"Ich habe Rücken“ - das kann auch am Job liegen

Wenn Horst Schlämmer mal wieder jammert "Ich habe Rücken", dann können seine Beschwerden auch etwas mit seinem harten und entbehrungsreichen Job als stellvertretender Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts zu tun haben.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Trainerin und Coach Dorit Waeber,

gestern fühlte ich mich wie Horst Schlämmer, der stellvertretende Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts und Beinahe-Bundeskanzler ("Isch kandidiere"). Wieso ich mich so fühlte? Ich hatte Rücken, wie Schlämmer zu sagen pflegt. Also im ganzen Satz: Ich hatte Rückenschmerzen. Ganz furchtbare Rückenschmerzen sogar. Das fing vor ein paar Tagen an und wurde immer schlimmer. Ich konnte mich kaum noch bewegen. Meinen Termin in der Stadt musste ich absagen, weil ich die Schuhe nicht zubinden konnte. Wenn das nicht bald besser wird, dachte ich, dann bleibt mir nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Erstens: Ich geh zum Arzt. Oder zweitens: Ich such mir einen anderen Job. Was ich bis vor kurzem auch noch nicht wusste: Rückenschmerzen können ihre Ursache tatsächlich im Beruf haben, und zwar nicht nur bei Spargelstechern oder Gewichthebern. Die Schmerzklinik Göttingen hat herausgefunden, das Demotiviation und Stress am Arbeitsplatz bei vielen Betroffenen zu starken und anhaltenden Rückenschmerzen führen können. Und weil die Menschen eigentlich – also rein körperlich – kerngesund sind, helfen die üblichen medizinischen Therapien (Tabletten, Zäpfchen, Spritzen, Operation) nicht wirklich weiter.

Daher raten Fachleute wie Sie den Betroffenen dazu, den Job zu wechseln. Und dabei sind Sie, liebe Frau Waeber, gerne behilflich. Wie sieht Ihre Hilfe aus? Nun, Sie helfen uns unter Rückenschmerzen leidenden Menschen dabei, "eine Vision zu erarbeiten, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie anerkannt, glücklich und zufrieden von der Arbeit nach Hause kämen. Pflegen Sie ein paar Wochen lang diese Vision jeden Tag ein paar Minuten. Das hilft dabei, den inneren Antrieb zu wecken, um sich seinem Potential entsprechend zu verändern. Dann werden neue Lösungen leichter realisierbar." Liebe Frau Waeber, ich weiß Ihr großzügiges Angebot zu schätzen, aber sind Sie sicher, dass Visionen wirklich gegen Rückenschmerzen helfen? Und ehrlich gesagt, Visionen sind nicht mein Problem, davon habe ich selbst mehr als genug. Da brauch ich keine Hilfe. Mein Problem sind die Rückenschmerzen.

Aber das Thema ist ernst. Sagen wir es doch, wie es ist: Arbeit macht krank. Das ist die brutale Wahrheit. Gerade schlagzeilte noch Spiegel-online unter Bezugnahme auf eine Meldung des Statistischen Bundesamtes: "Jeder Zehnte findet seine Arbeit gesundheitlich belastend". Rund 2,4 Millionen Erwerbstätige leiden demnach an arbeitsbedingten Gesundheitsschäden, davon knapp eine Millionen an Rückenschmerzen. Besonders schlimm scheint auch die Lage der Beschäftigten in der IT-Branche zu sein. Wie Heise.de Anfang dieses Monats unter der Überschrift "Beunruhigende Gesundheitssituation in der IT-Industrie" berichtete, gab im Rahmen einer Untersuchung jeder zweite der befragten IT-Spezialisten an, immer wieder an die Grenze seiner Belastbarkeit zu stoßen oder diese Grenze sogar schon "in Form eines gesundheitlichen Zusammenbruchs" überschritten zu haben.

Vielleicht kann in dem einen oder anderen Fall tatsächlich ein Jobwechsel Linderung verschaffen, aber als generelles Rezept taugt dieser Rat doch wohl eher nicht. Man denke nur an die Gefahr, vom Regen in die Traufe zu kommen. Dann hat man am Ende zusätzlich zu seinen Rückenschmerzen auch noch rheumatische Beschwerden oder Haarausfall. Ich bin ja sowieso der Meinung, dass uns nicht nur die Arbeit krank macht, sondern das Leben an und für sich; und dann endet es auch noch mit dem Tode, meistens jedenfalls.

Na schön, und was mach ich jetzt mit meinen Rückenschmerzen? Job wechseln, zum Arzt gehen? Die eine Alternative ist so unattraktiv wie die andere. Vielleicht leg ich mich doch erst noch mal in Schonhaltung aufs Sofa und entwickle ein paar Visionen. Oder warten Sie: Hab ich nicht noch irgendwo diese Hape-Kerkeling-DVD? Dann lach ich mich einfach wieder gesund. Ist ja auch viel billiger als alles andere. Weisse Bescheid, Schätzilein?

Beste Grüße

Damian Sicking

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