Kolumne: Mensch und Maschine steht am Scheideweg

Mit der Übernahme von fünf Systemhäusern steigt CAD/CAM-Spezialist und Autodesk-Partner Mensch und Maschine (MuM) groß ins Endkundengeschäft ein und gibt die Distribution "teilweise" auf. Das kann aber noch nicht das letzte Wort sein.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Adi Drotleff, Gründer und CEO, Mensch und Maschine

(Bild: Mensch und Maschine)

Lieber Mensch-und-Maschine-Chef Adi Drotleff,

Anfang dieser Woche verkündeten Sie eine gravierende strategische und organisatorische Veränderung des Unternehmens Mensch und Maschine. Weil Sie inzwischen "das Endkundengeschäft attraktiver finden als das Distributionsgeschäft" wollen Sie die eigenen Systemhausaktivitäten stark ausbauen. Als Beweis dafür, dass es Ihnen ernst damit ist, haben Sie rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres gleich fünf Systemhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz übernommen.

Gleichzeitig kündigten Sie an, dass Sie die Distribution im Bereich Maschinenbau/Elektro/Infrastruktur Ende dieses Monats aufgeben werden. Hier springt nun als alleiniger Autodesk-Distributor in Deutschland Tech Data in die Bresche. Im Bereich Architektur-Software soll der Umstieg von Distributions- auf Systemhausgeschäft erst im kommenden Jahr erfolgen – ebenfalls im Wesentlichen durch Übernahme von Vertriebspartnern.

Man kann den Schritt vernünftig finden. Die Analysten zum Beispiel tun dies. Sie begrüßen diese strategische Weichenstellung und setzen die MuM-Aktien auf "Kaufen". In erster Linie deshalb, weil die Rentabilität im Systemhausgeschäft deutlich besser ist als im Distributionsbusiness. Sie selbst, lieber Herr Drotleff, sprechen vom Faktor drei. Zu deutsch: Es läßt sich mehr verdienen, die Umsatzrendite steigt. Insoweit teile ich die optimistische Bewertung.

Auf der anderen Seite sollte man nicht übersehen, dass MuM nun sehr hohe Hoffnungen in einen Bereich setzt – und entsprechend hohe Erwartungen schürt –, der nach Ihrer eigenen Aussage "bisher nur eine untergeordnete Rolle spielte". Also verfügen Sie hier gar nicht über nennenswerte eigene Erfahrungen? Und nun wollen Sie quasi aus dem Stand zu einem der ganz großen Player in diesem Ring werden und bereits in diesem Jahr 40 bis 50 Millionen Euro umsetzen, was nach Ihren Berechnungen einem Marktanteil von 15 bis 20 Prozent am Endkundengeschäft mit Autodesk-Software im deutschsprachigen Raum entspräche. Und diesen Anteil möchten Sie bis Ende 2010 auf etwa 25 bis 30 Prozent ausbauen. Lieber Herr Drotleff, unter einem Mangel an Selbstbewusstsein scheinen Sie nicht gerade zu leiden. Ich bin sicher, dass Sie sich das alles gut überlegt haben, aber fünf Systemhäuser – und die Akquisition von weiteren Unternehmen ist geplant – unter einen Hut zu bringen und in die eigene Organisation zu integrieren, ist nicht von Pappe. Auf der Pappe (dem Papier) mag das gut aussehen, wie sich dieser Plan aber in der rauen Wirklichkeit darstellt, darauf bin ich wirklich gespannt.

Was mich wirklich mit Sorge erfüllt, ist, dass Sie offenbar die Distribution nicht komplett aufgeben wollen, sondern parallel weiterfahren wollen. In Ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom Anfang dieser Woche sprechen Sie von einem "teilweisen Umstieg von Distribution auf Endkundengeschäft". Für die nächsten Jahre rechnen Sie damit, dass sich der Umsatz zu einem Drittel aus Systemhaus, Distribution und eigener Softwareentwicklung zusammensetzt. Ein "teilweiser Umstieg" klingt in meinen Ohren ganz schlecht. Damit tun Sie sich keinen Gefallen, im Gegenteil. Zum einen denke ich, dass man nur in einer Sache wirklich gut sein kann: entweder im Distributionsgeschäft ODER im Systemhausgeschäft. Wer auf beiden Hochzeiten tanzen will, wird sich damit schwertun, in beiden Feldern Spitzenleistungen zu bringen. Und bei den bestehenden Wettbewerbsverhältnissen MUSS man Spitzenleistungen bringen, wenn man sich behaupten will. Zum anderen steuern Sie direkt auf das leidige Thema Kanalkonflikte zu. Distribution bei gleichzeitigem Endkundengeschäft ist immer eine gefährlich Kiste. Zum einen droht immer Ärger mit den Kunden, die Sie misstrauisch beäugen, weil sie Konkurrenz befürchten. Und zum anderen erfordert dieser Spagat enorm viel Managementaufmerksamkeit. Im Übrigen würde es mich nicht wundern, wenn vor allem den von Autodesk direkt betreuten Systemhäusern wie Bechtle der Zwitterstatus von MuM schon immer ein Dorn im Auge war – da können Sie, lieber Herr Drotleff, noch so oft betonen, dass das Endkundengeschäft der MuM "bisher nur eine untergeordnete Rolle spielte".

Aber vielleicht sprechen Sie von dem "teilweisen Umstieg" auch nur, um die Aktionäre nicht zu verschrecken. Ein radikaler Umbau des Unternehmens käme hier vermutlich nicht gut an. Und er wäre auch nicht gut für die Firma. So etwas muss man langsam und mit Bedacht machen. Zur Eile besteht ja auch keine Notwendigkeit, dem Unternehmen geht es schließlich recht gut. Anfang Dezember 2008 jedenfalls erwarteten Sie für das Gesamtjahr ein Umsatzplus von sechs und ein Gewinnplus von sieben Prozent.

Lieber Herr Drotleff, Sie haben mit der Übernahme von fünf Systemhäusern einen Schritt in eine neue Richtung gemacht. Um hier voranzukommen, brauchen Sie beide Beine, und nicht nur eines, sonst werden Sie nicht weit kommen. Schon gar nicht, wenn Sie mit dem zweiten Bein, wie derzeit offensichtlich geplant, in eine andere Richtung gehen wollen.

Beste Grüße

Damian Sicking

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