Kündigungsschutzgesetz: Kleinbetriebsklausel verstößt nicht gegen Gleichheitsgrundsatz

Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich, aber es gibt Ausnahmen: So müssen sich Mitarbeiter von Kleinbetrieben wohl damit abfinden, dass sie trotz Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz doch anders behandelt werden.

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Von
  • Marzena Sicking

Nach § 23 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen maximal zehn Mitarbeiter beschäftigt sind, keinen Kündigungsschutz. Nun heißt es allerdings im Artikel 3 des Grundgesetzes: "(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."

Daher könnte man annehmen, dass der § 23 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes gegen diesen Gleichheitsgrundsatz verstößt. Wie das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil (28. Oktober 2010, 2 AZR 392/08) festgestellt hat, liegt tatsächlich eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern größerer und kleinerer Betriebe vor, diese verstößt nach Einschätzung des Gerichts aber nicht gegen Art. 3 GG.

So ist die Ungleichbehandlung den Richtern zufolge sachlich gerechtfertigt, weil Kleinbetriebe typischerweise durch enge persönliche Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und einen Mangel an Verwaltungskapazität geprägt sind. Dies gilt auch dann, wenn ein Unternehmer mehrere kleinere Betriebe unterhält. Die Zahlen der hier beschäftigten Mitarbeiter werden nicht automatisch zusammengerechnet, wenn es sich tatsächlich um organisatorisch selbständige Einheiten und damit um selbständige Betriebe handelt.

Es sei aber sicherzustellen, dass damit nicht auch Einheiten größerer Unternehmen herausfallen, auf die die typischen Merkmale des Kleinbetriebs (enge persönliche Zusammenarbeit etc.) nicht zutreffen. Fehlt allerdings nur eins dieser Merkmale, ist trotzdem nicht automatisch von "einem Unternehmen" auszugehen. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls, wie die Richter betonten.

Im verhandelten Fall ging es um einen Unternehmer, der einen Firmensitz in Leipzig mit etwa acht und einen Standort in Hamburg mit sechs Arbeitnehmern unterhält. Im Januar 2006 wurde in Hamburg ein Betriebsleiter eingesetzt und bevollmächtigt, dort Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Der Betriebsleiter kündigte einem seit 1990 beschäftigten Mitarbeiter aus betrieblichen Gründen. 2003 war ein anderer Arbeitnehmer in vergleichbarer Position eingestellt worden. Er war deutlich jünger, als der Gekündigte und hatte im Gegensatz zu diesem auch keine Unterhaltsverpflichtungen.

Der Betroffene reichte Kündigungsschutzklage ein und damit ging es auch um die Frage, ob das Kündigungsschutzgesetz hier überhaupt Anwendung findet, was der beklagte Unternehmer verneinte. Tatsächlich haben die Vorinstanzen der Klage wegen unzureichender Sozialauswahl stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Hamburg (17. Januar 2008, 7 Sa 41/07) hat das Kündigungsschutzgesetz für anwendbar gehalten, weil die Kapitalausstattung der Beklagten nicht gering gewesen sei und ihr Geschäftsführer in Hamburg nicht mitgearbeitet habe. Auch wurde erörtert, ob die Kleinbetriebsklausel gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt.

Die Revision der beklagten Unternehmers war nun vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Sie führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist es im Streitfall nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, beide Betriebsstätten auch dann als einheitlichen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne anzusehen, wenn sie organisatorisch selbständig sind. Ob sie das wirklich sind, muss jetzt allerdings das Landesarbeitsgericht noch genau prüfen. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)