RIM oder R.I.P.: Dann doch lieber Blackberry!

heise-resale-Kolumnist Damian Sicking ist noch immer fasziniert von der Leidenschaft, mit der in den sozialen Netzwerken über die neuen Blackberrys diskutiert wird. Da geht es nicht immer nur sachlich, sondern auch höchst emotional zu. Moment mal: Blackberry und Emotionen? Seit wann passt das denn zusammen?

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Von
  • Damian Sicking

Blackberry-Chef Thorsten Heins

(Bild: Blackberry)

Lieber Blackberry-Chef Thorsten Heins,

alle Achtung! Die Medienaufmerksamkeit, die Blackberry in der vergangenen Woche weltweit erfuhr, konnte sich sehen lassen. Kaum eine Zeitung, eine TV-Station, ein Internet-Newsportal, welches nicht über den Launch der beiden neue Blackberry-Geräte vergangene Woche berichtet hatte. Vergleichbares kannte man bisher nur von Apple.

Inzwischen ist ja Vieles zu den neuen Produkten "Z10" und "Q10", über das renovierte Betriebssystem sowie über die Überlebenschancen des Unternehmens RIM geschrieben worden. Nicht nur von professionellen Reportern und Redakteuren, sondern auch von allen möglichen anderen Leuten, die glaubten, sich zum Thema äußern zu müssen. Eigentlich ist ja schon alles gesagt worden – nur noch nicht von allen. Ich zum Beispiel habe mich noch gar nicht öffentlich geäußert. Höchste Zeit, das zu ändern. Aber keine Sorge, lieber Herr Heins, nur ein paar kurze Anmerkungen.

Erstens finde ich es klasse, dass Sie den Namen des Unternehmens ändern. Denn es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis das Kürzel "RIM" von irgendeinem bösartigen Journalisten in "R.I.P" ("Requiescat in pace" – "Ruhe in Frieden") verballhornt worden wäre.

Zweitens finde ich es eine tolle Idee, die Sängerin, Pianistin, Songschreiberin und Schauspielerin Alicia Keys als "weltweite Kreativdirektorin" zu verpflichten. Mir ist zwar nicht ganz klar, welche Aufgabe Alicia genau hat, aber egal. Auf jeden Fall eine sehr gute Wahl, viel besser als zum Beispiel Christina Aguilera. Alicias Musik ist zwar eingängig und gefällig, ist aber gleichzeitig anspruchsvoll und hat eine gewisse Klasse. Die Wahl von Alicia zeigt mir daher glasklar, auf welche Zielgruppe Sie es abgesehen haben: In Anlehnung an den Claim einer deutschen Partnervermittlung positionieren Sie die Marke Blackberry als das Smartphone für Akademiker und Menschen mit Niveau. Bravo!

Drittens: Von den vielen Artikeln, die ich in den letzten Tagen zum Thema gelesen habe, gefiel mir einer im Handelsblatt am besten. Leider ist der Beitrag bis heute nicht online zu finden, er erschien am 31. Januar in der Printausgabe. Unter der Überschrift "Thorsten Heins: Blackberrys Erwecker" schreibt US-Korrespondent Rolf Benders, dass amerikanische Journalisten bei Ihrem Amtsantritt vor einem Jahr sagten, Sie sähen aus "wie ein als Johnny Cash verkleideter Ingenieur". Nach Ihrem selbstbewussten Auftritt bei der Präsentation am vergangenen Mittwoch würde das niemand mehr sagen. Benders: "Heins wirkt heute nicht mehr wie ein Ingenieur im Johnny-Cash-Look, sondern wie ein Chefarzt beim Abendempfang, der zuvor einen Patienten aus dem Koma geholt hat." Ein nettes Kompliment, finde ich.

