Geschäftszweck: Meetings (?)

Teamplayer sind gut, aber ohne Einzelkämpfer geht in den Unternehmen auch nichts vorwärts. Problematisch wird es oft, wenn sie in Meetings aufeinandertreffen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Heike Käferle, Geschäftsführerin des Softwareunternehmens Team,

ich bin jetzt seit über einem Jahr selbstständig, und wissen Sie, was eines der Dinge ist, die ich am meisten daran schätze: So gut wie keine Meetings mehr! Herrlich, regelrecht eine Befreiung, ein Gewinn an Arbeits- und Lebensqualität, fast so wie damals, als ich endlich mit dem Rauchen aufgehört hatte.

Bei manchen Firmen hatte ich schon immer den Eindruck, dass ihr Geschäftszweck im Wesentlichen darin besteht, Meetings durchzuführen. Und es ist anzunehmen, dass jetzt in der Krise die Zahl der Meetings in den Unternehmen sogar noch zugenommen hat. Motto: Und wenn ich mal nicht weiterweiß, dann bild ich einen Arbeitskreis. Naja, und so ein Arbeitskreis, der muss sich natürlich treffen (meeten) und sich zusammensetzen und die Dinge von allen Seiten beleuchten und kreative Vorschläge erarbeiten. "Brainstorming" nennt man das dann gerne, und ich habe bereits vor ein paar Monaten an dieser Stelle ein paar Bemerkungen zu diesem Thema fallengelassen und mit einigen Klischees aufgeräumt.

Ich will das nicht wiederholen. Überhaupt ist zum Thema Meeting ja schon so viel geschrieben worden. Aber natürlich noch nicht von allen, wie man scherzhaft anfügen kann. Man kann ja auch nicht grundsätzlich Meetings verdammen, wer wollte bestreiten, dass es absolut auch sinnvolle und auch gut geführte Meetings gibt. Aber trotzdem sind sich alle einig: Wir sitzen zu oft, zu lang und mit zu vielen Personen in Meetings herum. Und die Ergebnisse stehen in keinem vertretbaren Verhältnis zum (Zeit-)Aufwand.

Hinter der überbordenden Meetingkultur steht die weit verbreitete Überzeugung von dem segensreichen Wirken von Teams. Also der Glaube, dass mehrere Menschen zusammen mehr erreichen als ein Einzelner. Das ist in dieser Pauschalität natürlich Mumpitz. Unsere Mütter und Väter wussten das. "Viele Köche verderben den Brei", sagten sie. So haben Experten beispielsweise herausgefunden, dass Gruppen 20 bis 50 Prozent weniger Ideen produzieren als Einzelne, und der Mangel an Quantität wurde nicht durch ein Plus an Qualität ausgeglichen.

Eine interessante Arbeit zu Meetings und Gruppenarbeit ist jetzt in der amerikanischen Zeitschrift "Journal of Applied Psychology" erschienen, und zwar unter der Überschrift "Information sharing and team performance: a meta-analysis". Die beiden Wissenschaftler Jessica Mesmer-Magnus und Leslie DeChurch haben Studien der letzten 22 Jahre ausgewertet, an denen insgesamt 4.800 Teams und mehr als 17.000 Menschen teilgenommen haben. Dabei kamen Sie zu interessanten Ergebnissen, die auch zum Teil landläufigen Meinungen widersprechen.

Ein wesentlicher Grund für die Ineffizienz von Teams besteht darin, fanden Mesmer-Magnus und DeChurch heraus, dass häufig Dinge besprochen werden, über die bereits alle Teammitglieder Bescheid wissen. Eine "offene" und "herrschaftsfreie" Diskussionskultur sei zwar für die Beziehung der Gruppenmitglieder und also für die Atmosphäre gut, unter Ergebnisgesichtspunkten aber nicht besonders zielführend (zu viel Gelaber und Ablenkung). Für mich besonders interessant: Am effektivsten arbeiteten Gruppen, je ähnlicher sich die Teammitglieder waren; für gewöhnlich achtet man bei der Zusammensetzung von Teams darauf, dass die Mitglieder möglichst unterschiedlich sind sowohl in Bezug auf ihre Persönlichkeit (blau, rot, gelb, grün etc.) als auch ihren fachlichen Hintergrund.

Für meinen Geschmack setzen gegenwärtig zu viele Firmen auf Team-Player und zu wenig auf starke Einzelkämpfer. Zumindest bekommt man den Eindruck, wenn man die Stellenausschreibungen liest. Dabei sind zum Beispiel die besten Vertriebler bekanntlich nicht im Rudel unterwegs. Und eine direkte Folge dieser Team-Glorifizierung scheint mir die längst aus dem Ruder geratene Meeting-Kultur zu sein. Es ist an der Zeit, hier wieder zu einem vernünftigen und ausgewogenen Verhältnis zu kommen. Das Software-Unternehmen, für das Sie, liebe Frau Käferle, Verantwortung tragen, heißt sogar Team; da würde es mich natürlich schon mal interessieren, wie Sie zu dieser Thematik stehen.

Beste Grüße

Damian Sicking

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