"Geld her!" leichter gemacht

Länderübergreifende Geschäfte sind in der EU inzwischen alltäglich. Treten Probleme bei Zahlung, Lieferung oder Reklamation auf, müssen Forderungen auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden. Dafür gibt es jetzt einheitliche, unkomplizierte Verfahren.

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Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Jasmin B. studiert in München. Als für eine bevorstehende Semesterarbeit ein neues Notebook fällig wird und sie sich für ein bestimmtes Modell entschieden hat, durchsucht sie das Internet nach dem Anbieter mit dem niedrigsten Preis. Fündig wird sie bei einem Versender in London. Sie zahlt per Kreditkarte; eine runde Woche später erhält sie die Lieferung.

Dass der Rechner aus der Themsestadt ein QWERTY-Tastaturlayout haben würde, war Jasmin klar und macht ihr nichts aus – ebenso wenig wie der hierzulande etwas exotisch anmutende Netzteilstecker. Was sie jedoch ganz und gar nicht okay findet, ist das Arbeitstempo ihres neuen Notebooks. Ein Blick auf ein Systemdiagnose-Tool verrät ihr: Statt des bestellten Core 2 Duo arbeitet im Inneren des Rechners bloß ein 723er-Celeron M.

Vereinbart war per AGB für dieses Geschäft die Anwendung britischen Rechts. Jasmin hat demnach als Verbraucherin nach Lieferung sieben Tage Zeit, ein Widerrufsrecht auszuüben. Sie entscheidet sich dafür, weil sie dies einfacher findet, als eine Mängelrüge auf Englisch abzufassen und sich auf das Hin und Her einer Nachbesserung einzulassen. So tritt das Notebook seinen Rückweg über den Ärmelkanal an. Was jedoch ausbleibt, ist die Erstattung des Kaufpreises. Der Versandhändler übt sich in gar nicht vornehmer Zurückhaltung und ignoriert mehrere Aufforderungen, den per Vorkasse erhobenen Betrag zurückzuzahlen.

Kurze Leitung München-London

Klassischerweise hätte die Studentin sich nun, um wieder zu ihrem Geld zu kommen, erst einmal über die Verfahrensordnung im vereinigten Königreich schlaumachen müssen, um dann den zivilrechtlichen Weg nach den dort üblichen Gepflogenheiten zu gehen. Ohne kostspielige anwaltliche Hilfe wäre dies eine sehr anspruchsvolle Aufgabe gewesen.

Seit Mitte Dezember des vergangenen Jahres geht es jedoch einfacher: Jasmin kann das neue Europäische Mahnverfahren [1] nutzen. Sie beantragt also mit Hilfe eines einheitlichen Standardformulars beim zuständigen englischen Gericht den Erlass eines Zahlungsbefehls.

Die hier erzählte Geschichte entspricht haargenau dem Beispiel, das das deutsche Bundesministerium der Justiz (BMJ) in seiner Mitteilung vom 30. Januar 2008 verwendete, um Auswirkungen des damals gerade vom Kabinett beschlossenen "Gesetzentwurfs zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung" zu illustrieren [2].

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries möchte mit einheitlichen gerichtlichen Verfahren Hürden für den Rechtsverkehr in Europa abbauen.

(Bild: Bundesministerium der Justiz)

Dass das Ministerium dabei ausgerechnet ein typisches Verbrauchergeschäft als Beispiel wählt, macht deutlich, wie stark der grenzüberschreitende Handel inzwischen nicht mehr bloß Unternehmen, sondern auch Privatleute betrifft. Trotz der möglichen Vorteile haftet Auslandsbestellungen aber klassischerweise der Geruch des Riskanten an. Was ist, wenn etwas schiefgeht? Lassen sich mögliche Forderungen oder Ansprüche gegen einen ausländischen Geschäftspartner überhaupt geltend machen – und wenn ja, mit welchem Aufwand?

Auf solche Befürchtungen bezog sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, als sie in einer Pressemitteilung vom 20. Juni 2008 erklärte: "Bislang konnten sprachliche Barrieren und die Unkenntnis der fremden Rechtsordnung Einzelne von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen abhalten. Das wollen wir ändern. Für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr werden für bestimmte Ansprüche europaweit einheitliche gerichtliche Verfahren geschaffen, die diese Hürden abbauen."