Viertens: Was mich wirklich fasziniert hat, ist die Leidenschaft, mit der in den sozialen Netzwerken wie Facebook über die neuen Blackberrys und die Zukunftsaussichten des Unternehmens diskutiert wurde. Da ging es nicht immer sehr sachlich, sondern höchst emotional zu. Diese Tatsache an sich ist ja schon interessant, denn Emotionen brachte man bisher mit Blackberry kaum in Verbindung, anders als – zum Beispiel – bei Apple. Jetzt zeigte sich: Auch Blackberry hat Fans, eingefleischte Fans sogar, genau wie die Firma mit dem angebissenen Apfel. Und offenbar sind sich beide Lager in herzlicher Antipathie verbunden.

Schon während der Blackberry-Präsentation am vergangenen Mittwoch ging es auf den deutschen Facebook-Seiten los. Das Blackberry-Lager bejubelte die neuen Geräte und lieferte sich mal mehr, mal weniger amüsante Wortgefechte mit dem Apple-Jüngern. Mitten drin: Meine Frau, eine bekennende Blackberry-Anhängerin. Je länger die Diskussion andauerte, desto hitziger und verbissener wurden die Kommentare, so dass man zeitweilig schon den Eindruck gewinnen konnte, dass es sich hierbei um einen Religionskrieg handele. Emotionen halt. Warum aber gerade die Apple-Fans so eifrig mit Gift um sich spritzen, muss mir mal ein Psychologe erklären.

Da wurde zum Beispiel jeder Blog aus dem fernsten Winkel der Welt zitiert, demzufolge die neuen Blackberrys technisch nichts bieten würden, was die Geräte anderer Hersteller nicht auch hätten. Meine Meinung dazu: Selbst wenn das so wäre – es gibt auch andere Experteneinschätzungen –, muss man sich die Frage stellen, ob es wirklich immer oder überwiegend diese technischen Features sind, welche die Kaufentscheidung der Kunden bestimmen, oder ob es nicht gerade beim Smartphone, also dem persönlichsten aller Personal Computer, andere Parameter sind, die über das "Haben wollen" entscheiden. Gerade die Apple-Jünger sind ja ein Beispiel dafür, welche Rolle auch emotionale Faktoren spielen.

Die Beziehung zwischen dem Mensch und seinem Smartphone ist vielleicht ähnlich der zwischen dem Menschen und seinem Auto. "Zeige mir dein Smartphone, und ich sage dir, wer du bist." Stellt sich die Frage, was Blackberry wäre, wenn es sich um eine Automarke handelte.

"Also BMW schon mal nicht", meinte meine Frau, mit der ich mich über diese Frage unterhielt. "BMW ist die Marke für jugendliche Heißsporne mit dem Hang zu riskanten Überholmanövern und insgesamt rüpelhaftem Auftreten innerhalb und außerhalb ihres 3er BMWs. Und ab dem 5er sind es sportliche Autos für nicht sehr sportliche Fahrer." BMW = Apple iPhone, so meine Frau.

"Audi auch nicht", fuhr sie fort. "Solide, technisch und von der Verarbeitung her top, nett anzuschauen, aber eher unauffällig ohne Ecken und Kanten und tendenziell eher langweilig." Audi = Samsung.

Mercedes? Meine Frau zögerte. Ich sprang ein: "Bei Mercedes denke ich eher an Nokia. In den vergangenen Jahren wichtige Trends verpennt mit großen Lücken in der Modellpalette. Jetzt wieder ein paar interessante Eisen im Feuer. Aufholpotenzial."

"Ich hab´s", rief meine Frau endlich. "Wenn Blackberry ein Auto wäre, dann am ehesten ein Saab, also das Auto der Psychiater, Rechtsanwälte, Chefredakteure und sonstigen Intellektuellen." Nun ja, einerseits würd´s von der Positionierung her passen (siehe Alicia Keys), andererseits kann man angesichts des Schicksals von Saab nur sagen: Hoffentlich hat meine Frau unrecht.

Good luck!

Damian Sicking

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