Mobbing: Der Feind in meinem Büro

Wer gemobbt wird, muss nicht nur um seinen Arbeitsplatz bangen, sondern auch um seine psychische Gesundheit. Wir sprachen mit Diplom-Psychologin Madeleine Leitner über ihre Erfahrungen mit Mobbing-Opfern und die Folgen der Schikane für die Psyche.

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Von
  • Marzena Sicking
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"Stress, Druck, Mobbing – wenn der Chef zum Feind wird": ARD-Polittalkerin Anne Will widmete ihre zweite Sendung im Dezember einem Thema, das viele Zuschauer schon aus eigener Erfahrung kannten: Dem krankmachenden Druck am Arbeitsplatz, der nicht durch Arbeitsmenge, sondern durch einen mobbenden Vorgesetzen ausgelöst wird, dem sogenannten "Bossing". Wir sprachen mit Diplom-Psychologin Madeleine Leitner über die Folgen der Schikane am Arbeitsplatz.

Madeleine Leitner: "Ich hatte vor allem früher, aber auch jetzt immer wieder mit solchen Mobbing-Opfern zu tun. Bei den meisten ist das Selbstwertgefühl dahin, sie haben Zukunftsängste, oft auch Depressionen, psychosomatische Symptome unterschiedlichster Art, viele sind auch arbeitsunfähig und krank."

Madeleine Leitner: "Wichtig ist, Mobbing nicht persönlich zu nehmen. Man kann es mittlerweile fast als "Volkssport" bezeichnen, was natürlich schlimm ist. Wenn möglich, sollte man sich klar machen, dass es sich um ein übles Spiel handelt, dem man zum Opfer gefallen ist. Es gibt auch Selbsthilfegruppen und natürlich Psychotherapeuten, bei denen man sich Unterstützung holen kann."

Madeleine Leitner ist seit 1982 als Diplom-Psychologin tätig und hat jahrelange Berufserfahrung als Psychotherapeutin und als Personalberaterin. Nach ihrer Approbation als Psychologische Psychotherapeutin wechselte sie 1989 in den Bereich Wirtschaftspsychologie. Ihre Schwerpunkte waren dabei Potenzialanalysen (Assessment Center mit etwa 2000 Bewerbern für die Deutsche Telekom AG in Bonn) und die Abwicklung von Personalsuchaufträgen , vorwiegend in technischen Branchen. 1997 verlagerte sie ihren beruflichen Schwerpunkt in den Bereich der persönlichen Karriereplanung und der beruflichen Neuorientierung.

Madeleine Leitner: "Generell kann es jeden treffen. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen sind aber abgesehen von Defiziten in der Organisation - der Fisch stinkt vom Kopf - zusätzlich besonders prädestiniert bestimmte Persönlichkeiten, und zwar unter zwei Aspekten: 1. Menschen, die eher ungewöhnlich sind und 2. Menschen, die eher irritierbar sind und die sich den Schuh dann auch anziehen, wenn Mobbing beginnt."

Madeleine Leitner: "Wenn es anfängt zu treffen! Wenn man den Eindruck hat, das ist ein vermeintlicher Witz, der mich aber verletzt. Dann sollte man spätestens die Sache mal ansprechen und sagen: hey, was ist denn hier los? Was soll das?"

Madeleine Leitner: "Indem er ihm sachlich (!) Paroli bietet. Wenn man zu sehr in die Opferrolle geht, kann man sogar dazu beitragen, dass sich Attacken noch steigern. Es gibt aber auch Chefs, die es wirklich darauf anlegen, den Mitarbeiter klein zu kriegen und fertig zu machen. Ich habe eine Dame betreut, die von ihrem Chef nur ständig angeschrien wurde. Nachdem sie sich nicht kleinkriegen ließ und er es auch nicht schaffte, sie auf de psychischen Ebene fertigzumachen, taten sich 6 Kollegen zusammen, die gegen sie aussagten. Sie wurde dann ohne Vorwarnung unter fadenscheinigen Gründen fristlos entlassen, weil ihr etwas in die Schuhe geschoben wurde.

Es gibt auch Chefs, die es darauf anlegen, Mitarbeiter so zu mobben, bis sie krank sind. Nach 6 Wochen Lohnfortzahlung steht das Mobbing-Opfer ja nicht mehr auf der Gehaltsliste. Die Krankenkasse springt ein, mit ungeheuren Kosten für die Versicherten! Wenn die Mitarbeiter dann Druck von der Krankenkasse bekommen und wieder arbeiten gehen sollen, bieten diese Arbeitgeber dann geradezu perfide an, dass der Mitarbeiter doch gerne wieder anfangen könne.... und zwingen ihn letztlich sogar dazu, selbst zu kündigen."

Madeleine Leitner: "Das Problem ansprechen: "Was Sie hier tun, ist typisch für Mobbing". Wird übrigens dann in der Regel geleugnet, aber die Gegenseite ist immerhin gewarnt, dass die Intrigen jetzt als solche erkannt sind. Mit anderen darüber sprechen, und zwar möglichst früh, damit das Selbstwertgefühl und die Gesundheit noch nicht dauerhaft angeschlagen sind. Manchmal macht es übrigens Sinn, auf Durchzug zu schalten, indem man sich klar macht, dass man es der Gegenseite sowieso nicht recht machen kann."

Madeleine Leitner: "Wenn man nicht eine sehr starke Persönlichkeit ist, ist ein solches Verfahren extrem belastend, zumal es extrem langwierig ist und die Aussichten nicht unbedingt positiv. Generell ist es besser, nach vorne zu blicken und sich nicht womöglich lebenslänglich mit dieser unangenehmen Sache beschäftigen zu müssen. Manche Mobbing-Opfer sinnen lange auf Rache oder suchen nach Gerechtigkeit, die sie in der Regel nie bekommen. Meine Erfahrung ist, dass die Täter irgendwann schon einmal ihre Strafe bekommen - auch wenn das lange dauert. Sie werden auch manchmal Opfer ihrer eigenen Methoden. Es gibt mittlerweile ein paar Grundsatzurteile mit Schadensersatzansprüchen, aber die verdanken wir sehr starken Menschen, die jahrelang durchgehalten haben und sehr viel Geld dafür zahlen mussten, für Anwälte und Verfahren."

Lesen Sie zu diesem Thema morgen auch das Interview mit dem Fachanwalt für Arbeitsrecht, Alexander Bredereck. Er erklärt, die rechtlichen Hintergründe und welche juristischen Möglichkeiten Betroffene haben.

(masi)