Was bloß wie eine schöne Absichtserklärung klang, ist seit Kurzem tatsächlich Realität: Es gibt zwei neue, einheitliche Instrumente, um Ansprüche grenzüberschreitend geltend zu machen. Seit dem 12. Dezember 2008 kann man Forderungen gegen einen im EU-Ausland mit Ausnahme von Dänemark ansässigen Schuldner mit Hilfe des bereits erwähnten Europäischen Mahnverfahrens stellen. Zudem steht für strittige Forderungen, die sich in einem Bereich bis zu 2000 Euro bewegen, in denselben Ländern ein Europäisches Verfahren zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen zur Verfügung [3].

Damit ist es jetzt möglich, relativ schnell und ohne Einschaltung eines Anwalts einen gerichtlichen Titel zu erwirken, der ohne weitere Zwischenschritte als Grundlage für eine Zwangsvollstreckung dienen kann. Beide Verfahren gehen auf EG-Verordnungen zurück. Das im Juni 2008 verabschiedete deutsche Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung (GrFordDuG – PDF) [4] hat sie konkretisiert und um die erforderlichen Durchführungsvorschriften ergänzt.

Europäisches Mahnverfahren

Die Einführung des Europäischen Mahnverfahrens zielt nicht etwa darauf ab, innerstaatliche gerichtliche Mahnverfahren zu ersetzen oder zu vereinheitlichen. Vielmehr soll es Gläubigern eine zusätzliche und effizientere Möglichkeit an die Hand geben, an einen im europäischen Ausland ansässigen Schuldner heranzukommen. Mit einigen in Artikel 2 der Europäischen Mahnverfahren-Verordnung (EuMahnVO) [1] genannten Ausnahmen kommt dieses Instrument für alle bezifferten Geldforderungen in Betracht, die aus einer "grenzüberschreitenden Zivil- oder Handelssache" hervorgehen.

Werden beispielsweise über eBay per Vorkasse im Ausland erworbene Waren nicht wie erwartet geliefert, stellt sich die Frage, wie der Kunde seinen Anspruch grenzüberschreitend durchsetzen kann.

Eingeleitet wird das Verfahren durch den Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls. Dieser Antrag wird in Papierform eingereicht oder "durch andere – auch elektronische – Kommunikationsmittel", sofern dies vor den zuständigen Gerichten zulässig ist (Art. 7 Abs. 5 EuMahnVO). Verwendet wird ein einheitlich gestaltetes Antragsformular. Dieses ist laut Benutzerhinweis "in der Sprache oder in einer der Sprachen auszufüllen, die das zu befassende Gericht anerkennt".

Welches aber ist "das zu befassende Gericht"? Hier offenbart sich ein Manko des Europäischen Mahnverfahrens, das auch in der Fachwelt auf Kritik gestoßen ist [5]. Während sich hierzulande die Zuständigkeit des Mahngerichts stets nach dem Wohnsitz des Antragstellers richtet [6], soll das Europäische Mahnverfahren normalerweise bei dem Gericht stattfinden, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Aufenthaltsort hat. Wer also in Deutschland wohnt, soll nicht befürchten müssen, mit einem Zahlungsbefehl eines ausländischen Gerichts konfrontiert zu werden und dann auch noch möglicherweise bei diesem dagegen Einspruch erheben zu müssen.

Das klingt einfach – aber die Zuständigkeitsfrage lässt sich letztendlich doch nicht ganz so schematisch beantworten. Tatsächlich bestimmt sich die Gerichtszuständigkeit beim Europäischen Mahnverfahren "nach den hierfür geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 44/2001" [7].

Diese "Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen" (EuGVVO), auch Brüssel-I-Verordnung genannt, enthält ein für juristische Laien kaum durchschaubares Regelungsgeflecht, bei dem die internationale Zuständigkeit eines Gerichts von den unterschiedlichsten Kriterien abhängen kann.

Zwar lässt sich aus der EuGVVO für viele Fälle deutschen Online-Verbrauchershoppings im Ausland eine deutsche Gerichtszuständigkeit ableiten (etwa nach Art. 5 Abs. 1 oder den Artikeln 15 und 16 EuGVVO). Letztlich ist das jedoch eine Frage des – mitunter sehr umstrittenen – Einzelfalls [8]. Wenn der Fall nach den Regeln der EuGVVO keine Anknüpfungspunkte für eine deutsche Gerichtszuständigkeit bietet, muss man den Europäischen Zahlungsbefehl in dem Land beantragen, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, und dabei dessen Landessprache verwenden. Nach dem Recht dieses Staates bemessen sich dann auch die Kosten des Verfahrens (vgl. Art. 25 EuMahnVO).

