Runtergefahren

Die öffentliche Hand muss bereits heute Umweltaspekte bei Ausschreibungen berücksichtigen. Wollen auch private Unternehmen Energiekosten einsparen und umweltfreundliche IT einsetzen, müssen sie ihre Verträge entsprechend ausgestalten.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Was hat Green IT mit Recht zu tun? Eine ganze Menge. Selbst wenn die derzeitige Finanzkrise den Fokus weg von Umweltschutzbelangen hin zu anderen wichtigen Themen lenkt. Gerade die Beschaffung der öffentlichen Hand ist nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet, Umweltaspekte – wie Energieverbrauch oder auch Lärmentwicklung – bei der Beschaffung von IT-Komponenten zu berücksichtigen, und darf Angebote mit Verweis auf umweltschädliche Aspekte ablehnen.

Dort und im privaten Sektor haben einzelne Projekte bereits bewiesen, dass man durch „Green IT“ durchaus Geld sparen kann. Werden also hier Investitionen getätigt, sind die Kauf- oder Generalunternehmerverträge entsprechend auszugestalten. Denn nur dann kann man sich bei Nichteinhaltung der Vorgaben in den Leistungsbeschreibungen durch den Lieferanten auf die Mängelrechte berufen.

Unter Green IT versteht man laut Wikipedia „Bestrebungen, die Nutzung von Informationstechnik (…) über deren gesamten Lebenszyklus hinweg umwelt- und ressourcenschonend zu gestalten, also vom Design der Systeme und zur Produktion der Komponenten über deren Verwendung bis zur Entsorgung, beziehungsweise dem Recycling der Geräte“. Sieht man von der durch Verwaltungsgesetze stark reglementierten Entsorgung und Verwertung von IT-Komponenten am Ende ihrer Lebensdauer ab, befasst sich Green IT mit der umweltfreundlichen Nutzung von IT. Es geht in erster Linie um Verbrauch von Energie bei Betrieb und Herstellung.

Behörden nur teilweise gerüstet

Bundesumweltminister Gabriel hat zur CeBIT 2009 ein 25 Millionen Euro schweres Förderprogramm für klimafreundliche IT-Innovationen angekündigt. Viel ist davon aber noch nicht zu sehen. Im Gegenteil scheint man den Ressourcenverbrauch durch die Rechner der Bundesbehörden bei den zuständigen Stellen nicht einmal selbst zu kennen. Auf eine entsprechende Anfrage der FDP konnte das Bundesinnenministerium keine Antwort geben.

Ganz anders dagegen das Bundesumweltministerium, das durch Modernisierung einer IT-Anlage nicht nur etliche Tonnen CO2 pro Jahr einspart, sondern zusätzlich circa 12 000 Euro an Energiekosten pro Jahr. Neben besonders umweltfreundlichen Systemen legte man großen Wert auf Virtualisierung, die ganze Serverfarmen einsparen half – was neben den Anschaffungskosten auch gleich den Stromverbrauch senkte.

Die verbindliche Vorgabe des Rates der IT-Beauftragten lautet, dass die Rechneranlagen der Bundesbehörden bis 2013 40 % weniger Strom verbrauchen sollen. Der IT-Rat kümmert sich auf Bundesebene um die Koordination der Strategien, Architekturen und Standards der IT in den verschiedenen Ressorts.

Dass Umweltaspekte zukünftig noch stärker Berücksichtigung finden, belegen auch die „Empfehlungen für
die umweltgerechte Beschaffung von Desktop-PCs“, die das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern in Zusammenarbeit mit BITKOM und dem Bundesumweltamt entwickelte. An Leitfäden für die Beschaffung von Notebooks und Servern wird schon gearbeitet.

Zwar handelt es sich hierbei rechtlich nicht um verbindliche Vorschriften, sondern lediglich um „Empfehlungen“. Dennoch werden sie zum Bestandteil eines Kaufvertrages, wenn der Besteller sie in seinen Vergabeunterlagen umgesetzt hat. Sie reichen von der „Verlängerung der Lebensdauer, Rücknahme und Verwertung“ über Energieverbrauch und – auch das ist Umweltschutz – die Problematik der Geräuschemissionen bis hin zu den Materialeigenschaften, wie dem Ausschluss bestimmter Stoffe und Halogenverbindungen.

Empfehlungen auch für Privatwirtschaft

Der Leitfaden richtet sich ausdrücklich auch an „Einkäufer von Unternehmen und privaten institutionellen Beschaffern“. Berücksichtigt man, dass die öffentliche Hand jährlich etwa 17 Milliarden Euro im Bereich der ITK-Beschaffung ausgibt, ist jeder gut beraten, der sich mit diesen Aspekten intensiv beschäftigt.

