Kolumne: Wie ein Verdi-Vorstand das Jahr der Kreativität wörtlich nimmt

Der BDI fördert das "Europäische Jahr der Kreativität und Innovation" mit einem Schülerwettbewerb und fordert mehr Wirtschaftskunde in den deutschen Klassenzimmern. Ein Verdi-Vorstand zeigt, dass das nicht unbedingt helfen muss.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Damian Sicking

BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf

(Bild: BDI)

Lieber BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf,

was viele von uns bisher noch gar nicht so richtig mitbekommen haben: 2009 ist das "Europäische Jahr der Kreativität und Innovation". Die EU, teilt die Europäische Kommission mit, hat "schon seit geraumer Zeit" erkannt, "dass kreatives Denken in einer globalen Wirtschaft den Schlüssel zum Erfolg darstellt". Denn Kreativität ist die Voraussetzung für Innovationen, und Innovationen sind wichtig dafür, dass es uns gut geht.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) unterstützt diese Initiative mit dem Schülerwettbewerb "Ideenliebe". Damit wollen Sie unserem Nachwuchs unter anderem Nachhilfeunterricht in ökonomischen Fragestellungen geben. "Schüler wissen zu selten, dass unser Wohlstand auf unserer Innovationsstärke aufbaut. Die Erläuterung wirtschaftlicher Zusammenhänge führt in den Schulplänen immer noch ein Nischendasein." Ich stimme Ihnen zu, lieber Herr Schnappauf, das ist ein untragbarer Zustand. Es ist doch grotesk: Unsere gesamtes Leben ist zutiefst von ökonomischen Fragestellungen geprägt, aber die Klassenzimmer in unseren Schulen sind weitgehend wirtschaftsfreie Zonen. Kein Wunder daher, dass in der Bevölkerung ein erschreckend geringes Maß an ökonomischem Sachverstand anzutreffen ist. Der Unternehmensberater Roland Berger schätzt, dass maximal zehn Prozent der deutschen Bevölkerung weiß, wie Wirtschaft funktioniert. (Eine eher optimistische Einschätzung, wenn Sie mich fragen. Denn nicht einmal alle unsere Unternehmenslenker, Manager, Vorstände und Aufsichtsräte scheinen zu wissen, "wie Wirtschaft funktioniert". Hätten wir sonst so viele Pleiten und Not leidende Unternehmen?) Damit dies anders wird, sollte das Fach Wirtschaftskunde unbedingt als Pflichtfach an unseren Schulen eingeführt werden. Denn wie sagten schon die alten Lateiner: Für das Leben, nicht für die Schule lernen wir ("Vitae non scholae discimus"). SOLLTEN wir lernen, muss es natürlich richtig heißen.

Wir sollten uns aber keine Illusionen machen: Die Teilnahme am Fach Wirtschaftskunde verhindert nicht, dass manche Leute sich mit schwachsinnigen Thesen und Äußerungen zu Wort melden. Wie zum Beispiel Uwe Foullong, immerhin Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Verdi. Foullong forderte zum Jahreswechsel, man müsse es Unternehmen gesetzlich verbieten, Mitarbeiter zu entlassen, solange die Firmen Gewinne schreiben. Es ist zu befürchten, dass der gute Mann den Satz ernsthaft meinte. Also auch einer von denen, die in der Schule eine Eins ins Religion und eine Fünf in Mathe hatte? Eben nicht! Foullong kann als Entschuldigung für seine abenteuerliche Forderung nicht für sich in Anspruch nehmen, in ökonomischen Fragen völlig unbedarft zu sein, denn der Mann hat nicht nur eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert, sondern er hat überdies auch noch an der FU Berlin Wirtschaftswissenschaften studiert und trägt den Titel eines Diplom-Kaufmanns. Hat aber offensichtlich nicht viel genutzt.

Bei aller Kritik muss man unserem Gewerkschaftsführer aber eins zugute halte: Kreativ und innovativ ist sein Gedanke immerhin. Vor dem Hintergrund des gerade begonnenen "Europäischen Jahrs der Kreativität und Innovation" ist Foullongs Forderung also irgendwie auch zeitgemäß.

Beste Grüße

Damian Sicking

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