Kein Klauselzwang

Müssen gewerbliche Online-Händler zwangsläufig Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwenden, um die zahlreichen verbraucherrechtlichen Verpflichtungen, die für sie gelten, zu erfüllen? Derlei Juristenprosa will erst einmal ausgearbeitet (und bezahlt) werden. Kleine Händler behelfen sich oft lieber mit Einzelvereinbarungen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

AGB im Online-Handel?

Ein gewerblich tätiger Online-Händler für Kraftfahrzeugzubehör erhielt im Sommer 2009 eine Abmahnung von einem Mitbewerber. Diesem war sauer aufgestoßen, dass der abgemahnte Internet-Shop keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorhielt. Gewerbliche Verkäufer, so die Ansicht des Abmahners, seien hierzu jedoch durch die Anforderungen der "Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht" (BGB-InfoV) verpflichtet.

Außerdem fand die Widerrufsbelehrung des Online-Shops keine Gnade vor den Augen des Konkurrenten. Darin fand sich nämlich der Satz: "Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt." Das, so der Abmahner, vertrage sich nicht mit § 357 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wo es heißt: "Wenn ein Widerrufsrecht … besteht, dürfen dem Verbraucher die regelmäßigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden, wenn der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt."

Mangels AGB oder vergleichbarer Regelungen auf der Shop-Website fehle es an einer "vertraglichen" Auferlegung, welche die in der Widerrufsbelehrung angesprochene Kostentragungspflicht rechtsverbindlich festschreiben würde.

Der abgemahnte Händler war sauer: Weder leuchtete ihm ein, dass er AGB verwenden müsste, noch sah er ein, warum sein Hinweis auf die Kostentragungspflicht in der Widerrufsbelehrung nicht ausreichend sein sollte. Er verweigerte nicht nur die Abgabe einer Unterlassungserklärung, sondern ging sogar zum Gegenangriff über, indem er seinerseits den Abmahner abmahnte.

Einerseits ging es dabei um dessen Abmahnung, die nach Meinung des Shop-Betreibers unberechtigt erfolgt war, andererseits um eine Reihe von vermeintlich unzulässigen Formulierungen im Rahmen der Belehrungstexte und Geschäftsbedingungen des Konkurrenz-Shops. Die Sache landete schließlich vor dem Landgericht (LG) Frankfurt [1], wo der zuerst Abgemahnte Recht bekam.

Zunächst bestätigte das Gericht den Händler darin, dass dieser nicht notwendigerweise AGB verwenden muss: "Mit der Abmahnung beanstandete die Beklagte zu Unrecht, dass der Kläger keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwende, was für gewerbliche Verkäufer zwingend erforderlich sei, sofern den Verpflichtungen aus der BGB-InfoV nachgegangen werden solle. Eine Verpflichtung zur Anwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Fernabsatz ist nicht erkennbar."

Auch die Frage, ob der Rücksendekostenhinweis in der Widerrufsbelehrung als ausreichende vertragliche Regelung gilt, beantworteten die Frankfurter Richter im Sinne des Klägers: "Der Unternehmer hat gegenüber dem Verbraucher deutlich zu machen, dass er … von der gesetzlich vorgesehenen Kostenverlagerungsregel Gebrauch macht. Dies kann durch ausdrückliche Vereinbarung geschehen, durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung oder konkludent. Nimmt der Unternehmer in die Widerrufsbelehrung den Text 'Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn … der Preis der zurückzusendenden Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt …' auf, so ist seine Absicht, dies zum Vertragsbestandteil zu machen, erkennbar und so wird das auch vom Verbraucher, der die juristischen Feinheiten… nicht auseinander hält, verstanden. Für beide Parteien ist das eine vertragliche Vereinbarung, an die sie sich bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen zu halten haben, auch wenn sie in der Widerrufsbelehrung verpackt ist."

Diese Sichtweise wird allerdings nicht von allen Gerichten geteilt. So halten zum Beispiel die Landgerichte Bochum [2] und Dortmund [3] eine lediglich in die Widerrufsbelehrung integrierte Kostenverlagerungsklausel keineswegs für eine ausreichende vertragliche Grundlage. Das Dortmunder LG führt in einem ähnlich wie in Frankfurt gelagerten Fall aus: "Dass es sich hierbei um eine vertragliche Vereinbarung mit dem Verbraucher handeln soll, ist für den Verbraucher gerade auf Grund der ausdrücklichen Bezeichnung des Textes unter dem Begriff Widerrufsbelehrung und dem Unterpunkt Kosten des Widerrufs nicht erkennbar … Der Verbraucher hält die Belehrung vielmehr für eine gesetzliche Verpflichtung und wird somit in irreführender Weise nicht vor die Wahl gestellt, ob er mit dieser Regelung als Vertragsbestimmung… einverstanden ist oder nicht."

Im Frankfurter Fall wurden nicht nur die vermeintlichen Unterlassungsansprüche des anfänglichen Abmahners gegen den Shopbetreiber abgeschmettert. Der zuerst Abgemahnte kam auch mit mehreren eigenen Unterlassungsansprüchen durch, die er gegen seinen Konkurrenten geltend machte.

Dabei ging es unter anderem darum, dass jener beim Handel über die eBay-Plattform den Informationspflichten nach § 3 BGB-InfoV nicht hinreichend nachgekommen war. Dies betraf beispielsweise Informationen über die einzelnen technischen Schritte, die zum Vertragsschluss führen, sowie Hinweise dazu, wie ein Kunde Eingabefehler vor Abgabe der Bestellung erkennen und berichtigen kann. Der Beklagte glaubte, seine Pflichten dadurch erfüllt zu haben, dass er auf die Geltung der eBay-AGB verwies.

Das ließen die Frankfurter Richter jedoch nicht gelten: "Seinen Informationspflichten genügt der Unternehmer nicht dadurch, dass er auf die eBay-AGB verweist." Im Ergebnis liegt diese Sichtweise auf einer Linie mit Entscheidungen anderer Gerichte, wonach gewerbliche Anbieter bei eBay ihre Kunden etwa ausdrücklich über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses informieren müssen, auch wenn dies schon in den (von allen potenziellen Käufern akzeptierten) Nutzungsbedingungen von eBay geregelt ist [4].

Auch wenn es keine ausdrückliche Pflicht zur Verwendung von AGB gibt, beziehen sich die bei Fernabsatzgeschäften und im elektronischen Geschäftsverkehr geltenden Belehrungs- und Informationspflichten oft auf vertragliche Regelungen oder setzen diese voraus. Gewerbliche Online-Anbieter von Waren oder Dienstleistungen tun dann trotz allem gut daran, allgemeinverbindliche Vertragsbedingungen zu formulieren und diese ihren Kunden in spe bereits im Vorfeld eines Vertragsschlusses klar und verständlich zu präsentieren.

  • [1] LG Frankfurt, Urteil vom 4. 12. 2009, Az. 3-12 O 123/09
  • [2] LG Bochum, Beschluss vom 2. 1. 2009, Az. I-14 O 241/08
  • [3] LG Dortmund, Urteil vom 26. 3. 2009, Az. 16 O 46/09
  • [4] LG Leipzig, Beschluss vom 28. 12. 2007, Az. 06 HK O 4379/07; LG Dresden, Beschluss vom 4. 1. 2008, Az. 44 HK O 433/07EV; LG Bochum, Beschluss vom 24. 10. 2008, Az. I-14 O 191/08. Anderer Ansicht: LG Frankenthal, Urteil vom 14. 2. 2008; Az. 2 HK O 175/07

Der Autor Kai Mielke ist Rechtsanwalt in Hannover / (psz) (map)