Schnäppchenspekulation

Auch ein umfangreicher gesetzlich verankerter Verbraucherschutz berechtigt Käufer nicht dazu, offensichtliche Irrtümer von Anbietern auszunutzen, um sich selbst zu bereichern. Wer darauf spekuliert, bei erkennbar fehlerhaften Preisangaben im Internet Waren zu Schleuderpreisen zu erwerben, kann einen solchen Anspruch selbst dann nicht unbedingt vor Gericht durchsetzen, wenn er versehentlich eine Bestellbestätigung erhalten hat.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Fälle, in denen ein Internet-Verkäufer hochwertige Ware zähneknirschend zu einem Spottpreis an den Käufer abgeben musste, weil er sich bei der Preisauszeichnung geirrt beziehungsweise bei der Eingabe vertan hatte oder ein technischer Fehler im System vorlag, geistern zuhauf durch Weblogs, Foren und Printmedien. Sie betreffen häufig Fälle, in denen der Abschluss eines Kaufvertrags über eBay oder eine andere Online-Verkaufsplattform zustande kam.

Oft hatte etwa ein Verkäufer bei einer Auktion entweder versehentlich oder in der Absicht, Einstellkosten zu sparen, einen Startpreis von 1 Euro angegeben. Wenn die erwarteten lukrativen Gebote aus irgendeinem Grund unterblieben, haben solche Auktionen, wenn sie regulär abliefen, gelegentlich mit einem katastrophal niedrigen Höchstgebot geendet [1]. Sehr oft haben Verkäufer aber auch den Verlauf einer solchen Auktion beobachtet und diese gestoppt, nachdem sie entweder ihren Fehler bemerkten oder auch bloß erkannten, dass ein marktgerechter Preis nicht annähernd erzielt werden konnte [2].

Der vorzeitige Abbruch von eBay-Auktionen kann für Anbieter jedoch problematisch sein: Gemäß § 10 Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von eBay kommt dann ein Vertrag mit dem bislang Höchstbietenden zustande, sofern der Anbieter nicht wirklich zur Rücknahme des Angebots berechtigt war. Als Voraussetzung für die Rücknahme sehen die AGB einen Erklärungsirrtum (falsches Produkt, irrtümliche Preisauszeichnung) oder die Zerstörung beziehungsweise den Verlust der angebotenen Ware an.

Der vermeintliche Anspruch auf ein irreguläres Superschnäppchen hat in zahlreichen Fällen zu Rechtsstreitigkeiten geführt. Diese betrafen allerdings meistens Bestellungen preislich falsch ausgezeichneter Waren von Internet-Versandshops. Ein angerufenes Gericht prüft dann normalerweise zuerst, ob überhaupt ein wirksamer Kaufvertrag zwischen Händler und Kunde zustande gekommen ist. Ist dies der Fall, widmet man sich im nächsten Schritt der Frage, ob das Festhalten des Kunden an einer falschen Preisangabe eine unzulässige Rechtsausübung darstellt und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt – dann nämlich kann ein Besteller seinen Lieferanspruch nicht mehr durchsetzen.

Sollte der Händler seine Vertragserklärung wegen Irrtums (§ 119 Abs. 1 BGB) oder falscher Übermittlung (§ 120 BGB) angefochten haben, wird der Anfechtungsgrund eingehend geprüft. Bei wirksamer Anfechtung gilt der Kaufvertrag als von Anfang an nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB). Eine erfolgreiche Anfechtung wegen Irrtums kann allerdings dazu führen, dass dem Besteller Schadenersatzansprüche gemäß § 122 BGB zustehen. Das gilt jedoch nur, wenn sich ihm die Gründe für die Anfechtbarkeit des Kaufvertrags von Seiten des Händlers nicht geradezu aufdrängen mussten.

