PC-Ware: Meuterei auf der Bounty

Die Stimmung in der Belegschaft des Systemhauses PC-Ware liegt, anderthalb Jahre nach der Übernahme durch die österreichische Raiffeisen Informatik, am Boden. Die Mitarbeiter fühlen sich nicht wertgeschätzt und halten die ganze Richtung für falsch. Wenn beide Seite nicht aufeinander zugehen, droht die Situation zu eskalieren. Dann wird es nur einen Gewinner geben: die Konkurrenz.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Mitarbeiter von PC-Ware,

wenn man es freundlich formulieren will, kann man sagen, dass es in der PC-Ware-Belegschaft rumort. Dass die Stimmung auf dem Nullpunkt ist, trifft die Sache wohl eher. Wer von Ihnen kommt morgens gerne zur Arbeit? Wer ist tagsüber mit Begeisterung und Einsatz dabei? Wer erzählt abends seiner Familie, was für einen erfolgreichen und befriedigenden Job in einer tollen Firma er hat? So wie es den Anschein hat, sind es wenige.

Aus Ihrer Sicht ist der Verkauf von PC-Ware an die Raiffeisen Informatik aus Österreich nicht das große Los. Eher der berühmte Griff in die Keramik. Die neuen Chefs benehmen sich wie Eroberer, zumindest empfinden Sie es so. Sie, die Mitarbeiter der PC-Ware, fühlen sich von den neuen Machthabern unverstanden, ungeachtet, ungeliebt. Aus Ihrer Sicht handelt es sich um eine feindliche Übernahme. Einer von Ihnen hat in der vergangenen Woche ein Schreiben verfasst, das die allgemeine Gemütslage der Belegschaft ausdrückt ("Sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Lämmer, die in einem großen Spiel um viel Macht und Geld geopfert werden?"). Dieses Schreiben - offiziell der Aufruf, einen Betriebsrat zu gründen - ist im Kern eine Abrechnung mit der neuen Unternehmensführung. Der Verfasser dieses Schreibens, welches auch heise resale vorliegt, musste für seine Kritik mit der fristlosen Kündigung bezahlen. (Die Leipziger Volkszeitung - "Mitarbeiter begehren gegen PC-Ware-Vorstand auf" – hat über dieses Thema ausführlich berichtet.)

Liebe PC-Ware-Mitarbeiter, ich kann Sie verstehen. Einerseits. Denn die Österreicher vermitteln auch uns Außenstehenden nicht den Eindruck, dass Ihnen viel daran gelegen ist, Sie auf ihrem Wege mitzunehmen oder gar für ihre neuen Pläne zu begeistern. Andererseits scheint Ihnen die ganze Richtung der neuen PC-Ware-Führung nicht zu passen. Sicher ist ist es gut und richtig, einen Betriebsrat gründen zu wollen, wenn im Betrieb etwas schief läuft und Arbeitnehmerrechte nicht gewahrt werden. Aber machen Sie sich keine falschen Hoffnungen: Es wird nie wieder wie früher!

Die PC-Ware kommt mir momentan so vor wie ein ehemaliges Kreuzfahrtschiff, welches von dem neuen Eigner in einen Tanker umgebaut werden soll. Die bisherige Crew ist entsetzt, fühlt sich übergangen und ist darüber hinaus der Meinung, dass dies eine ganz schlechte Idee ist (womit sie vermutlich Recht hat). Doch der neue Eigner ist entschlossen, seinen Plan umzusetzen und auch nicht mehr wie bisher die Mittelmeer-Route zu nehmen, sondern in anderen Gewässern zu schippern. Liebe PC-Ware-Mitarbeiter, das ist das Dumme am Matrosen-Sein: Man hat einfach so wenig zu sagen. Wenn der Kapitän sagt, wir fahren nach Norden, dann kann man sich auf den Kopf stellen, auf den Boden schmeißen oder in den Hungerstreik treten, weil man meint, im Süden sei es viel schöner, der Kapitän wird bei seiner Entscheidung bleiben. Es kann natürlich sein, dass die Matrosen absolut Recht haben und die Entscheidung des Kapitäns, nach Norden zu fahren, letztlich im Untergang und Absaufen des Schiffes endet, aber das weiß man dann erst nachher. Der Kapitän bestimmt die Richtung, so ist das nun mal. Es ist auch völlig natürlich, dass er diejenigen Matrosen, die sich ihm widersetzen oder versuchen, eine Meuterei anzuzetteln, über Bord wirft. Wenn er gnädig ist, wirft er noch einen Rettungsring (Abfindung) hinterher. Übrigens: Auf einem ganz anderen Blatt steht natürlich die Frage, ob es wirklich schlau ist, ein Kreuzfahrtschiff zu kaufen, um es anschließend in einen Tanker umzubauen und die Schiffscrew nicht besonders wertschätzend zu behandeln.

