Siemens SEN und der Channel: Versuch und Irrtum

Siemens-TK und der indirekte Vertrieb haben mit den bekannten zwei Königskindern etwas gemeinsam: Sie kommen einfach nicht so recht zusammen. Jetzt startet Siemens Enterprise Communications erneut einen Versuch. Aber Moment mal: Wieso erst jetzt?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Siemens-SEN-"General" Stefan Herrlich

(Bild: Siemens Enterprise Communications GmbH & Co. KG)

Lieber Stefan Herrlich, Deutschland-Chef von Siemens Enterprise Communications,

Ende letzter Woche wurden Sie in einem Artikel über Siemens SEN mit folgender Aussage zitiert: "Wir stellen überall und alles um." Jetzt mal im Ernst: Haben Sie das wirklich so gesagt? Ist ja lustig! Aber Sie sind Kölner oder stammen aus der Ecke, glaube ich, und den Kölnern sagt man ja ein gewisses Maß an angeborener Lustigkeit nach, die sie auch zeitlebens nicht verlieren. Nicht mal wenn sie im Management von Siemens arbeiten, und das will was heißen. Nun gut, wenn Sie, lieber Herr Herrlich, den obigen Satz wirklich so gesagt und auch noch gemeint haben, dann würde mich wirklich mal interessieren, wie groß das Chaos ist, das derzeit bei Ihnen in der Firma herrscht. Aber Moment mal: Wieso bauen Sie denn überhaupt derzeit um? Hatten Sie nicht schon vor einem Jahr an anderer Stelle gesagt (ich zitiere wörtlich): "Unser Ziel ist es, bis zum Beginn des kommenden Geschäftsjahres mit der Reorganisation durch zu sein. Das wäre der 01.10.2010." Jetzt stellt sich die Frage: Sind Sie nicht fertig geworden oder bauen Sie schon wieder um?

Starke Vermutung meinerseits: Frei nach dem Motto "Planung ersetzt den Zufall durch Irrtum" haben Sie den ursprünglichen Zeitplan nicht eingehalten und sind nun im Verzug. Und zwar mit was? Mit dem (Teil-) Umbau des Vertriebs auf das indirekte Modell. Das haben Sie sich ja schon seit einiger Zeit vorgenommen. Jetzt, Ende letzter Woche, war zu erfahren, dass Sie den Anteil des indirekten Geschäfts über Partner stärker ausbauen wollen und dieser irgendwann mal ein Drittel des Gesamtvolumens ausmachen soll. Kunden unter 1000 Mitarbeiter sollen in Zukunft Partner-Kunden sein. Größte Hürde auf dem Weg dorthin: Die Beseitigung der Kanalkonflikte, die in der Vergangenheit immer wieder für Reibungsverluste und Verdruss gesorgt haben. "Wir hatten mehr Kanalkonflikte als alles andere", sagten Sie jetzt. Auch ein schöner Satz.

Lieber Herr Herrlich, wissen Sie, was komisch ist? Beim Lesen des Artikels von letzter Woche hatte ich ein immer stärkeres Deja-vu-Erlebnis. Und tatsächlich. Wie ich mit einer kurzen Recherche herausfand, hatte ich nahezu dieselbe Aussage bereits vor neun Monaten anderswo schon einmal gelesen. Das muss man sich dann wahrscheinlich so vorstellen: Oktober 2010: "Jetzt geht´s los." Juni 2011: "Jetzt geht´s aber wirklich los."

Wundern tut mich das alles nicht. Denn Siemens-Telekommunikation und der Indirektvertrieb – das ist eine ewige Baustelle. Das hat ja allen Versuchen zum Trotz noch nie so richtig funktioniert. Ich erinnere mich noch gut an eine Schlagzeile aus dem Jahr 2002: "Siemens ICN will 80.000 Kunden an die Partner weiterreichen". Vielleicht erinnern Sie sich ebenfalls noch an diese Schlagzeile, lieber Herr Herrlich, schließlich waren Sie ja zu der Zeit der Vertriebschef von Siemens ICN. Schon damals sprachen Sie von der "absoluten Notwendigkeit des indirekten Vertriebs".

Lieber Herr Herrlich, ich wünsche Ihnen ja sehr, dass es diesmal besser klappt mit Ihrem Channel-Vorstoß. Allerdings habe ich mich entschieden, nicht allzu optimistisch zu sein. Zum einen bin ich skeptisch, dass es Ihnen diesmal gelingt, die Kanalkonflikte aus dem Weg zu räumen – mit einer anderen Organisation ist es nicht getan –, und zum anderen glaube ich, dass die Fachhändler und Systemhäuser Sie gar nicht verstehen. Denn wenn Sie, lieber Herr Herrlich, auf den "OpenMinds-Roadshows" von Ihrem "GoForward-Partnerprogramm" schwärmen und sich für die "OpenScape Hosted Services" oder die "OpenScape Cloud Solutions" begeistern, dann, fürchte ich, verstehen die anwesenden Channel-Partner im Publikum nur eins: Bahnhof.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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