bietet das aber nicht.

Wer seine eigene Meinung äußert, tut gut daran, dies nur unter einem Pseudonym zu tun oder bei Offlinemedien zu klären, in welcher Art und Weise Leserbriefe, Forenbeiträge et cetera durch den Verlag oder Betreiber verwendet werden. Kein Risiko geht ein, wer private Daten, persönliche Meinungen und Ähnliches gar nicht erst veröffentlicht. Die Nutzung eines Pseudonyms ist insbesondere bei Meinungsforen angebracht.

Andererseits kann die bewusste Streuung persönlicher Daten – etwa von Lebensläufen oder Tätigkeiten in sozialen Netzwerken – auch eine Form der Eigenwerbung sein. Wer verantwortungsbewusst damit umgeht und sich den Betreiber vorher etwas genauer ansieht, vermeidet (juristischen) Ärger und nutzt gleichzeitig das Internet auf geschickte Weise.

Tobias Haar, LL.M., ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht. (gs)