Jeder Dritte sucht während der Arbeitszeit einen neuen Job – ist das erlaubt?

Drei von zehn Angestellten sehen sich während ihrer Arbeitszeit nach einer neuen Stelle um und verplempern so bis zu fünf Stunden pro Woche – für die der aktuelle Arbeitgeber zahlt. Erlaubt ist das nicht.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Das hat wohl jeder schon mal gemacht: während der Arbeitszeit privat im Netz zu surfen, gilt vielen – insbesondere den Arbeitnehmern – als eine Art Kavaliersdelikt. Auch wenn sie damit die Arbeitszeit vergeuden, für die ihr Chef bezahlt. Und dem würde es sicher nicht gefallen, wenn er wüsste, was seine Leute online so treiben: Laut einer aktuellen Umfrage des Onlinejobportals Monster unter 2000 Angestellten, verbringen 16 Prozent mehr als fünf Arbeitsstunden pro Woche mit der Stellensuche im Netz.

Doch nicht nur das: jeder Vierte habe während seiner Arbeitszeit auch schon mal mit den Personalverantwortlichen eines möglichen neuen Arbeitgebers telefoniert. Einige der Befragten gaben zudem an, den Tod eines Angehörigen als Ausrede bei ihrem Chef vorzuschieben, um so Zeit für ein Vorstellungsgespräch zu bekommen.

Alexander Bredereck arbeitet seit 1999 als Rechtsanwalt und seit 2005 als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Bredereck Willkomm Rechtsanwälte in Berlin. Er ist Vorstand der Verbraucher- zentrale Brandenburg e.V. sowie Mitglied im Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. und Mitglied im Arbeitskreis Arbeitsrecht im Berliner Anwaltsverein e.V. Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist die Vertretung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Kündigungsschutzprozessen.

Doch was passiert, wenn man dabei erwischt wird? Bei zehn Prozent war das immerhin schon der Fall, sie wurden vom Chef oder einem Kollegen bei der Jobsuche auf der Arbeit ertappt. Was in so einem Fall passiert, erklärt Rechtsanwalt Alexander Bredereck: "Das hängt von der eigenen Position im Unternehmen ab. Wenn man als unverzichtbar gilt, bekommt man vielleicht demnächst eine Gehaltserhöhung. Alle anderen sollten eher vorsichtig sein. Welcher Chef wird beispielsweise einen Mitarbeiter auf eine teure Fortbildung schicken, wenn er weiß, dass dieser sowieso 'auf dem absteigenden Ast' hangelt". Teilweise seien auch arbeitsrechtliche Konsequenzen möglich, nämlich dann, wenn man gemäß Arbeitsvertrag das Internet gar nicht privat nutzen darf. "Dann droht eine Abmahnung, im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung", erklärt Bredereck.

Das gilt auch für Telefonate mit Personalverantwortlichen in anderen Unternehmen: die sollte man – genau wie die Jobsuche selbst – lieber in seiner Freizeit erledigen. "Ob man überhaupt privat telefonieren darf hängt von den arbeitsvertraglichen Regelungen ab". Im umgekehrten Fall muss man allerdings nicht sofort den Hörer auf die Gabel knallen, wie der Arbeitsrechtsexperte erklärt: "Grundsätzlich lässt der Bundesgerichtshof den einmaligen kurzen Anruf zum Zwecke der Vereinbarung eines Gesprächstermins zu. Öfter, länger oder gar hartnäckiger dürfen die Anrufe nicht sein. Ansonsten kann der Arbeitgeber gegen den Wettbewerber vorgehen."

Hat man mit dem potentiellen Arbeitgeber einen Vorstellungstermin vereinbart, sollte man dafür lieber Urlaub nehmen. Denn wer Krankheit oder einen anderen Notfall vortäuscht und dabei erwischt wird, kann große Probleme bekommen, wie Rechtsanwalt Bredereck erläutert: "Ein solches Verhalten dürfte den Tatbestand des Arbeitszeitbetruges erfüllen und kann zu einer Abmahnung, gegebenenfalls sogar zu einer (fristlosen) Kündigung führen."

Hat der aktuelle Chef mitbekommen, dass man auf der Suche nach einem neuen Job ist, kann es durchaus sein, dass er nicht gerade erfreut reagiert und den betroffenen Arbeitnehmer beispielsweise von einem wichtigen Projekt abzieht. Aber ist das erlaubt? "Das kommt auf den Umfang des vertraglich vereinbarten Weisungsrechts an. Darf der Arbeitgeber frei entscheiden, in welchen Projekten er den Arbeitnehmer einsetzt? Dann darf er das natürlich auch in einer Trennungssituation. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer aber weder zielgerichtet diskriminieren, schikanieren noch mobben. Der Arbeitnehmer hat auch Anspruch auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung."

Wer von seinem Arbeitgeber aufgrund seiner Wechselwilligkeit schlecht behandelt wird, muss sich notfalls vor Gericht dagegen wehren. Doch das kommt in der Praxis selten vor, meist lassen sich betroffene Arbeitnehmer in so einer Trennungssituation lieber krankschreiben, das gilt erst recht, wenn sie dazu noch gemobbt werden. "Arbeitgeber sind also gut beraten, wenn sie von derartigen Schikanen Abstand nehmen", sagt Rechtsanwalt Bredereck. Sein Tipp an alle Beteiligten: "Es gilt nichts anderes als bei einer Ehescheidung. Bringen Sie das Ganze in Würde zu Ende. Man sieht sich immer zweimal im Leben, manchmal noch öfter." (Marzena Sicking) / (map)
(masi)