Ein Angebot (§ 145 BGB) und dessen Annahme (§ 146 ff. BGB) führen gemeinsam zum Vertragsschluss. Beide Vertragserklärungen müssen einen unzweifelhaften rechtlichen Bindungswillen erkennen lassen. Wenn ein Händler ein Warenangebot online stellt, so ist das nach einhelliger Rechtsmeinung noch nicht als Vertragsangebot, sondern lediglich als Anpreisung der entsprechenden Ware ("invitatio ad offerendum") aufzufassen – also als Einladung an alle Interessenten, ein Kaufangebot abzugeben. Sie richtet sich nicht an einen einzelnen Geschäftspartner, sondern an eine unbestimmte Vielzahl von Personen [3].

Dabei will sich der Händler nicht unbedingt schon rechtlich binden – es kann ja etwa sein, dass ihm nur ein begrenzter Warenbestand zur Verfügung steht oder dass er sich vor dem Abschluss eines Vertrags erst von der Bonität des jeweiligen Kunden überzeugen möchte. Das bindende Angebot zum Vertragsschluss erfolgt durch den Kunden, wenn er die Ware bestellt. Nach Eingang der Bestellung versendet das Shopsystem meist automatisch innerhalb weniger Minuten eine Auftrags- oder Bestellbestätigung. Händler sind nach § 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB verpflichtet, eine solche Bestätigung zu verschicken.

Ob sie dabei nur dieser Gesetzespflicht Genüge tun oder bereits eine rechtlich bindende Vertragsannahme erklären wollen, wird allerdings je nach Lage des Einzelfalls stark unterschiedlich beurteilt – es hängt unter anderem vom Wortlaut der Bestätigung und von den etwa in den Vertrag eingebundenen AGB ab. So hat das OLG Frankfurt [4] in der Formulierung "Vielen Dank für Ihren Auftrag, den wir so schnell als möglich ausführen werden" eine bindende Vertragsannahme gesehen. In gleicher Weise entschied das Amtsgericht (AG) Westerburg [5] bei der Formulierung "Am Ende finden Sie eine Auflistung der Bestellung, die wir so schnell wie möglich für Sie bearbeiten werden". Auch der Bundesgerichtshof (BGH) betrachtete die Bestätigung eines Händlers, mit der dieser sich für die Erteilung des Auftrags bedankte und erklärte, dieser werde nunmehr bearbeitet, als Erklärung einer Vertragsannahme [6].

Ein Hinweis auf die "Bearbeitung" genügte dem Landgericht Nürnberg-Fürth [7] und dem OLG Nürnberg [8] jedoch noch nicht als Beleg für eine Vertragsannahme. Eine "Bearbeitung der Bestellung" sei nach allgemeinem Sprachgebrauch ergebnisoffen und bedeute eben gerade noch keine abschließende Entscheidung über eine rechtlich verbindliche Vertragsannahme, so das OLG. Das LG betonte, der Umstand, dass ein Fernabsatzhändler durch Versendung einer Auftragsbestätigung nur einer gesetzlichen Verpflichtung nachkomme, dürfe sich nicht zu dessen Lasten auswirken. Das LG Hamburg [9] sah in der Aussage "Wir haben Ihre Bestellung wie folgt aufgenommen" ebenfalls noch keine Vertragsannahme.

Händler, deren Kunden bei unbeabsichtigten Superschnäppchen-Angeboten auf einer Lieferung bestehen, erklären normalerweise vorsorglich die Anfechtung des Kaufvertrags wegen Irrtums bei der Annahmeerklärung oder wegen deren falscher Übermittlung. Die meisten Gerichte, die eine Bestellbestätigung als Vertragsannahme gewertet hatten, akzeptierten derartige Anfechtungsgründe. So wertete das OLG Frankfurt (s. o.) einen Softwarefehler im System, aufgrund dessen die Kommasetzung bei der Kaufpreisangabe um zwei Stellen nach links verrutscht war, so dass der ausgewiesene Kaufpreis nur ein Prozent der beabsichtigten Summe betrug, als Übermittlungsirrtum.

