Insolvent? Unternehmensberater sagen: "Selber schuld"

Die Münchener Unternehmensberatung MSG streut Salz in die Wunden derjenigen, die für ihr Unternehmen Insolvenz beantragen müssen. In vielen Fällen sei nicht die Krise, sondern "jahrelanges Missmanagement" für die Notlage verantwortlich.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Cemos-Geschäftsführer Jürgen Guhlich,

eigentlich wollte ich heute darüber schreiben, dass 95 Prozent aller Blogs Online-Leichen sind. Ist ja auch wirklich der Hammer, nicht wahr? Aber dann habe ich festgestellt, dass mir dazu außer dem Satz "Ist ja der Hammer, nicht wahr?" nichts einfiel. Trotzdem wollte ich Ihnen diese interessante Information nicht vorenthalten.

Außerdem erreichte uns gestern die Nachricht, dass Sie für das 1987 von Ihnen gegründete Unternehmen Cemos (Umsatz 2006: knapp 40 Millionen Euro) vor ein paar Tagen Insolvenz anmelden mussten. Schon wieder ein Unternehmer, der zu diesem Schritt genötigt ist! Ich war sehr erschrocken, als kürzlich gemeldet wurde, dass jeden Monat 200 bis 250 IT-Händler Insolvenz anmelden würden. In "normalen Zeiten" seien es 50 bis 80. Nachdem die ersten Monate dieses Jahres für viele IT-Unternehmen noch ganz gut liefen – manche fragten sich sogar, wo denn die Krise sei, von der sie in der Zeitung gelesen hätten –, wurde es ab April zäh und immer zäher. Viele IT-Händler sehen sich vor der Herausforderung, einen "Dreifrontenkrieg" zu führen: An der einen Front kämpfen sie mit der nachlassenden Auftragslage, an der anderen mit säumigen Zahlern und Zahlungsausfällen und an der dritten mit den Banken, welche die nötigen Kredite verweigern. Kein Wunder, dass angesichts dieser Herausforderung zahlreichen Unternehmen die Luft ausgeht.

Dass die IT-Firmen mit dieser Problematik nicht allein dastehen, ist kein Trost. Im Gegenteil: Jede Firma, die in Schwierigkeiten gerät oder sogar ihre Rolläden herunterlassen muss, ist für die IT-Anbieter ein (potenzieller) Kunde weniger. Nach Angaben der Wirtschaftsauskunft Creditreform haben im ersten Halbjahr dieses Jahres rund 16.650 Firmen einen Insolvenzantrag gestellt. Eine Steigerung gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14 Prozent. Für das Gesamtjahr erwartet Creditreform insgesamt rund 35.000 Firmenpleiten, 18 Prozent mehr als 2008.

So, und als ob das für die Betroffenen nicht alles schon deprimierend genug wäre und man sich am liebsten im Bett verkriechen würde, kommt jetzt eine Unternehmensberatung daher und behauptet, die meisten insolventen Firmen seien an Ihrem Schicksal selber schuld. Die Mehrzahl der Insolvenzen der vergangenen Monate seien das Ergebnis jahrelangen Missmanagements, behauptet die Munich Strategy Group (MSG) laut einem Artikel in der Zeitschrift Impulse (Ausgabe 6/09, S. 10). Nach Angaben der Berater aus München erzielten fast 70 Prozent der Unternehmen, die in die Pleite gerutscht sind, in den vergangenen vier Jahren keine Gewinne. Kein einziger Pleitebetrieb habe konstant stabile Erträge erwirtschaftet. Das muss wehtun, wenn einem Unternehmer, der am Boden liegt, auch noch Salz in die Wunden gestreut wird.

Natürlich hört sich das anders an, wenn man die Betroffenen selbst zu Wort kommen läßt. Dann ist oft jemand anders schuld – momentan natürlich die Wirtschaftskrise. Doch nach Meinung der MSG-Berater mögen die Krise und ihre Folgen der Auslöser für die finanzielle Schieflage der Unternehmen sein, der Grund oder die Ursache dafür liege in vielen Fällen woanders. Da müsse sich das Management schon an die eigene Nase fassen, so ungern man dies auch tut. Hm, ich schlage vor, wir nehmen dies einfach mal so zur Kenntnis.

Viele Menschen beschäftigen sich ja derzeit auch mit der Frage, wann wir die Talsohle erreicht haben. Sicher eine wichtige Frage und gut, wenn die Wirtschaft nicht weiter absackt. Allerdings ist zu befürchten, dass die Zahl der Insolvenzen noch einmal ansteigen wird, wenn es wieder aufwärts geht. Das war zumindest in der Vergangenheit immer so. Der Unternehmer Arndt Kirchhoff, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Autozulieferers, empfahl vor Kurzem auf dem "Expertenforum Mittelstand" mit Blick auf die finanzielle Unterstützung durch den Staat, das Geld für den erwarteten Aufschwung zusammenzuhalten. "Durchs Tal zu laufen, ist ziemlich einfach, aber der Aufstieg wird anstrengend", sagte er. Es ist zu befürchten, dass dem einen oder anderen Unternehmen, welches es bis dorthin geschafft hat, dann doch noch die Luft ausgeht.

Beste Grüße

Damian Sicking

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