Kündigung eines Netzwerkadmins wegen Strom-Klau unwirksam

Weil ein Mitarbeiter seinen Akku in der Firma auflud, wurde ihm fristllos gekündigt. Nun hat das Landesarbeitsgericht Hamm abschließend über den Fall entschieden und gezeigt, dass Kündigungen wegen Bagatelldelikten nicht mehr so einfach durchzusetzen sind.

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Von
  • Marzena Sicking

Wieder einmal wurde vor Gericht ein Fall verhandelt, bei dem ein langjähriger Mitarbeiter wegen eines Bagatelldeliktes die fristlose Kündigung erhielt. Betroffen war ein 41-jähriger Netzwerkadministrator, der seit 1990 für seinen Arbeitgeber tätig war.

Im Mai 2009 fuhr er mit einem Elektroroller zur Arbeit, den er sich für einige Tage gemietet hatte. Um sicherzustellen, dass der Akku des Gefährts auch ausreichend "Saft" für die Heimfahrt haben würde, schloss er den Roller im Firmengebäude an eine Steckdose an. Der Akku blieb dort etwa eineinhalb Stunden, dann wurde der Netzwerkadmin von einem Vorgesetzten aufgefordert, ihn vom Stromnetz zu nehmen. In dieser Zeit entstanden geschätzte Stromkosten von etwa 1,8 Cent.

Doch trotz des geringen Betrages wollte der Arbeitgeber keinesfalls über den "Strom-Klau" hinwegsehen, sondern kündigte dem Mann – der zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählt worden war – kurze Zeit später fristlos. Begründet wurde die Kündigung mit einem "Vermögensdelikt" zum Nachteil des Unternehmens, wogegen sich der Mitarbeiter mit einer Kündigungsschutzklage wehrte.

Schon das Arbeitsgericht Siegen gab dem Mann Recht und hielt die Kündigung für unwirksam. Dagegen ging der Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht Hamm in Berufung – ohne Erfolg. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung den geringen Schaden von 1,8 Cent, die 19-jährige Beschäftigung des Klägers und nicht zuletzt den Umstand, dass im Betrieb regelmäßig Handys aufgeladen und elektronische Bilderrahmen betrieben wurden, ohne das die Firmenleitung jemals eingegriffen hätte, berücksichtigt. Nach Ansicht der Richter, hätte das angeblich verlorengegangene Vertrauen der Firmenleitung in den Mitarbeiter durch eine Abmahnung wieder hergestellt werden können.

Der von der Arbeitgeberin gestellte Auflösungsantrag blieb vor der 16. Kammer ebenfalls ohne Erfolg. Der Arbeitgeber sah – unter anderem wegen der "reißerischen" Auftritte des Mannes in den Medien – eine weitere Mitarbeit als unzumutbar an. Auch in diesem Punkt widersprachen die Richter (Landesarbeitsgericht Hamm, 2.09.2010, 16 Sa 260/10 – Vorinstanz Arbeitsgericht Siegen 1 Ca 1070/09).

Bei Ihrer Urteilsbegründung verwiesen die Richter auch auf den Fall "Emmely", bei dem einer Kassiererin nach 31 Jahren gekündigt worden war, weil sie zwei liegengebliebene Leergut-Bons im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte. Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigung im Juni für unwirksam erklärt. (masi)