Manchmal sehen die Gerichte im Bestehen auf einen vermeintlichen Lieferanspruch eine unzulässige Rechtsausübung des Kunden. Derartiges sei zumindest dann der Fall, wenn offenkundig sei, dass die angebotene Ware oder Leistung für den ausgewiesenen Preis in keinem Fall erworben werden könne [10]. Liegt die vom Privatkunden georderte Stückzahl deutlich über einer Bestellmenge, die in Privathaushalten üblich ist, werten manche Gerichte das als Hinweis darauf, dass der Kunde das grobe Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erkannt hat und für sich ausnutzen will.

Dass es im Internet hin und wieder tatsächlich besonders günstige Angebote geben kann, ist den Gerichten dabei nicht verborgen geblieben. Wenn ein ausgewiesener Kaufpreis sich noch in einigermaßen realistischen Grenzen bewegt, darf ein Käufer diesen durchaus ernst nehmen. So gab das LG Köln (s. o.) der Klage eines Kunden statt, der die Lieferung eines Artikels forderte, dessen Kaufpreis aufgrund einer Verwechslung der Währungseinheiten DM und Euro nur rund 50 Prozent der beabsichtigten Summe betrug. Bei einer solchen Preisabweichung müsse der Kunde nicht mit einem Irrtum des Händlers rechnen, so das Gericht.

Als Orientierungshilfe kann, wie so oft im E-Commerce, vielleicht auch in Bezug auf realistische Schnäppchenpreise das geflügelte Wort dienen: "Wenn etwas zu schön klingt, um wahr zu sein – dann ist es nicht wahr."

  • [1] Das OLG Köln gab im Urteil vom 8. 12. 2006 (Az. 19 U 109/06) der Klage eines Käufers statt, der einen Rübenroder im Wert von 60 000 Euro zum Preis von 51 Euro erworben hatte.
  • [2] Das LG Koblenz wies in seinem Urteil vom 18. 3. 2009 (Az. 10 O 250/08) die Klage eines Bieters ab, der einen Porsche Carrera im Wert von 75 000 Euro zum Preis von 5,50 Euro gekauft zu haben meinte.
  • [3] Beispiel für diese unstreitige Rechtsmeinung: OLG Nürnberg, Urteil vom 23. 7. 2009, Az. 14 U 622/09
  • [4] OLG Frankfurt, Urteil vom 20. 11. 2002, Az. 9 U 94/02; das LG Köln urteilte in seinem Urteil vom 16. 4. 2003, Az. 9 S 289/02, entsprechend bei einer ähnlichen Formulierung mit dem Begriff "ausführen".
  • [5] AG Westerburg, Urteil vom 14. 3. 2003, Az. 21 C 26/03
  • [6] BGH, Urteil vom 26. 1. 2005, Az. VIII ZR 79/04
  • [7] LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 24. 4. 2008, Az. 8 O 10404/ 07
  • [8] OLG Nürnberg, Urteil vom 23. 7. 2009, Az. 14 U 622/09 (Bestellung von 18 Flachbildschirmen im Wert von je 1999 Euro zum ausgewiesenen Stückpreis von 199,99 Euro durch einen Privatkunden)
  • [9] LG Hamburg, Urteil vom 9. 7. 2004, Az. 317 S 130/03
  • [10] Bereits das AG Butzbach urteilte am 14. 6. 2002 so bei einer Bestellung von 10 Fernsehgeräten im Wert von je 5295 DM zum ausgewiesenen Einzelpreis von 270,47 Euro durch einen Privatkunden, Az. 51 C 25/02 (71), 51 C 25/02; entsprechend fielen auch Entscheidungen des OLG München am 15. 11. 2002 (Az. 19 W 2631/02) und des LG Koblenz vom 18. 3. 2009 (s. o.), zu einem Vertragsschluss über eBay aus.

Der Autor Dr. Ingolf Prinz ist Rechtsanwalt in Hannover / (psz) (map)