Die Matrosen haben in diesem Bild nur zwei Handlungsoptionen: Entweder sie gehen freiwillig von Bord und heuern auf einem anderen Schiff an. Das scheinen derzeit einige von Ihnen zu planen und setzen große Hoffnungen in Ihren ehemaligen Chef Dr. Knut Lösche. Der hat sich nämlich vor kurzem als „strategischer Aktionär“ (Pressemitteilung) mit mehr als zwölf Prozent an dem IT-Dienstleister Softline AG beteiligt. Und die Softline AG wird ihren Hauptsitz nach Leipzig verlegen, wie Vorstandschef Christoph Michel mir in der vergangenen Woche telefonisch bestätigte. Nun hoffen viele PC-Ware-Mitarbeiter, bei Softline eine neue berufliche Heimat zu finden. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, aber ich frage mich, wie viele von Ihnen Softline (Umsatzerwartung 2010: 16,5 Mio Euro) wirklich bezahlen kann?

Die andere Handlungsoption besteht darin, was der frühere Chef von General Electric, Jack Welch, in seinem Buch „Winning“ Menschen empfiehlt, die in einem übernommen Unternehmen arbeiten und auch dort bleiben wollen. In dem Kapitel „Fusionen und Übernahmen" beschreibt Welch sieben häufige Faktoren, die zu einem Scheitern von Firmenzusammenschlüssen führen. Nur einer davon betrifft das übernommene Unternehmen, in diesem Fall also Sie, liebe PC-Ware-Mitarbeiter. Dieser Faktor läßt sich am besten mit "Widerstand" oder "mangelnder Kooperationsbereitschaft" beschreiben.

Nicht selten bringen Angestellte des gekauften Unternehmens dem neuen Hausherren Misstrauen und Antipathie entgegen. Doch damit schaden sie sich nur selbst, meint Welch. "Für den Käufer gibt es nichts Schlimmeres, als einen Batzen Geld für eine Firma auszugeben, in der ihm nur Missbilligung, Misstrauen und Bitterkeit entgegen schlagen, sobald er die Tür öffnet", schreibt er. Und er fährt fort: "Etwas Widerstand gegen Veränderungen ist absolut normal. Doch jeder, der seinen Job behalten (...) und der Spaß an der Arbeit haben will, sollte sich nicht wie ein Opfer verhalten. Springen Sie über Ihren Schatten und überlegen Sie, welchen Beitrag Sie aktiv zum Gelingen der Fusion leisten können. Zeigen Sie, was in Ihnen steckt, und blicken Sie optimistisch in die Zukunft. (...) Wer sich aus Angst, Unsicherheit oder Wut gegen eine Fusion sträubt, macht sich nicht nur das Leben schwer, sondern schießt sich normalerweise sogar selbst ab." Klingt plausibel, wenn Sie mich fragen.

Und weil´s so schön ist, noch ein Zitat von Welch: "Die neuen Eigentümer werden sich immer mit den kooperativen Mitarbeitern und Managern umgeben, selbst wenn ein skeptischer Kandidat besser qualifiziert wäre. Daher ist jedem, der in einem übernommenen Unternehmen überleben möchte, zu empfehlen, Angst und Misstrauen zu überwinden und die gleiche Freude über den Deal an den Tag zu legen, wie das die Chefs tun." Man beachte: Welch sagt nicht, man müsse diese Freude über die Übernahme wirklich "empfinden", sondern man müsse sie nur "an den Tag legen"; also selbst wenn Sie nicht begeistert sind, tun Sie so als ob, spielen Sie Theater. Zumindest so lange, bis Sie einen neuen Job haben oder sich die Lage auf andere Weise verbessert.

Daher bei allem Verständnis für Ihre Situation: Vergessen Sie nicht die Realitäten!

Beste Grüße

Damian Sicking

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