Der Leitfaden geht ebenfalls auf die allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen vom Januar 2008 und der Neufassung der Energy-Star-Verordnung vom März 2008 ein. Etliche der umweltrelevanten Forderungen in diesen Leitfäden und Rechtsvorschriften zielen auf Herstellererklärungen oder Prüfberichte zertifizierter Prüfeinrichtungen, zum Beispiel nach ISO 7779 oder ISO 17025, die die Einhaltung dieser Vorgaben transparent belegen sollen. Diese Herstellererklärungen können bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein wertvolles Beweismittel sein.

Aber auch das streng geregelte deutsche Vergaberecht befasst sich mit Umweltaspekten bei der Ausschreibung durch die öffentliche Hand. In den Verdingungsordnungen (VOL/A, VOL/B und VOF) steht, dass Umweltaspekte als Teil der technischen Anforderungen Eingang finden und dass Umwelteigenschaften zulässige Zuschlagskriterien sein können. Das neue Schlagwort dazu lautet „Green Public Procurement“. Europaweit beläuft sich der Anteil der Vergabeverfahren, bei denen Umweltaspekte eine Rolle spielen, mittlerweile auf rund 60 %, wie das Ergebnis eines EU-Projektes zu diesem Thema bereits 2005 zeigte.

Vom Totschlagzum Vorzugskriterium

Die Zeiten, in denen es juristisch umstritten war, ob „Umweltaspekte“ Berücksichtigung bei der Vergabe durch die öffentliche Hand finden dürfen, sind seit dem Erlass einiger wesentlicher Gerichtsentscheidungen auf diesem Gebiet und der Aufnahme entsprechender Umweltgesichtspunkte in die relevanten Vorschriften vorbei. Früher waren diese Aspekte noch als „vergabefremd“ gebrandmarkt, was seinen Ausdruck darin fand, dass Verdingungsunterlagen häufig aus diesem Grund gerichtlich erfolgreich angefochten wurden.

Noch aber fehlen „Empfehlungen“ oder Regelungen in den Standardverträgen zur IT-Beschaffung durch öffentliche Einrichtungen. In den dafür entwickelten „Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen“, kurz EVB-IT, fehlt bislang ein durchgehender Hinweis auf derartige Aspekte. Allerdings stammt die letzte Überarbeitung der EVB-IT auch aus dem Jahr 2002.

Zwar gilt das Vergaberecht nicht für die Privatwirtschaft, aber man darf sich dort gerne für eigene Beschaffungsvorgänge etwas abschauen. Teilweise ermuntern die Verfasser von Leitfäden und dergleichen sogar dazu, sich ihrer Ideen zu bedienen. Auch in diesem Bereich gilt: Wer Energiekosten einsparen will, muss sich bereits bei der Vorbereitung einer Beschaffung von Soft- und Hardware darüber Gedanken machen.

Für Kühlung und Betrieb von Rechenzentren wird laut einer Studie von Gartner rund ein Viertel des Energieverbrauchs der gesamten IT- und TK-Branche aufgewendet. Wenn dieser Aspekt beispielsweise durch eine private Ausschreibung neuer Hardware berücksichtigt werden soll, muss das als Vorgabe in den Ausschreibungsunterlagen stehen. Nur dann kann der Besteller seinen Lieferanten auch in die (juristische) Verantwortung nehmen, wenn sich hinterher der „versprochene“ geringe Energiebedarf nicht einstellt.

Zur Mängelbeseitigung gesetzlich verpflichtet

In dem Fall liegt ein Mangel im Sinne der kaufvertraglichen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vor, weil die versprochene Leistung von der tatsächlich erbrachten Leistung abweicht, und der Besteller kann – wenn hierzu der Vertrag nichts Abweichendes regelt – „Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache“ verlangen (§ 439 BGB). Ist diese Nacherfüllung fehlgeschlagen, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten und Schadensersatz verlangen. Noch besser ist es für den Käufer, wenn die umweltschonenden Aspekte im Rahmen einer Beschaffenheits- oder Haltbarkeitsgarantie in den Vertrag aufgenommen wurden.

Umgekehrt hat der Lieferant Interesse daran, seine Rechte zu wahren. Er sollte nur das zusichern, was er tatsächlich leisten kann, und sich für Mängelfälle entsprechende Klauseln im Vertrag vorbehalten, die die Abwicklung solcher Mängel im Detail regeln. Auch an Begrenzung des Schadensersatzes, ausdrücklichen Ausschluss von Garantien und dergleichen sollte er denken.

