Händler machen mobil gegen Hersteller-Verbote

Hersteller aus allen Branchen machen es adidas nach und untersagen Händlern über Online-Marktplätze zu verkaufen. Hersteller haben dabei nur das Wohl der Kunden im Blick. Der Online-Handel sieht das anders und hat die Initiative "Choice in eCommerce" gegründet.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Robert Höwelkröger

Oliver Prothmann ist der Sprecher der Initiative "Choice in eCommerce".

(Bild: Choice in eCommerce)

Auf den ersten Blick schien die Meldung, dass Deuter, Lowa und Mammut nicht mehr über Marktplätze wie Amazon oder Ebay verkaufen wollen, relativ unscheinbar. Erst auf den zweiten Blick ist das Ausmaß einer solchen Entscheidung zu erahnen. Die Hersteller folgen mit ihrer Entscheidung adidas und untersagen all ihren Fachhändlern den Verkauf über Online-Marktplätze. Sie Begründen das Vorgehen mit fehlender Beratung, Verhinderung von Preisdumping und Eindämmung von Plagiaten. Viele andere Hersteller aus allen Branchen haben diesen Schritt auch schon vollzogen, weitere könnten und wollen folgen. Viele Händler sehen darin eine Gefährdung ihrer Existenz, erste Insolvenzen soll es aus diesem Grund bereits gegeben haben. Daher gründete sich die Initiative "Choice in eCommerce", die auf das Problem der Verbote und Beschränkungen von Seiten der Hersteller aufmerksam machen will. Die Initiative will in die Öffentlichkeit und hat eine Petition gestartet, die mittlerweile mehr als 5000 Menschen unterzeichnet haben. Heise resale sprach mit Oliver Prothmann, dem Sprecher der Initiative über Ziele und mögliche Folgen.

Was bezwecken Sie mit der Petition? Wann läuft diese aus und wen wollen sie konkret damit ansprechen?

Oliver Prothmann: Wir richten den Aufruf, die Petition zu unterzeichnen, an alle Online-Händler und versuchen auch die Verbraucher damit anzusprechen. Man kann noch bis September unterzeichnen. Die Petition ist für ganz Europa konzipiert worden und so erhalten wir auch viel Unterstützung aus dem Ausland. Nach Beendigung der Unterschriftenaktion wollen wir die Petition dann an den Bundestag und die Europäische Kommission übergeben, da auch europäisches Recht betroffen ist. Es soll aufgezeigt werden, dass hier Dinge in Gang kommen, die sehr besorgniserregend sind. Wir hoffen, dass eine Diskussion losgetreten wird. Zum anderen hoffen wir darauf, dass der ein oder andere Politiker sich der Sache vielleicht auch in seinem Bundestagswahlkampf annimmt und uns so noch mehr Aufmerksamkeit zu Teil werden lässt. Zudem wollen wir an die Hersteller appellieren, einmal darüber nachzudenken, ob es denn wirklich das richtige ist, was sie hier machen.

Die Hersteller berufen sich bei ihren Maßnahmen auf ein zwei Jahre altes Gesetz, das nun entsprechend ausgelegt wird, um den Handel auf Marktplätzen zu untersagen. Dabei geht es um die sogenannte europäische Logoklausel. Ein Hersteller kann den Verkauf seiner Ware auf einer Internetseite untersagen, wenn neben dem Logo des Herstellers und dem des Händlers noch ein drittes Logo zu sehen ist. Wir wollen ja gar nicht dieses Gesetz ändern, aber zum Umdenken anregen.

Wie wollen Sie die Rechte der Händler stärken?

Prothmann: Das Thema soll nicht an den kleinen Verhandlungstischen bleiben. Vielmehr wollen wir so auch darauf aufmerksam machen, dass neuerdings immer mehr Klauseln in den Verträgen zwischen Händlern und Herstellern auftauchen, die die Händler stark einschränken. Der Händlerkanal wird so abgeschnitten. Hersteller untersagen oftmals stationären Händlern den Online-Verkauf oder schreiben vor, wo sie verkaufen dürfen. Angeblich will man so den stationären Handel stärken. So ist aber der freie Handel in Gefahr und das haben viele Händler und Verbraucher erkannt. Bis jetzt haben wir schon mehr als 5000 Unterschriften zusammen. Zudem werden wir von vielen Seiten unterstützt, unter anderem vom Bundesverband für Online-Handel (BVOH). Wir wollen gemeinsame Lösungen anstoßen. Wir wollen mit Aufklärung dagegenhalten und Online-Händler ermutigen. Dabei hoffen wir vor allem auf eine Gruppendynamik, die die Hersteller dazu bewegen soll, einzulenken.

Was hoffen Sie zu erreichen?

Prothmann: Unser Ziel muss es sein, die verschiedenen Parteien an einen Tisch zu bekommen. Hersteller, Händler und Marktplätze müssen gemeinsam eine Lösung erarbeiten, wie künftig mit dem Thema umgegangen wird. Am meisten schaden diese Verbote und Beschränkungen doch dem Online-Handel und damit auch dem Verbraucher. Während der Händler immer mehr eingeschränkt wird, findet der Verbraucher einfach dauerhaft nicht mehr die Dinge, die er sucht. Die Hersteller dagegen sind so auf dem besten Weg, Monopolstellungen zu erlangen, die aber eben auch ein Risiko beinhalten, beispielsweise das überhöhter Preise. So stellen wir uns aber den freien Markt in Europa nicht vor. Nehmen wir mal als Beispiel die Fußball-WM 2014 in Brasilien. Wenn ein Händler ein Trikot einer teilnehmenden Mannschaft verkaufen will, so muss er beim Hersteller noch viel mehr dazu erwerben. Nur das Trikot alleine kann er vom Hersteller nicht kaufen. Das bedeutet, der Händler hat ein höheres Risiko und mehr Kosten, wodurch wiederum die Preise steigen. Diese Entwicklung stört uns und dagegen wollen wir vorgehen.