Wenn sich herausstellt, dass man als deutscher Gläubiger den Europäischen Zahlungsbefehl in Deutschland beantragen darf, stellt sich das weitere Vorgehen vergleichsweise unkompliziert dar: Nach § 1087 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist dann immer das Amtsgericht (AG) Wedding in Berlin zuständig.

Das Antragsformular vermeidet sprachliche und technische Hürden weitgehend, indem es Ankreuzfelder verwendet. Dennoch sind bestimmte, in Art. 7 Abs. 2 EuMahnVO aufgeführte Angaben erforderlich. Wenn das Ganze nicht korrekt ausgefüllt ist, räumt das Gericht dem Antragsteller die Möglichkeit ein, seinen Antrag zu vervollständigen oder zu berichtigen (Art. 9 EuMahnVO). Falls danach noch eine formale Voraussetzung für den Erlass des Zahlungsbefehls nicht erfüllt ist, weist das Gericht den Antrag zurück (Art. 11 EuMahnVO).

Ein Rechtsmittel gegen die Zurückweisung gibt es nicht, aber man kann den Antrag jederzeit erneut stellen. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind und der Antrag nicht offensichtlich unbegründet ist, "erlässt das Gericht so bald wie möglich und in der Regel binnen 30 Tagen nach Einreichung – einen Europäischen Zahlungsbefehl" (Art. 12 EuMahnVO). Es stellt ihn dem Antragsgegner zu (Art. 13, 14 und 15 EuMahnVO), verbunden mit der Belehrung, dass dieser innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung Einspruch dagegen einlegen kann (Art. 16 EuMahnVO).

Forderungen gegen Geschäftspartner lassen sich nun innerhalb von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union leichter geltend machen als zuvor.

Wenn der Antragsgegner von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, gibt es – wie im deutschen Mahnverfahren auch – zweierlei Szenarien: Beim ersten mündet das Mahnverfahren in ein gewöhnliches zivilrechtliches Verfahren. In dessen Rahmen muss der Gläubiger seinen Anspruch in allen Einzelheiten begründen und gegebenenfalls beweisen, dass er berechtigt ist. Das betreffende Klageverfahren ist vor dem örtlich zuständigen Gericht des Landes zu betreiben, das den Zahlungsbefehl erlassen hat.

Kommt es nach einem Einspruch nicht zu einem solchen Zivilverfahren, ordnet das Gericht – sofern dies beantragt wurde – die Beendigung des Mahnverfahrens an (Art. 17 EuMahnVO). Dies ist das zweite Szenario.

Wenn der Antragsgegner keinen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl einlegt, erklärt das Gericht diesen für vollstreckbar und übersendet ihn dem Antragsteller, damit der die Zwangsvollstreckung betreiben kann (Art. 18 EuMahnVO). Der so erlangte Vollstreckungstitel lässt sich dann in jedem EU-Mitgliedsstaat zwangsweise durchsetzen.

Trotz der missglückten Zuständigkeitsregelung und einiger noch offener Fragen im Detail [9] hat die Konzeption des Europäischen Mahnverfahrens durchaus ihre Vorzüge: Anders als das deutsche Mahnverfahren, bei dem man zunächst einen Mahnbescheid beantragen muss, um auf dessen Grundlage einen Vollstreckungsbescheid zu erlangen, ist es einstufig ausgestaltet. Das reduziert die Einspruchsmöglichkeiten des Anspruchsgegners und sorgt für ein vergleichsweise zügiges Verfahren. Hinzu kommt, dass ein Europäischer Zahlungsbefehl von allen Mitgliedsstaaten der EU anerkannt wird, ohne dass es hierfür weiterer Rechtsakte wie zum Beispiel einer gesonderten Vollstreckbarkeitserklärung bedarf. Aufs Ganze gesehen können Gläubiger nun also schneller als mit anderen Verfahren einen im Ausland anerkannten Vollstreckungstitel erlangen und dort Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie zum Beispiel eine Sach- oder Kontenpfändung einleiten.

Das Small-Claims-Verfahren

Das neue europäische Zivilverfahren für geringfügige Forderungen ("Small Claims") ist auf Streitwerte bis 2000 Euro beschränkt.

