Unternehmensberater sind gar nicht so

Um die Stimmung und das Vertrauen in der Belegschaft wieder zu verbessern, empfahl ein Unternehmensberater in Großbritannien, dass alle Mitarbeiter einen Tag nackt arbeiten.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber McKinsey-Geschäftsführer Frank Mattern,

wer hat eigentlich das Gerücht in die Welt gesetzt, Unternehmensberater seien phantasielose, zahlenfixierte und langweile Menschen von geringem Unterhaltungswert? Gott sei Dank gibt es auch ein paar Leute, die wissen es besser. Sie und ich zum Beispiel. Denn dieses Gerücht ist völlig falsch. Und mit solchen Diffamierungen, Stigmatisierungen und Pauschalisierungen tut man den Unternehmensberatern weh, schließlich sind es auch Menschen, oder?

McKinsey-Chef Frank Mattern

(Bild: McKinsey)

Jetzt drang die Kunde von einem sehr bemerkenswerten Fall aus Großbritannien zu uns herüber, der wie kein anderer geeignet ist, die Zunft der Unternehmensberater in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Ein Berater mit Namen David Taylor war von einem britischen Unternehmen zu Hilfe gerufen wurde, weil aufgrund der Wirtschaftskrise und einiger vorgenommener Entlassungen die Stimmung in der Belegschaft am Boden lag. Nachdem sich unser Mann ein Bild von der Lage gemacht hatte, legte er einen sehr unkonventionellen Vorschlag auf den Tisch: Alle Mitarbeiter sollten einen Tag lang mehr oder weniger nackt arbeiten. Sein Hintergedanke: Wenn die Mitarbeiter sich sehen, wie Gott sie erschaffen hat, verlieren sie ihre Hemmungen und können offen und ehrlicher miteinander umgehen. (Vor allem sieht man dann ja auch viel besser, wer eine "ehrliche Haut" ist oder nicht.)

Wie zu lesen ist, soll die Aktion ein voller Erfolg gewesen sein. Fast alle Mitarbeiter haben mitgemacht. Die 23-jährige Sam Jackson hat angeblich sogar sämtliche Hüllen fallen lassen und äußerte sich begeistert über die Aktion. Leider war den Pressemeldungen kein Bild von ihr beigefügt, aber ich vermute, sie verbringt sechs bis acht Stunden in der Woche im Fitnessclub und macht Kampfsport. "Es war fantastisch", sagte sie. "Jetzt, wo wir einander nackt gesehen haben, gibt es keine Barrieren mehr." Ups, "keine Barrieren mehr", sooo gut müssen sich die Kollegen und Kolleginnen jetzt auch wieder nicht verstehen.

Trotzdem: Ich weiß nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Ich stell mir gerade das Gesicht des Postboten vor, wenn er am Empfang die Briefe abgeben will und sich plötzlich in einem Nudisten-Camp wähnt. Außerdem bin ich skeptisch, dass es grundsätzlich ein gutes Mittel ist, die Stimmung in einer Firma zu verbessern, wenn dort alle nackt herumlaufen. Eher im Gegenteil. Ich meine, manche Menschen WILL man doch gar nicht nackt sehen, finden Sie nicht auch? Nach meiner Einschätzung reden wir hier von 90 Prozent der Menschheit. Seien wir ehrlich: Kleidung dient nicht nur als Schutz vor der Kälte, sondern auch als Schutz unserer Mitmenschen vor unserem Anblick. Ich habe auch nie daran geglaubt, dass der Tipp funktioniert, man solle sich seinen Chef nackt vorstellen, wenn der mal wieder fies und gemeins zu einem ist. Ich bin überzeugt davon, in vielen Fällen hätte man dann noch mehr Angst vor ihm als vorher.

Naja, egal. Was ich mir gut vorstellen kann, ist, dass nach diesem großen Medienecho auf die FKK-Aktion in Großbritannien sich viele (junge) Menschen fragen, wie man eigentlich Unternehmensberater wird. Nun, die Frage ist einfach zu beantworten. Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine: Man macht ein Prädikatsexamen in BWL (Theologie geht auch) in Münster oder London und bewirbt sich anschließend bei McKinsey. Die andere: Man wird gefeuert und findet keinen neuen Job.

Beste Grüße

Damian Sicking

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