Microsofts Surface-Tablet kommt an – fragt sich nur wann

Umfragen diesseits und jenseits des Atlantiks zeigen, dass Microsofts Tablet-PC "Surface“ vor allem bei den jugendlichen Anwendern immer besser ankommt. Wenn es denn ankommt…

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Microsoft-Chef Steve Ballmer,

Microsoft-Chef Steve Ballmer

(Bild: Heise)

herzlichen Glückwunsch! Der Microsoft-Tablet-PC "Surface" scheint nach holprigem Start inzwischen vor allem beim jungen Publikum recht gut anzukommen. So sorgte der amerikanische Tech-Blog BGR in der vergangenen Woche mit einer Meldung unter der Überschrift "Apple is done and Surface tablet is cool, according to teens" für Aufsehen. Unter Berufung auf das Marktforschungsunternehmen Buzz Marketing Group schreibt der Autor, dass Apple unter Jugendlichen nicht mehr als cool gelte. Der deutschsprachige Blog TechHive griff das Thema auf und schreibt:

"Teenager wollen nicht das, was alle haben, sie wollen das, was sie aus der Masse hervorhebt. Derselbe Mechanismus, der Apple an die Spitze gespült hatte, scheint jetzt gegen die Firma zu wirken. iPhones und iPads sind zu beliebt, um für Jugendliche interessant zu sein. Wie das Wirtschaftsmagazin Forbes berichtet, wenden sich Teenager Samsungs Galaxy und ausgerechnet zum langjährigen Marktführer Microsoft zu, zumindest wenn es um Tablets geht.“

Der Beginn einer Zeitenwende? Vielleicht. Interessant jedenfalls, dass sich die Stimmung nicht nur in den USA, sondern auch in Europa zu verändern beginnt, was das Microsoft-Surface betrifft. Unter der Headline "Umfrage: Microsoft Surface gewinnt“ berichtete das Wirtschaftsblatt aus Österreich vergangene Woche von ähnlichen Mafo-Ergebnissen. Von knapp 2.500 Lesern des Wirtschaftsblatts wählten 36 Prozent Microsofts Surface zum “Gadget des Jahres 2013“. Das iPhone 5 von Apple sowie das Galaxy S3 von Samsung mussten sich geschlagen geben und belegten die Plätze 2 und 3. Das aktuelle Umfrageergebnis aus Österreich kontrastiert übrigens stark mit einer anderen Erhebung aus dem Dezember vergangenen Jahres, der zufolge nur vier Prozent der rund 1.330 Befragten ein Surface kaufen würden. So schnell kann die Stimmung umschwenken.

Apropos kaufen. Das Surface kann man hier in Deutschland bis heute ja nur über die Microsoft-Homepage kaufen (oder über "Strohmänner“ bei Amazon). Von der angekündigten Freigabe für den Fachhandelsvertrieb ist zumindest hier in Deutschland noch nichts zu spüren. Wenn also ein Händler ein Surface kaufen möchte – etwa weil einer seiner Kunden ihn darum gebeten hatte –, dann ist auch er genötigt, das Gerät über die Microsoft-Homepage zu bestellen. Doch wenn er das tut, kann er was erleben.

Wie zum Beispiel ein Fachhändler aus Bayern, der mir folgende Geschichte erzählt und auch mit Belegen dokumentiert hat. Weil ein Kunde ihn darum gebeten hatte, bestellte der Händler am 24. Oktober vergangenen Jahres auf der Microsoft-Homepage das Surface RT mit 64 GB Speicher und schwarzem Touch Cover für 679 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Sein Kreditkartenkonto wurde auch bereits am folgenden Tag, also dem 25. Oktober, mit dem Betrag belastet. Der Kunde freute sich schon auf das Gerät, doch es kam nicht. Es kam nicht im Oktober, es kam nicht im November, es kam nicht im Dezember. Es kam einfach nicht. Unser Händler musste seinen Kunden ein ums andere Mal vertrösten. "Mein Kunde lief Amok, wie man sich vorstellen kann“, erinnert sich der Händler. Auf seine verschiedenen Anfragen bei Microsoft erhielt er verschiedene Erklärungen für das Ausbleiben der Lieferung, in denen der Logistikpartner die zentrale Rolle spielte. Zu Ihrer Information, lieber Herr Ballmer, hier mal eine Kostprobe aus einer E-Mail eines Microsoft-Mitarbeiters an unseren bayerischen Händler:

"Ich wollte Ihnen ein Update bezüglich Ihrer SR XXXXX und Sie wissen lassen, dass ich werden helfen Ihnen bei der Suche eine Lösung für dieses Problem.