Das Europäische Mahnverfahren – wie übrigens auch das deutsche – empfiehlt sich immer dann, wenn eine Geldforderung im Raum steht, die der Schuldner voraussichtlich nicht bestreiten wird. Bei strittigen Sachverhalten oder wenn es nicht um eine Geldforderung, sondern beispielsweise einen Anspruch auf Warenlieferung geht, ist es zweckmäßiger, gleich ein Klageverfahren einzuleiten. Für grenzüberschreitende Handels- und Zivilsachen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – wiederum mit Ausnahme Dänemarks – sieht die EuSCVO (sogenannte Small-Claims-Verordnung) [3] in Ergänzung zum Europäischen Mahnverfahren ein einheitlich gestaltetes Klageverfahren vor. Dieses kommt allerdings nur dann zur Anwendung, "wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs beim zuständigen Gericht 2000 Euro nicht überschreitet" (Art. 2 EuSCVO).

Die Sprachregelung und die gerichtlichen Zuständigkeiten beim Small-Claims-Verfahren entsprechen denen beim Europäischen Mahnverfahren. Der sachliche Anwendungsbereich fällt hingegen etwas kleiner aus: So lassen sich zum Beispiel Ansprüche aus dem Arbeitsrecht oder aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten nicht mit dem Small-Claims-Verfahren verfolgen (Art. 2 EuSCVO). Es wird grundsätzlich schriftlich (Art. 5 Abs. 1 EuSCVO) und unter Verwendung standardisierter Formulare betrieben. Die Prozessparteien brauchen dabei keine Anwälte einzuschalten (Art. 10 EuSCVO). Bei diesem Verfahrensmodell sind die Hürden zudem bewusst niedrig gehalten, sodass man dabei auch in der Praxis ohne Rechtsvertreter auskommt.

Der Ablauf des Verfahrens gliedert sich in Einleitung, Durchführung und Abschluss. Zunächst reicht die klagende Partei ein Klageformblatt ein, das bestimmte Angaben zu dem erhobenen Anspruch und den Beweisen, die ihn stützen, enthält (Art. 4 EuSCVO). Dieses Formblatt stellt das Gericht dem Beklagten innerhalb von 14 Tagen nach Eingang zu – sofern es dem Kläger nicht zuvor Gelegenheit geben muss, seine Angaben zu vervollständigen oder zu berichtigen (Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 2 EuSCVO). Nach der Zustellung hat der Beklagte 30 Tage Zeit, um per Antwortformblatt auf die Klage zu reagieren (Art. 5 Abs. 3 EuSCVO). Danach muss das Gericht das Verfahren innerhalb von 30 Tagen entweder durch ein Urteil zum Abschluss bringen, die Parteien zu weiteren die Klage betreffenden Angaben auffordern, eine Beweisaufnahme durchführen oder eine mündliche Verhandlung ansetzen (Art. 7 EuSCVO).

Um das Verfahren schnell und unkompliziert zu gestalten, sieht die Small-Claims-Verordnung neben kurzen Fristen und einer formularorientierten Abwicklung einige weitere prozessuale Besonderheiten vor: So müssen die EU-Mitgliedsstaaten zum Beispiel dafür sorgen, dass die Parteien beim Ausfüllen der Formblätter praktische Hilfestellung erhalten (Art. 19 EuSCVO). Ferner sind die Parteien nicht dazu verpflichtet, eine rechtliche Würdigung der Klage vorzunehmen. Hingegen muss das Gericht sie, wenn nötig, über alle auftretenden Verfahrensfragen unterrichten (Art. 12 EuSCVO).

Außerdem müssen die Parteien bei einer mündlichen Verhandlung nicht unmittelbar anwesend sein. Sie kann auch per Videokonferenz oder mit anderen kommunikationstechnischen Mitteln durchgeführt werden, sofern das nötige Equipment verfügbar ist (Art. 8 EuSCVO). Auch Zeugen oder Sachverständige müssen ihre Aussagen nicht notwendigerweise am Verhandlungsort machen (Art. 9 EuSCVO).

Ob das Small-Claims-Verfahren sich in der Praxis als gelungener Wurf erweisen wird, lässt sich derzeit schwer einschätzen. Ähnlich wie beim Europäischen Mahnverfahren gibt es auch hier Schwachstellen – so wirft etwa Art. 12 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 EuSCVO Fragen auf: Das Gericht soll sich, soweit angemessen, um eine gütliche Einigung der Parteien bemühen, also möglichst einen Vergleich zustande bringen. Was immer in diesem Zuge vereinbart wird, lässt sich dann aber nicht mehr wie ein ergangenes Urteil grenzüberschreitend vollstrecken [10].