So soll ja auch das Kartellamt vor allem die Aktionen von adidas untersuchen. Spielen die Ihnen damit in die Karten, können Sie diese Vorgänge für sich nutzen? Worum dreht es sich da genau?

Prothmann: Erst einmal ist das Kartellamt neutral und autonom. Eine Einflussnahme ist nicht möglich. Einzelne Händler hatten gegen das Vorgehen von Herstellern wie adidas geklagt, da ihrer Ansicht nach durch die Beschränkungen gegen das Kartellrecht verstoßen wird. Das waren so viele, dass das Amt nun genau prüft, was an diesen Vorwürfen dran ist. Allerdings ist hier noch keine Entscheidung gefallen, sie soll aber noch in diesem Jahr folgen. Es wird vor allem untersucht ob Hersteller, Vertriebskanäle vorgeben dürfen und ob die Handlungen der Hersteller nicht den freien Handel stören. Viele Händler sind total verunsichert und haben Angst, ihre Existenz zu verlieren. In einigen konkreten Fällen mussten Händler auch bereits Insolvenz anmelden.

Die Hersteller argumentieren oftmals mit fehlenden Beratungsmöglichkeiten und Schutz des Markenimages, um Verbote zu rechtfertigen. Was entgegnen Sie denen?

Prothmann: Meiner Meinung nach sind diese Argumente oft aus der Luft gegriffen. Es ist ja nicht so, dass im stationären Handel übermäßig viel beraten wird, wenn man überhaupt einen Verkäufer findet. Ich bin der Ansicht, dass heute im Online-Handel mindestens genauso gut Beratung möglich ist. Oftmals sind viel mehr Informationen auf einen Blick zu erkennen. Dann wird die Ware nach Hause geschickt und kann dort 14 Tage getestet und sogar mit der gesamten vorhanden Garderobe abgeglichen werden. Das sind Vorteile, die der stationäre Handel so nicht bietet. Da auch in vielen Fällen die Atmosphäre im POS nicht gut ist, kann das Argument der Hersteller eigentlich so keinen Bestand haben. Vielmehr kann man im Online-Handel auch die gesamte Palette abbilden und Atmosphäre erzeugen. Da sind auch Vorgaben des Herstellers willkommen, wie etwas dargeboten werden soll. Hier wären die Online-Händler für Tipps oder Bestimmungen der Hersteller sogar dankbar.

Ein anderes beliebtes Argument ist das Preisdumping. Von diesem Thema distanzieren wir uns auch vehement. Allerdings müssen sich die Hersteller die Frage gefallen lassen, wo die billige Ware herkommt. Nur durch Lagerdruck oder Rabatte sind im Endeffekt niedrige Preise möglich. Ware wird dann billig in den Markt gepumpt und liegt häufig unter Einkaufspreis. Denn irgendwoher müssen die Händler, die Ware billig anbieten, diese ja auch her haben. Und wir sprechen hier nicht von gefälschten Produkten. Aber dazu machen Hersteller keine Angaben. Allerdings werden viele Artikel in anderen Ländern auch billiger hergestellt oder stammen aus Projektgeschäften. Hier wird nur gegen die Symptome gekämpft und nicht gegen die Ursachen und das prangern wir an.

Mammut, Deuter und Lowa machten es adidas nach und folgen sogar fast haargenau deren Argumentation. Werden weitere folgen? Können Sie das stoppen?

Prothmann: Eine wahre Flut an Herstellern ist gerade dabei, so kommt es uns vor, ihre AGBs zu ändern oder Verträge anzupassen. Aus immer mehr Branchen sind solche Aktivitäten zu hören. Nach Möbel, Sport, Elektro und Tiernahrung kommt nun auch die Nahrungsergänzungsmittelindustrie hinzu. Es hat mehr und mehr den Anschein, als werde da rigoros versucht, den Markt zu schließen. Schätzungsweise 50 Prozent der Hersteller hat bereits Verbote oder Beschränkungen in ihre Verträge und AGBs aufgenommen. Der Online-Handel will das so nicht hinnehmen, aber ob wir das stoppen können? Wir arbeiten daran und sind guter Hoffnung.

Sollten adidas und Co. mit ihrem Vorgehen durchkommen, ist dann die Zukunft des Online-Handels gefährdet?

Prothmann: Ja, dann ist der freie Online-Handel auf jeden Fall gefährdet. Handel, wie wir ihn heute kennen, wird es dann nicht mehr geben. Im Online-Handel sind ja auch viele Innovationen entstanden, aber auch die fallen dann künftig weg. Im Online-Handel steuern wir dann, so befürchten wir, auf eine Gleichschaltung zu. Alle Auftritte würden gleich aussehen. Die Hersteller würden die kompletten Geschäfte kontrollieren. Das sehen wir als Rückschritt an.

Oliver Prothmann ist Geschäftsführer der Applet-X GmbH in Berlin, die sich auf Dienstleistungen und Beratungen im e-Commerce spezialisiert hat. Das Unternehmen hat zudem mit chartixx ein Tool für den Online-Handel entwickelt, das Umsatz- und Geschäftszahlen statistisch analysiert. Zuvor war Prothmann viel auf Online-Marktplätzen unterwegs und hat unter anderem das nun nicht mehr existente ElectronicScout24 mit aufgebaut. Darüber hinaus war er bei Ebay und Paypal tätig und dort jeweils für gewerbliche Händler verantwortlich. (roh)