Vom Glück, ein kleiner Fisch zu sein

Der Bremer IT-Unternehmer Harald Rossol beschäftigt fünf Mitarbeiter und mehr sollen es auch nicht werden. Er sagt, dass seine Firma die perfekte Größe hat und verfolgt eine dezidierte Nicht-Wachstumsstrategie. Mit dieser Einstellung kommt man in Zeiten des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes ins Fernsehen.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Er will so bleiben, wie er ist: IT-Unternehmer Harald Rossol

(Bild: Rossol)

Lieber Bremer IT-Unternehmer Harald Rossol,

die meisten Unternehmer und Unternehmensgründer sind wie Kinder: Sie wollen so schnell wie möglich groß werden. Denn wenn man groß ist, so der Glaube, dann kann man erst die richtig tollen Sachen machen, dann erst hat man Zugang zu einer Welt, die einem vorher verschlossen ist, dann ist man wichtig und wird zu den Partys eingeladen, auf denen man andere wichtige Leute trifft und mit denen man wichtige Dinge bespricht, die einem dazu verhelfen, noch größer und bedeutender zu werden. Viele Gründer beschreiben bereits in ihren Businessplänen dezidiert, wie sie den Weltmarkt aufrollen und welche Rolle sie in fünf Jahren im globalen Wettbewerb spielen werden.

Sie, lieber Herr Rossol, ticken da ganz anders. Sie wollen gar nicht wachsen bzw. Ihre Firma soll es nicht. Sie haben 1991 in Bremen die Technologie- und Managementberatung b.r.m. business resource management gegründet, und jetzt, fast 20 Jahre später, hat die Firma noch immer nur sechs Mitarbeiter, Chef inklusive. Das ist Absicht. Während andere Wachstumsstrategien entwickeln und diese mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg umsetzen, verfolgen Sie eine dezidierte Nicht-Wachstumsstrategie. Das hat mehrere Gründe: Zum einen sind Sie der Meinung, dass nur die Firme in ihrer jetzigen Größe Ihnen das Arbeiten ermöglicht, welches Sie gern tun. Wäre die Firma größer, würden sich Ihre Aufgaben als Chef verändern und der Kontakt zu Mitarbeitern und Kunden würde leiden. Das aber möchten Sie nicht. Zum anderen sind Sie insgesamt skeptisch in Bezug auf die allgemeine Meinung, nur im permanenten Wachstum liege Heil und Segen.

Aus diesem Grund ist die Grundausrichtung Ihres Unternehmen auch stark von Umweltschutz und Nachhaltigkeit geprägt. Wie die Firmierung bereits ausdrückt, kommt es Ihnen darauf an, mit den Mitteln der IT die natürlichen Ressourcen zu schonen, und sie helfen anderen Betrieben dabei, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Positiver Nebeneffekt: Auf diese Weise lassen sich oft die Betriebskosten senken. Sie selbst rühmen sich zum Beispiel, das energieeffizienteste Rechenzentrum Deutschlands zu betreiben. Dass Sie eine Menge von dieser Thematik verstehen, zeigt unter anderem die Auszeichnung als "Klimaschutzbetrieb 2009".

Interessant ist, dass Ihre konsequente Wachstumsverweigerungshaltung inzwischen durchaus Wellen geschlagen und Sie bekannt gemacht hat. So brachte der Rundfunksender Radio Bremen einen hörenswerten Beitrag über Sie und Ihr Unternehmen (Titel: "Harald Rossol und das Unternehmen, das nicht wachsen will"), Spiegel-online veröffentlichte einen längeren Artikel ("Wohlstand ohne Wachstum") und sogar das politische ARD-Fernsehmagazin Monitor widmete Ihren Ideen einen ausführlichen Beitrag ("Besser statt mehr. Wirtschaftswachstum radikal anders"; auch als PDF-Datei abrufbar).

Lieber Herr Rossol, ich finde Ihre Haltung und die konsequente Umsetzung extrem sympathisch. Denn Sie sind ja kein Spinner, der in einem dreiwöchigen Indienurlaub seine Erleuchtung erfahren hat und nun in einem orangefarbenen Gewand als Retter der Welt durch die Lande zieht. Sie führen Ihr Unternehmen nach kaufmännischen Gesichtspunkten, das heißt unter anderem auch, dass Sie durchaus den Gewinn des Unternehmens steigern wollen. Was mir gut gefällt, ist, dass Sie für sich und für Ihre Mitarbeiter nichts Geringeres als ein gutes (Arbeits-) Leben verwirklichen wollen. Das bedeutet, das zu tun, was man gerne tut, gut schlafen zu können und mit sich und der Welt im Reinen zu sein statt verzweifelt nach Neukunden und Mehrumsatz zu hetzen, um Miete und Gehälter zahlen zu können. Frei nach dem Motto "Große Firma – große Sorgen, kleine Firma – kleine Sorgen". Die Geschichte Ihrer Firma ist die Geschichte vom Glück, ein kleiner Fisch zu sein. Jede Wette, dass viele Manager und Unternehmen da draußen Sie um dieses Glück beneiden werden. Wenn auch vielleicht nur heimlich.

Beste Grüße

Damian Sicking

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