Trotz alledem verdienen die neuen Rechtsinstrumente, dass man ihnen Gelegenheit gibt, sich zu entwickeln. Mit der Schaffung einheitlicher Verfahren für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten ist zumindest ein wichtiger Schritt in Richtung eines unverkrampften internationalen Geschäftsverkehrs auch für Privatleute getan. (psz)

Forderungen geltend machen: Wichtige Begriffe

Gerichtliches Mahnverfahren

Mit seiner Hilfe lassen sich unstrittige Geldforderungen einfach und kostengünstig durchsetzen (§§ 688 ff. ZPO). Dabei prüft das Mahngericht nicht, ob dem Gläubiger der geltend gemachte Zahlungsanspruch auch tatsächlich zusteht. In Deutschland gibt es mittlerweile in jedem Bundesland ein zentrales Mahngericht, das die Mahnverfahren voll automatisiert durchführt. Das gerichtliche Mahnverfahren ist nicht zu verwechseln mit außergerichtlichen Mahnungen, die Privatpersonen und Firmen entweder selbst, per Rechtsanwalt oder Inkassobüro bei einem Zahlungsverzug im Vorfeld versenden und die den Charakter von Zahlungserinnerungen haben. Reagiert ein Schuldner auf solche Erinnerungen jedoch nicht, kann der Gläubiger ein gerichtliches Mahnverfahren anstrengen.

Mahnbescheid

Der formularmäßige Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids leitet das gerichtliche Mahnverfahren nach deutschem Verfahrensrecht ein. Nachdem das Mahngericht geprüft hat, ob der Antrag formell richtig ist, erlässt es den Mahnbescheid und stellt ihn dem Schuldner zu. Der hat dann zwei Wochen Zeit, Widerspruch dagegen einzulegen.

Vollstreckungsbescheid

Legt der Schuldner nicht oder nicht rechtzeitig Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, erlässt das Mahngericht auf Antrag des Gläubigers einen Vollstreckungsbescheid. Hiergegen kann der Schuldner innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einlegen. Tut er dies nicht, wird der Vollstreckungsbescheid rechtskräftig und so zu einem Vollstreckungstitel, auf dessen Grundlage der Gläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergreifen kann.

Europäischer Zahlungsbefehl

Ein Europäischer Zahlungsbefehl kann im Rahmen des Europäischen Mahnverfahrens beantragt und erlassen werden. Er ist das Pendant zum Mahn- und Vollstreckungsbescheid im deutschen Mahnverfahren, jedoch per se als Vollstreckungstitel im gesamten EU-Ausland (mit Ausnahme von Dänemark) anerkannt.

Vollstreckungstitel

Ein Vollstreckungs- oder Schuldtitel ist eine rechtliche – zumeist gerichtliche – Anordnung zur Zahlung beziehungsweise Vornahme, Duldung oder Unterlassung einer bestimmten Handlung. Das Vorliegen eines Vollstreckungstitels ist die Voraussetzung dafür, dass die in ihm enthaltene Anordnung auch zwangsweise (beispielsweise durch einen Gerichtsvollzieher) durchgesetzt werden kann.

Zwangsvollstreckung

Sie dient dazu, (privat-)rechtliche Ansprüche mit Hilfe bestimmter staatlicher Zwangsmittel (Geld- oder Sachpfändung, Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung) zu befriedigen.

Literatur

[1] Europäisches Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 (EuMahnVO).

[2] Nachricht des BMJ vom 30. 1. 2008

[3] Verordnung (EG) Nr. 861/2007 (PDF)des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (EuSCVO, sogenannte Small-Claims-Verordnung).

[4] GrFordDuG (PDF)

[5] Bartosz Sujecki, Das Europäische Mahnverfahren, in: Neue Juristische Wochenschrift 2007, S. 1623 ff. (mit weiteren Nachweisen)

[6] Dies ergibt sich aus den §§ 689 Abs. 2, Sätze 1 und 2, der Zivilprozessordnung (ZPO)

[7] EuGVVO

[8] Vgl. die Vorlagebeschlüsse des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 9. 7. 2008 (Az. VIII ZR 184/07) und 17. 9. 2008 (Az. III ZR 71/08) an den Europäischen Gerichtshof (EuGH)

[9] Umstritten ist etwa noch der genaue gerichtliche Prüfungsumfang; Unklarheiten gibt es auch über Fragen der Hemmung beziehungsweise des Neubeginns von Verjährungsfristen bei der Zurückweisung von Anträgen (vgl. hierzu Bartosz Sujecki, s. o.).

[10] Sebastian Nardone, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen (map)