Diese Überlegungen gelten ebenso für die Softwareentwicklung. Sind Softwarebefehle unnötig kompliziert, müssen Rechner längere Zeit arbeiten, um die Aufgabe zu lösen. Dies erhöht die Prozessornutzung und damit den Energieverbrauch. „Wir haben durch schlecht geschriebene PHP-Skripte eine hohe Ressourcenbelastung“, sagte Damian Schmidt, Vorstandschef der Strato AG vor einiger Zeit. Auch hier gilt: Wer schreibt, der bleibt. Wer seine Anforderungen und seine Rechte im Vertrag niederlegt, bleibt vor juristischem Ungemach weitgehend gefeit.

Vorsicht ist für Hersteller von Hardwarekomponenten unter anderem beim Bewerben ihrer Produkte angezeigt. Denn juristische Fallstricke können sich auch in den Wertangaben zum Energieverbrauch verbergen. Ähnlich den Verbrauchsangaben bei Kraftfahrzeugen berechtigten sie Käufer bei zu hohem Verbrauch zu rechtlichen Konsequenzen. Gerade bei Hardware ist der Energieverbrauch vorhersehbarer als bei Autos. Denn die maximale Prozessorleistung eines Servers lässt sich besser vorausbestimmen als der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs, bei dem weitere Unwägbarkeiten wie Reifenart, Art des Straßenbelags, klimatische Bedingungen, zusätzliche Verbraucher und dergleichen Auswirkungen haben können.

Werbeaussagen verpflichten

Vielen unbekannt ist, dass nach den Kaufvorschriften im BGB auch Angaben in der Werbung des Anbieters starken Einfluss auf die Rechte des Käufers haben können, denn dieser darf sich auf die Richtigkeit dieser Angaben verlassen. Wenn sie nicht zutreffen, können selbst Konkurrenten durch Abmahnung oder einstweilige Verfügungen Unterlassung verlangen und Ärger bereiten.

Schließlich gibt es auch erste Vorgaben des Gesetzgebers. So dürfen etwa Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik ab 2010 maximal 2 Watt im Standby-Betrieb verbrauchen. Durch die Presse ging ebenfalls das schleichende Verbot herkömmlicher Glühbirnen. Davon abgesehen setzen Politik und Gesetzgeber derzeit noch eher auf den Aspekt der Freiwilligkeit.

So hat die Europäische Union mit dem „Code of Conduct on Data Centres Energy Efficiency“ einen Verhaltenskodex vorgelegt, dem sich Unternehmen im Rahmen einer Selbstverpflichtung unterwerfen können. Zwar ist die Akzeptanz bislang gering, von Sun Microsystems einmal abgesehen, und es fehlen weitreichende Sanktionsmöglichkeiten, wenn ein Unternehmen dagegen verstößt, aber als Marketingargument oder als Qualitätsmerkmal mag es sich trotzdem eignen. Dennoch gilt, dass ein Konkurrent rechtliche Schritte einleiten kann, wenn sich ein Unternehmen die Einhaltung eines solchen Code of Conduct werbewirksam auf die Fahnen schreibt, sich aber tatsächlich nicht daran hält.

Fazit

Noch existieren nicht sehr viele Rechtsfragen im Spannungsfeld zwischen Green IT und Recht, das wird sich aber voraussichtlich in den nächsten Jahren ändern. Der Begriff „Green IT“ selbst ist rechtlich nicht definiert und wird es wohl auch kaum werden. Ein genauer Blick auf Werbung mit diesem Label ist daher angeraten, denn wo Green IT draufsteht, muss nicht rechtlich zwingend umweltschonende Technik drin sein. Nur, wenn beispielsweise der „blaue Engel“ auf einem Produkt aufgebracht ist, darf man sich darauf verlassen, dass der Hersteller die Vergabevorgaben für dieses Logo eingehalten hat. Andernfalls drohen Sanktionen in Form von Bußgeldern und Unterlassungsansprüchen, insbesondere durch Konkurrenten.

Bei Verträgen, in denen man Umweltaspekte berücksichtigt wissen will, gilt auch hier der allgemeine Grundsatz: Alle wesentlichen Details sollten ebenso geregelt sein wie Konsequenzen, wenn bestimmte Leistungsmerkmale nicht eingehalten werden. Zum Beispiel im Bereich Energieverbrauch und Lärmbelästigung.

Tobias Haar, LL.M., ist Syndikusanwalt und Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht. (gs)