Ist ein gutes Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter auch gut fürs Geschäft?

Eine Studie zeigt, dass Mitarbeiter bessere Ergebnisse bringen, wenn sie sich mit ihrem Vorgesetzten gut verstehen. Für das Unternehmen kann das aber trotzdem komplett kontraproduktiv sein.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Geschäftsführer, Firmeninhaber und Führungskräfte,

die Wissenschaft hat einmal mehr interessante und praxisrelevante Forschungsergebnisse vorgelegt. Unter der Überschrift "Zu gute Stimmung ist schlecht fürs Geschäft" brachte das Handelsblatt vorgestern einen Artikel, der sich mit den Resultaten einer Studie dreier Wirtschaftsforscher aus London und Philadelphia befasst und der natürlich sofort meine volle Aufmerksamkeit fand. Die Handelsblatt-Redaktion hat den Artikel freundlicherweise inzwischen auch online gestellt.

Die Überschrift "Zu gute Stimmung ist schlecht fürs Geschäft" ist ein bisschen Etikettenschwindel. Denn in Wahrheit geht es nur indirekt um die Stimmung in einer Firma oder einer Abteilung, primär geht es um etwas anderes. Die Wissenschaftler wollten wissen, ob sich ein gutes Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter auf die Arbeitsleistung positiv auswirkt. Aus methodischen Gründen haben sie ihre Untersuchungen bei einer großen Beerenplantage in England durchgeführt – man kann am Ende des Tages anhand der abgelieferten Beerenmenge unmittelbar die Leistung der einzelnen Pflücker ablesen. Das Ergebnis war eindeutig: Pfücker brachten an Tagen, an denen ein Freund von ihnen die Aufsicht hatte, ein um neun Prozent höheres Ergebnis als an Tagen, wenn ein Fremder das Kommando hatte. Mit anderen Worten: Soziale Bindungen zwischen Chef und Mitarbeiter erhöhen die Leistung.

Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn was die Wissenschaftler ebenfalls feststellten: Die Teamleistung, also die Gesamtleistung der Feldarbeiter, war an solchen Tagen höher, wenn nicht so viele gut Freund mit dem Aufseher waren. Wie kann das sein? Der Grund: Die höhere Leistung der Pflücker an Tagen, an denen sie von ihren Freunden beaufsichtigt wurden, kam nicht durch einen größeren Eifer und Arbeitseinsatz zustande, sondern basierte darauf, dass sie von den Vorgesetzten gezielt bevorzugt wurden – zum Beispiel indem ihnen die Sträucher mit den meisten Beeren zugewiesen wurden oder ihnen schneller neue Kisten gebracht wurden, wenn die alten voll waren, sodass sie nicht so lange warten mussten. Diese "Vetternwirtschaft" hatte zur Folge, dass die Aufseher oft die Falschen förderten, nämlich eben nicht die Fleißigsten und Schnellsten, sondern unabhängig vom Leistungskriterium ausschließlich ihre Freunde. Diese pflückten dann zwar mehr, die anderen Pflücker aber überproportional weniger als an den Tagen, an denen keine Freunde die Aufsicht führten, sodass an diesen Tagen das Gesamtergebnis schlechter ausfiel als an den anderen Tagen.

Weil dies die Plantagenbesitzer ärgerte, änderten sie zur Mitte der Erntesaison das Entlohungssystem. Zusätzlich zum Festlohn erhielten die Aufseher nun einen Bonus, der sich nach der Menge richtete, welche die von ihnen beaufsichtigten Arbeiter insgesamt ernteten. Und siehe da, plötzlich stieg die durchschnittlich geerntete Beerenmenge an. Die Wissenschaftler führen dies darauf zurück, dass die Aufseher sich nun deutlich mehr Mühe gaben, ihre besten und produktivsten Arbeiter zu fördern und zu motivieren, unabhängig davon, ob sie mit ihnen befreundet waren oder nicht. Die Gesamtleistung des Teams stieg deutlich an.

Seien wir ehrlich: Sieht es in unseren Betrieben viel anders aus als auf den Plantagen in England? Ist es bei uns nicht auch so, dass Vorgesetzte ihre Kumpels bevorzugen, auch wenn es aus Sicht des Unternehmens kontraproduktiv ist? Vielleicht geschieht dies sogar oft unbewusst – umso nötiger ist es, dass man sich dessen bewusst wird –, zuweilen aber auch ganz offensichtlich wider besseres Wissen. Obwohl der Vorgesetzte weiß, dass ein anderer Mitarbeiter die Aufgabe besser oder schneller lösen könnte, schustert er sie seinem Amigo zu, damit dieser seinen Bonus oder seine Prämie erhält. Nicht nur schmälert diese personelle Fehlentscheidung unmittelbar die Leistung des gesamten Teams, sondern auch indirekt – denn die übrigen Teammitglieder durchschauen solche Kungelei natürlich sofort und drosseln entsprechend ihren Einsatz.

Das Studienergebnis der britisch-amerikanischen Forschergruppe zeigt aber auch, mit welch einfachen Mitteln sich diese "Amigo-Affären" vermeiden lassen: Wenn der Vorgesetzte einen unmittelbaren (finanziellen) Nachteil davon hat, wenn er seine Kumpels bevorzugt, wird er es sich genau überlegen, ob sich dies für ihn lohnt.

Beste Grüße

Damian Sicking

Weitere Beiträge von Damian Sicking finden Sie im Speakers Corner auf heise resale. ()