Ich sehe, dass Ihr Paket mit Ihrer Oberflächemit Windows-RT (64GB) in unserem Lager in Obertraubling Deutschland unerwartet zurückgegeben. Ich wollte Sie wissen lassen, dass kann ich leider nicht erteilen eine Rücksendung des ursprünglichen Pakets, aber ich kann einen weiterenVersand der ein identisches Produktund lassen Sie es an Sie ausgeliefert völlig kostenlos (Produkt-und Versandkosten frei) als schnell wie möglich. Ich habe die Genehmigung von meinem Management angefordert, und ich bin derzeit auf die Genehmigung, um fortzufahren. Ich werde Sie kontaktieren, sobald ich die Genehmigungund empfangen erstellt haben den Auftrag und lieferte sie an Sie.

Wenn Sie weitere Fragen oder Bedenken haben, zögern Sie nicht auf diese E-Mail antworten, und ich werde glücklich sein, Ihnen bei der Lösung von Problemen, die entstanden sind, unterstützen können.

Mit freundlichen Grüßen,

XXX

Microsoft Online Support Team“

Die Antwortmail des Microsoft-Mitarbeiters erinnert sprachlich ein bisschen an die zahlreichen Spam-Mails aus Afrika, in denen mir mitgeteil wird, dass ein entfernter Onkel von mir verstorben sei und dass man bei der Suche nach einem Erben auf mich gestoßen sei und auf welches Konto man denn die vielen Millionen nun überweisen dürfe. Aber egal, anderes Thema.

Dann plötzlich, am 7. Januar, kam das Paket mit dem Surface-Tablet dann doch noch bei unserem Händler an. Sofort den Kunden benachrichtigt, gemeinsam das Teil begutachtet, dann stellte der Kunde fest, dass es doch nicht seinen Ansprüchen genüge und trat vom Kauf zurück. Nun liegt der Flachmann in der Ausstellung unseres Händlers und wartet auf einen anderen Käufer.

Lieber Herr Ballmer, mal abgesehen davon, dass Ihre Leute ganz schön lange brauchten, um das Produkt zum Käufer zu bringen und dessen Geduld auf eine lange Probe stellten, wird hier ein anderes Problem deutlich: Da man das Surface nirgends "live“ anschauen und in die Hand nehmen kann, sondern erst, nachdem man es bestellt hat und es dann tatsächlich auch geliefert worden ist, werden viele Käufer ihre finale Kaufentscheidung auch erst dann treffen. Und ich gehe jede Wette ein, dass ein hoher Prozentsatz der Kunden dann zum Schluss kommt, das Gerät doch nicht haben zu wollen und es unter Berufung auf das Fernabsatzgesetz wieder zurücksendet. Mit anderen Worten: Microsoft muss beim Surface Retouren haben ohne Ende (wobei "ohne Ende“ natürlich relativ zu sehen ist, nämlich relativ zu den insgesamt versandten Einheiten).

Man kann für den Kunden nur hoffen, dass es nicht ebenso lange dauert, bis er sein Geld wieder zurück hat. Oder steckt dahinter etwa System, um die Microsoft-Bilanz aufzubessern, indem man das gleich nach dem Kaufauftrag abgebuchte Geld des Kunden gewinnbringend anlegt, die Rendite einstreicht und erst Wochen oder Monate später dem Kunden sein Geld zurückerstattet, natürlich ohne Zinsen. Aber das hat Microsoft doch nicht nötig, oder?

Lieber Herr Ballmer, lassen Sie das mit dem Handeln am besten sein und überlassen Sie dies den Leuten, die wirklich etwas davon verstehen. Den Profis eben. Der ehemalige Deutschland-Chef von Compaq, Kurt Dobitsch, sagte einmal: "Die Hersteller sollen herstellen und der Handel soll handeln.“ Naja, lange her. Aber den Satz finde ich auch heute noch gut.

Aber die Sache mit dem Surface, lieber Herr Ballmer, ich bin mir noch immer nicht sicher, wie ernst es Ihnen damit wirklich ist. Jedenfalls habe ich nicht den Eindruck, dass Sie ALLES dafür tun, damit das Microsoft-Tablet ein Verkaufsschlager wird. Dass Sie, wie Ende vergangenen Jahres zu lesen war, enttäuscht über die Absatzzahlen sind, nun, es wäre doch ein Leichtes für Sie, dies zu ändern. Sie müssten das Teil ja nur für den indirekten Vertrieb freigeben. Daher glaube ich ja nach wie vor, dass Sie mit dem Surface vor allem den Microsoft-Hardwarepartnern einen Warnschuss verpassen wollten, nach dem Motto "Wir zeigen euch jetzt mal, wie so ein Tablet-PC mit Windows aussehen muss.“ Aber gut, ich kann mich auch irren.

Wie auch immer: Wenn Sie mit dem Surface-Tablett hier bei uns in Deutschland auf einen grünen Zweig kommen wollen, dann müssen Sie zumindest im Vertrieb etwas ändern. Oder besser gesagt: Sie müssen nicht im Vertrieb etwas ändern, sondern DEN Vertrieb ändern.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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